Oktober 2010 |
101012 |
ENERGIE-CHRONIK |
US-Innenminister Ken Salazar genehmigte im Oktober sechs Solarprojekte mit einer Nennleistung von insgesamt fast 3000 Megawatt (siehe Übersicht). Das größte davon hat im Endausbau eine Leistung von rund 1000 MW und soll von der Solar Millennium AG errichtet werden. Salazar und die US-Regierung von Barack Obama hoffen, damit endlich aus den negativen Schlagzeilen herauszukommen, die ihnen die Umweltkatastrophe mit der Ölbohrplattform "Deepwater" im Golf von Mexiko beschert hat. Einen kräftigen Bonus konnte bereits jetzt die Solar Millennium AG verbuchen, die durch die Affäre um Utz Claassen (100716) sowie die Zahlen des letzten Halbjahresberichts eine starke Minderung ihres Börsenwerts erlitten hatte.
Solar Millennium plant den Bau von vorläufig zwei Anlagen mit jeweils 242 MW in der Mojave-Wüste, in der Nähe der Kleinstadt Blythe im kalifornischen County (Bezirk) Riverside, an der Grenze zu Arizona. Im Endausbau sollen es irgendwann rund 1000 MW sein. Als Projektträger fungiert die in Oakland ansässige Solar Millennium LLC. Es handelt sich dabei um eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Solar Trust of America (STA), die ihrerseits zu 70 Prozent der Solar Millennium AG und zu 30 Prozent der Ferrostaal AG gehört.
In der 35.000 Quadratkilometer großen Wüste wird schon seit 25 Jahren auf kommerzieller Basis Strom mit Rinnenkollektoren erzeugt: Rund 320 Kilometer nordwestlich von Blythe gibt es an der Straßenkreuzung "Kramer Junction" insgesamt neun solcher Anlagen mit insgesamt 345 Megawatt. Die letzte und größte Anlage mit 90 MW wurde 1990 fertiggestellt. Danach lohnte das Geschäft nicht mehr, weil die Energiepreise wieder sanken und die vom Staat gewährten Steuerbefreiungen ausliefen. Die 1979 gegründete Firma LUZ mußte nicht nur auf den Bau weiterer Kraftwerke verzichten, sondern sogar Konkurs anmelden.
Inzwischen haben sich die Bedingungen wieder verbessert. Trotzdem ist das Hauptproblem für Solar Millennium nicht der Genehmigungsprozeß, der nunmehr als abgeschlossen gelten kann, sondern die Finanzierung, die pro Anlage auf rund 1,5 Milliarden Dollar veranschlagt wird. Solar Millennium möchte diese Kosten zu 70 bis 80 Prozent fremdfinanzieren. Die nun erteilte Genehmigung dürfte dieses schwierige Vorhaben erleichtern, da sie zugleich staatliche Kreditgarantien von 1,9 Milliarden Dollar für das Gesamtprojekt ermöglicht. Unabhängig davon will Millennium Solar noch in diesem Jahr mit ersten Baumaßnahmen beginnen. Dafür könne man auf "ausreichende eigene Mittel zurückgreifen", hieß es in einer Unternehmensmitteilung vom 26. Oktober.
Bei allen sechs Anlagen – die Genehmigung einer siebten in Nevada steht bevor – verpachtet der US-Staat erstmals ihm gehörendes Land für die Errichtung von Solarkraftwerken. Das macht die Sache wesentlich billiger als bei einem Grundstückskauf. Auch Solar Millennium erwirbt die rund 29 Quadratkilometer große Fläche in der Wüste nicht, sondern erhält sie unter bestimmten Auflagen für die Dauer von dreißig Jahren zur Verfügung gestellt.
Die von der US-Regierung im Oktober gebilligten Solarprojekte*
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Projekt | Standort | Nennleistung in Megawatt | Technik | Firma | Fläche (in Acre) |
Blythe Solar Power Project | Riverside County, CA | 1000 |
Solarthermie mit Rinnenkollektoren | Solar Millennium, CA | 7025 |
Tessera Solar's Imperial Valley Solar Project | Imperial County, CA | 709 | Solarthermie mit Parabolschüsseln | Tessera Solar, TX | 6360 |
Chevron Lucerne Valley Project | San Bernardino County, CA | 45 | Photovoltaik | Chevron Energy Solutions, CA | 422 |
BrightSource Energy Ivanpah Solar Electric Generating Systems | San Bernardino County, CA | 470 | Solarthermie mit Spiegeln und Solarturm | BrightSource Energy, CA | 3471 |
Tessera Solar's Calico Solar Project | San Bernardino County, CA | 663 | Solarthermie mit Parabolschüsseln | Tessera Solar, TX | 4604 |
First Solar Silver State North Solar Project | Clark County, Nevada | 50 | Photovoltaik | First Solar, AZ | 618 |
* Angaben des U.S. Department of the Interior |
Die Solar Millenium AG - anfangs schrieb sie sich mit nur einem "n" – war vor elf Jahren angetreten, um Aktionäre und sonstige Geldgeber für die Errichtung solarthermischer Kraftwerke auf Kreta und in Spanien zu gewinnen (990823). Ihre Referenzprojekte beschränken sich bis heute im wesentlichen auf drei Rinnenkollektor-Anlagen in Südspanien (Andasol 1 - 3), von denen sich die dritte noch im Bau befindet. Außerdem betätigte sie sich bei der Optimierung des Wirkungsgrads von Rinnenkollektoren und erhielt den Auftrag für die solarthermische Komponente eines 150-MW-Gaskraftwerk in Ägypten, das ergänzend mit Sonnenwärme betrieben werden soll. Die Anlagen in Spanien werden von der firmeneigenen Werbung vollmundig als "die größten Solarkraftwerke der Welt" bezeichnet, weil sie einen Flächenbedarf von 1,5 Quadratkilometer haben. Ihre Nennleistung ist indessen mit jeweils 50 MW vergleichsweise bescheiden.
Im Juli 2009 beteiligte sich das Unternehmen über die MAN Solar Millennium GmbH, die inzwischen mit der Tochter Flagsol GmbH verschmolzen wurde, an dem Firmen-Konsortium im Rahmen der "Desertec"-Initiative (090702). Dem Börsenkurs der Aktie, die im Freiverkehr gehandelt wird, tat das sehr gut, zumal das Konsortium keinen Hehl daraus macht, daß es auf kräftige staatliche Zuschüsse hofft (100806). In der "Wirtschaftswoche" (7.8.2009) erschien allerdings kurz darauf ein Artikel, der die Kapitalsammler des Solarunternehmens als "Geldkollektoren" beargwöhnte und zur Vorsicht mahnte: "Hinter der Firma stecken einige Akteure vom grauen Kapitalmarkt."
Der ehemalige EnBW-Chef Utz Claassen hatte diesen Artikel anscheinend nicht gelesen oder sogar als Anregung verstanden, als er zum 1. Januar 2010 neuer Vorstandsvorsitzender von Solar Millennium wurde (091217). Schon nach 74 Tagen trat er von seinem Posten wieder zurück, weil ihm, wie er angab, das vorgefundene Geschäftsgebaren nicht geheuer schien (100316). Zugleich demonstrierte er wieder mal seine eigenen Qualitäten als "Geldkollektor": Er weigerte sich nämlich, die für den bloßen Amtsantritt erhaltenen neun Millionen Euro zurückzuzahlen (100516, 100716).
Seitdem hörte man nichts mehr von dem Streit um die Antrittsprämie, deren drohende Auszahlung die Geschäftsleitung sogar zu einer Gewinnwarnung veranlaßte. Am 19. Oktober ließen jedoch der amtierende Vorstandsvorsitzende Thomas Mayer und Gründungsmitglied Henner Gladen ihren Rückzug aus dem Vorstand bis Ende des Monats mitteilen. An die Stelle von Mayer tritt ab 1. Januar Christoph Wolff, bisher Vorstand bei DB Schenker Rail. Gladen übergibt seinen Posten an den Niederländer Jan Withag. Die beiden ausgeschiedenen Vorstände bleiben ihrem Unternehmen aber weiterhin als Anteilseigner sowie als "Berater" verbunden.
Die exorbitante Antrittsprämie für Claassen und andere bekanntgewordene Umstände bezeugten nicht gerade einen sorgsamen Umgang mit dem Geld der Aktionäre. Durch die kostspielige Anwerbung des abgehalfterten EnBW-Chefs ging zwar der Kurs der Solar-Millennium-Aktien kurzfristig nach oben, brach dann aber umso tiefer ein. Einen weiteren Kursrutsch gab es, als das Unternehmen am 13. Oktober seinen Halbjahresbericht für 2010 veröffentlichte, der Umsatz- und Gewinnerwartungen stark nach unten korrigierte.
Die Genehmigung der Landvergabe in der Mojave-Wüste kam da wie gerufen, zumal die meisten Medien geradezu enthusiastisch berichteten: "Deutsche Firma baut gigantisches Solarkraftwerk in den USA", hieß es etwa bei DPA (26.10.). Auf der Titelseite der "Süddeutschen Zeitung" (27.10.) konnte man lesen: "USA bauen größtes Solarkraftwerk der Welt". Prompt kletterte der Kurs der Aktie um fast zwanzig Prozent nach oben. Allerdings lag er damit noch immer unter der Hälfte des Werts, den er zu Jahresbeginn hatte.