August 2011

110812

ENERGIE-CHRONIK


Diente Claassen als Köder für ein Insider-Geschäft?


Der bedenklich gefallene Börsenwert von Solar Millennium stieg 2009 rasant, nachdem das Unternehmen seine Beteiligung an "Desertec" bekanntgab und den ehemaligen EnBW-Chef Claassen als neuen Vorstandsvorsitzenden anheuerte. Als Claassen nach nur 74 Tagen zurücktrat, stürzte der Kurs auf die Hälfte ab. Mit der Ankündigung, in Kalifornien das weltweit größte Solarkraftwerk zu bauen, konnte ein weiteres Absinken vorläufig verhindert werden. Aber auch das erwies sich als Strohfeuer. Ende August tendierte der Aktienkurs gegen Null.

Die geradezu märchenhaften Bezüge, mit denen die Solar Millennium AG Ende 2009 den ehemaligen EnBW-Chef Utz Claassen zum neuen Vorstandsvorsitzenden machte (100716), könnten der Einfädelung eines Insider-Geschäfts gedient haben. Wie die "Süddeutsche Zeitung" am 16. August berichtete, prüft die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) entsprechende Vorwürfe. Demnach soll der Aufsichtsrat Hannes Kuhn, der den goldgeränderten Vertrag mit Claassen aushandelte, zuvor ein Termingeschäft über 150.000 Aktien des eigenen Unternehmens abgeschlossen haben. Nachdem der Vertrag mit Claassen perfekt war, zog der Kurs der Aktien erwartungsgemäß an (siehe Grafik). Nach Darstellung von Solar Millennium hat Kuhn das Termingeschäft lediglich getätigt, um die Aktien später an Claassen als Teil von dessen Vergütung weiter zu verkaufen, wozu es dann aber nicht gekommen sei. Er habe auch nicht vom Kursanstieg profitiert.

Kuhn gilt nach wie vor als faktischer Chef des Solar-Unternehmens, das 1999 als Anlegerfonds für Risikokapital startete (990823) und seitdem mehr durch großartige Projekte als durch realisierte Vorhaben von sich reden machte. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat gegen ihn bereits Anklage wegen Betrugs in einem anderen Falle erhoben. Es geht dabei um die Immobiliengesellschaft DM Beteiligungen AG in Düsseldorf, die 2006 Insolvenz anmelden mußte. Kuhn soll hier zusammen mit zwei weiteren Angeklagten bis zu 9000 Anleger durch ein Schneeballsystem getäuscht und um 90 Millionen Euro gebracht haben.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg prüft schon seit einiger Zeit, wieweit die exorbitanten Bezüge, mit denen Claassen für Solar Millennium geködert wurde, als schwere Untreue und massiver Verstoß gegen das Aktienrecht zu werten sind. Die Ermittlungen wurden durch die Strafanzeige eines Aktionärs ausgelöst.

Claassen beharrt unterdessen weiter darauf, die von Solar Millennium erhaltene Antrittsprämie von neun Millionen Euro nicht zurückzahlen zu müssen, obwohl er den neuen Posten schon nach 74 Tagen wieder aufgegeben hatte (110315) . Die Klage seines Kurzzeitarbeitgebers auf Rückzahlung der Prämie wird am 9. September vor dem Landgericht Nürnberg verhandelt.

Mit "Desertec" und Claassen wurden Börsenphantasien bedient

Die Solar Millennium AG galt schon bei ihrer Gründung vor zwölf Jahren als ein Unternehmen, das es mehr auf das Einsammeln von Kapital als auf die Verwirklichung von solarthermischen Großprojekten abgesehen hatte. Die Referenzprojekte beschränken sich bis heute im wesentlichen auf drei Rinnenkollektor-Anlagen in Südspanien (Andasol 1 - 3). Bis Anfang 2009 war der Kurs der Aktie, der Ende 2007 bis zu 50 Euro erreichte, auf unter neun Euro abgesackt. Bis zum Jahresende kletterte er dann auf das Fünffache, weil sich das Unternehmen geschickt im Rahmen der "Desertec"-Initiative zu plazieren wußte (090702) und mit der Verpflichtung des ehemaligen EnBW-Chefs Utz Claassen zum neuen Vorstandsvorsitzenden zusätzlich die Börsenphantasien anheizte (091217). Als Claassen nach nur 74 Tagen zurücktrat (100316) und die finanziellen Umstände seiner Anstellung bekannt wurden (100516), weckte dies begründete Zweifel an der Seriösität der Geschäftspolitik. Der Kurs fiel wieder auf das mittlere Niveau des Jahres 2009 zurück. Die Ankündigung, in Kalifornien das weltweit größte solarthermische Kraftwerk zu bauen (101012), kam da gerade recht, um ein weiteres Absinken zu verhindern. Dann stellte sich aber heraus, daß Solar Millennium dieses Projekt trotz der Kreditgarantien der US-Regierung nicht zu finanzieren vermag. Ersatzweise ist jetzt hier und bei anderen Projekten von billigeren Photovoltaik-Anlage die Rede. Der Finanzvorstand Oliver Bramberger trat im August von seinem Posten zurück. Noch desaströser wirkten sich die Nachrichten über strafrechtliche Vorwürfe aus. Ende August rutschte deshalb der Börsenkurs, der Anfang des Jahres noch bei 45 Euro pro Aktie gelegen hatte, auf bis zu 3 Euro ab.

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