Januar 2012

120111

ENERGIE-CHRONIK


 


Das 2006 eröffnete Zwischenlager am Kernkraftwerk Gundremmingen wurde nur mit einem Zaun umgeben. Ähnlich sieht es an den anderen Standorten aus. Nun sollen überall hohe Betonmauern für zusätzlichen Schutz gegen panzerbrechende Waffen sorgen.

Foto: Michael MedingFactory X

Hohe Mauern sollen Zwischenlager vor Terroranschlägen schützen

Der Gemeinderat von Gundremmingen genehmigte am 10. Januar den Bau einer zehn Meter hohen und 85 Zentimeter starken Betonmauer vor und hinter dem dortigen Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente (040101). Über den Zweck der geplanten Baumaßnahme wurden die Kommunalpolitiker nicht informiert. Es sprach sich indessen schnell herum, daß die 210 Meter lange Mauer das Zwischenlager vor terroristischen Anschlägen schützen soll. Ferner wurde bekannt, daß an allen Zwischenlagern solche Mauern geplant sind. Außer den zwölf neuen Anlagen, die gemäß der im Jahr 2000 getroffenen Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Energieversorgern an den KKW-Standorten errichtet wurden, gehören dazu die Zwischenlager in Ahaus, Gorleben und Lubmin.

"Der bisherige Schutz war kläglich" bemerkt die Initiative gegen das Zwischenlager zu diesem Schild, das natürlich nicht von RWE/E.ON, sondern von ihr stammt.

Kernkraftgegner warnten schon lange vor der Möglichkeit eines Angriffs auf die Zwischenlager. So kritisierten sie in einer Sammeleinwendung gegen das Zwischenlager Gundremmingen bereits im Frühsommer 2001, daß die Lagerhalle "insbesondere gegen verbrecherische Terrorangriffe nur unzureichend geschützt" sei. Wenig später bestätigte der Terroranschlag auf das "World Trade Center" in New York am 11. September 2001 die Berechtigung solcher Befürchtungen. Die Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht wiesen indessen alle Klagen zurück, die mit Sicherheitsbedenken gegen die Zwischenlager begründet wurden (081113). Als problematischer und wahrscheinlicher galt ein Angriff auf die Reaktoren: Deren Gebäude wurden einst allenfalls so ausgelegt, daß sie vor dem zufälligen Absturz einer Militärmaschine vom Typ "Starfighter" schützen. Keiner der Reaktoren könnte jedoch den gezielten Aufprall eines großen Verkehrsflugzeuges wie beim Anschlag auf das "World Trade Center" überstehen (110506). Die Debatte über diese Sicherheitslücke (011002) flammte 2004 erneut auf (040115) und führte dazu, daß die KKW-Betreiber das Problem mit Vernebelungsanlagen zu lösen versuchten (040609).

Neue Erkenntnisse über Beschuß durch panzerbrechende Waffen?

"Die Terrorgefahr wird jetzt offenbar höher und realistischer eingeschätzt als noch vor einigen Jahren", erklärte Raimund Kamm als Sprecher des "Forums Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e.V.", das seit Jahren gegen die Anlage in Gundremmingen protestiert. Bereits im vergangenen Jahr seien im Zwischenlager Gorleben die dortigen "Castor"-Behälter für abgebrannte Brennelemente umgestellt worden, damit sie bei einem Angriff mit panzerfaustähnlichen Waffen etwas weniger Angriffsfläche bieten. Auslöser sei ein Schreiben des Bundesumweltministeriums vom 15. April 2011 gewesen, das die Betreiber der Zwischenlager zu Schutzmaßnahmen aufforderte.

Die bayerischen Grünen vermuten, daß es an allen Zwischenlagern zu solchen Umräumaktionen kam. Weil von fast allen Lagerhallen öffentliche Innenfotos existieren, die den genauen Standort der Castoren leicht recherchierbar machen, habe man die Castoren entweder aus der Schußlinie (weg von den Toren) gebracht, im Raum verteilt oder einfach umgestellt. Zusätzlich hätten die Betreiber zum langfristigen Schutz den Bau der zehn Meter hohen Mauern beschlossen. Anscheinend lägen neue Erkenntnisse über den möglichen Beschuß durch panzerbrechende Waffen vor. So habe Greenpeace in Zusammenhang mit der Laufzeitverlängerung im Herbst 2010 ein Gutachten über die Gefahren durch panzerbrechende Waffen vorgelegt, die teilweise Reichweiten bis zu 5500 Metern haben.

Im bayerischen Landtag forderten die Grünen den Umweltminister auf, klar zu sagen, was es mit den Baumaßnahmen in Gundremmingen auf sich habe; ob ein erhöhtes Sicherheitsrisiko bestehe und ob alle bayerischen KKW-Standorte von diesen Plänen betroffen seien. Ferner wollen sie wissen, ob die Sicherheitsmaßnahmen auch für Brennelementelager in den Kernkraftwerken selber gelten. So gebe es im Atomkraftwerk Isar 1 ein Naßlager unter dem Dach, das trotz der Abschaltung des Reaktors noch immer mit abgebrannten Brennelementen bestückt sei. In Gundremmingen existiere ein vergleichbares Naßlager.

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