August 2012 |
120813 |
ENERGIE-CHRONIK |
Auf Wunsch und Drängen der Stadt Solingen gibt die MVV Energie ihre vor elf Jahren erworbene Beteiligung an den Stadtwerken Solingen (010906) wieder zurück. Wie der Mannheimer Konzern am 23. August mitteilte, wird er seine 49,9 Prozent betragende Beteiligung mit Wirkung zum 30. September 2012 an die Stadt verkaufen, die derzeit mit 50,1 Prozent noch knapp die Mehrheit besitzt. Zu den Details der Trennung würden keine Angaben gemacht, da diese zunächst in den zuständigen Gremien beraten werden müßten.
Indessen ist es kein Geheimnis, daß die Solinger Kommunalpolitiker schon seit längerem mit dem Mannheimer Partner unzufrieden sind und auf eine Trennung gedrängt haben. SPD und Grüne sowie die beiden lokalen Wählervereinigungen BfS und DSW setzten schließlich den Rückkauf gegen den Widerstand von CDU und FDP durch. Auch Oberbürgermeister Norbert Feith (CDU) hatte vergebens eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit MVV befürwortet.
Nach Informationen des "Solinger Tageblatts" erhält die MVV insgesamt 116,5 Millionen Euro für die Rückgabe der Beteiligung. Die MVV bezahlte seinerzeit 240 Millionen Mark bzw. rund 120 Millionen Euro. Das scheint ein überhöhter Preis gewesen zu sein, denn wie später eine Überprüfung ergab, hat die MVV ihre Stadtwerke-Beteiligungen in Solingen, Offenbach und Ingolstadt um insgesamt 42 Millionen Euro zu teuer eingekauft (040911).
Für die Stadt Solingen dürfte ebenfalls kein Gewinn herausspringen: Sie hat das erhaltene Geld in Wertpapierfonds angelegt, wobei allein die Beratung durch Finanzexperten einen Millionenbetrag verschlang. Der Ertrag war aber so kümmerlich, daß es nach Ansicht von Kritikern mehr gebracht hätte, das Geld zu den minimalen Zinsen eines ganz normalen Sparbuchs anzulegen...
Der Einstieg der MVV in Solingen war mit der Erwartung verbunden gewesen, daß der neue Gesellschafter die Stadtwerke als Basis für die weitere Expansion in Nordrhein-Westfalen nutzen und ausbauen würde. Daraus wurde aber nichts. Die 2008 beschlossene Fusion der Stadtwerke Solingen, Remscheid und Velbert unter Assistenz der drei Konzerne MVV, RWE und E.ON (080611) kam ebensowenig zustande wie der ersatzweise angestrebte Zusammenschluß der Stadtwerke Solingen und Remscheid (110714).
Hinzu wurde 2008 ein seltsamer Vertrag ruchbar, in dem sich die Stadt Solingen Ende 2001 verpflichtet hatte, ihrer Stadtwerke-Tochter jährlich 1,3 Millionen Euro zu zahlen. Damit sollte die Entnahme von Löschwasser aus städtischen Hydranten durch die Feuerwehr abgegolten werden. Die Löschwasser-Pauschale war an den bis 2021 laufenden Konzessionsvertrag gekoppelt und wie dieser unkündbar. Das Geld kam zur Hälfte dem neuen Gesellschafter MVV zugute, der bei seiner Tochter Stadtwerke Kiel (040505) von einer ähnlichen Regelung profitiert. Trotz der hohen Gesamtsumme von rund 26 Millionen Euro wurde dieser Löschwasser-Vertrag lediglich vom damaligen Stadtkämmerer unterzeichnet, mit Wissen des damaligen Oberbürgermeisters, aber ohne Wissen und Zustimmung des Stadtrats.
In anderen Städten gibt es derartige Vereinbarungen über die Bezahlung von Löschwasser durch die Feuerwehr in der Regel gar nicht oder zumindest nicht in dieser Höhe. Zu den Ausnahmen gehören die Stadtwerke Remscheid, an denen RWE zu einem Viertel beteiligt ist, und die der Stadt für die Pflege der Hydranten jährlich den vergleichsweise bescheidenen Betrag von 43.000 Euro berechnen.
Später gelangte auch die Stadt Solingen zu der Ansicht, daß die vereinbarten 1,3 Millionen Euro jährlich entschieden zuviel seien. Die MVV widersetzte sich jedoch einer Kürzung dieser Einnahmequelle. Die Stadt zahlte daraufhin ab 2009 die Pauschale überhaupt nicht mehr. Sie argumentierte, daß die Vereinbarung rechtlich unwirksam sei, weil sie nur die Unterschrift des Stadtkämmerers trug. Die Staatsanwaltschaft ermittelte 2010 sogar wegen Verdachts der Untreue. Sie stellte das Verfahren dann aber ein, weil sich der Ex-Stadtkämmerer darauf berufen konnte, daß die enorme Summe von einem externen Gutachter ermittelt worden war.
In den insgesamt 116,5 Millionen Euro, die jetzt die MVV für die Rückgabe ihrer Beteiligung bekommt, sind 2,5 Millionen Euro enthalten, mit denen ihre Ansprüche aus dem Löschwasser-Vertrag abgegolten werden.