Februar 2014 |
140214 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das Bundeskartellamt hat zu Recht die mißbräuchlich erhöhten Trinkwasser-Preise der Berliner Wasserbetriebe (BWB) beanstandet. Das von 1999 bis 2013 teilprivatisierte Unternehmen konnte sich nicht darauf berufen, daß die Behörde zur Überprüfung seiner Preise gar nicht befugt gewesen sei, weil es sich um Gebühren im öffentlich-rechtlichen Sinne gehandelt habe, die auf gesetzlichen Verpflichtungen beruht hätten. So entschied am 24. Februar das Oberlandesgericht Düsseldorf.
Die Zuständigkeit des Bundeskartellamts ergibt sich nach Feststellung des Gerichts schon daraus, daß die Berliner Wasserbetriebe ihren Kunden keine Gebühren abverlangen, sondern selber von "Preisen" sprechen. "An der durch dieses Handeln selbst zum Ausdruck gebrachten Rechtsform müßten sie sich festhalten lassen", heißt es in der erläuternden Pressemitteilung zu dem Beschluß. Die BWB könnten sich auch nicht auf zwingende landesgesetzliche Vorgaben zur Rechtfertigung der hohen Preise berufen, weil diese Landesgesetze durchaus auch niedrigere Preise zuließen. Der vom Kartellamt gewählte Weg zur Feststellung einer Preisüberhöhung sei methodisch und rechnerisch nicht zu beanstanden. Der Vergleich mit den deutlich niedrigeren Wasserpreisen der Großstädte Hamburg, Köln und München sei sehr differenziert erfolgt. Insbesondere habe das Kartellamt die zusätzlichen Investitionskosten ausreichend berücksichtigt, die den BWB durch die Wiedervereinigung entstanden sind.
Die mittlerweile wieder kommunalisierten BWB erklärten zu dem Urteil, daß sich die Klage nicht gegen die Senkung des Wasserpreises gerichtet habe. Man habe die Verfügung des Bundeskartellamts deshalb angefochten, weil "unklar geworden war, welche rechtlichen Vorgaben für die Preise gelten". Da das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen habe, würden die BWB nach Prüfung des Urteils in den nächsten Wochen entscheiden, ob sie von dieser letzten rechtlichen Möglichkeit Gebrauch machen.
Die BWB haben für ihre erfolglose Klage gegen die Zuständigkeit des Bundeskartellamts zur Überprüfung der Wasserpreise, die noch unter der unternehmerischen Führung durch RWE/Veolia eingereicht wurde, bisher mindestens 5,3 Millionen Euro ausgegeben. Der größte Teil davon entfiel mit 4,4 Millionen Euro auf "Beraterleistungen". Die Bürgerinitiative "Berliner Wassertisch", die erfolgreich für die Rekommunalisierung der Berliner Wasserversorgung gekämpft hat, verlangte in ihrer Stellungnahme zu dem Urteil auch deshalb den Rücktritt der gesamten bisherigen Führung des Unternehmens:
"Daß der Vorstand der BWB in gemeinsamer Sache mit dem Senat in diesem überflüssigen Rechtsstreit mit unserem Geld über 5,3 Millionen Euro ausgegeben hat, um gegen die Interessen der Berliner vorzugehen, ist ein Skandal. Der noch größere Skandal ist, daß der Vorstand, der hierfür und für den jahrelangen Preismißbrauch beim Trinkwasser und den fortgesetzten Preismißbrauch beim Abwasser verantwortlich ist, mit Billigung des Senats weiter an der Spitze der BWB verbleibt. Wir fordern aufgrund des Urteils, daß die komplette Vorstandsetage die Verantwortung übernimmt und zurücktritt."
Nach zwei Abmahnungen (111216, 120410) hatte das Bundeskartellamt mit Beschluß vom 4. Juni 2012 die Berliner Wasserbetriebe (BWB) verpflichtet, die abgabenbereinigten Nettopreise für Trinkwasser ab 2012 um 18 Prozent zu senken. Das Unternehmen gehörte damals noch zu 49,9 Prozent den beiden Konzernen RWE und Veolia (früher Vivendi), während das Land Berlin mit 50,1 Prozent formal über die Mehrheitsbeteiligung verfügte. Die 1999 geschlossenen Verträge waren aber so konstruiert worden, daß die privaten Minderheitseigentümer das Sagen hatten und über garantierte Gewinnmargen verfügten. Dies war der Grund für die exorbitant hohen Berliner Wasserpreise. Die Abmachungen mit den privaten Aktionären blieben indessen bis auf weiteres geheim, weil der damalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) – der heute als populistischer Bestseller-Autor von sich reden macht – sogar den Abgeordneten des Landesparlaments die Einsichtnahme in die kompletten Unterlagen verweigerte (100713).
Aufgrund der Verfügung des Bundeskartellamts räumten die BWB ihren Kunden für das Jahr 2012 – und später auch für 2013 – eine Gutschrift von 14 Prozent auf die Trinkwasser-Rechnung ein. Zugleich zogen sie aber vor Gericht. Parallel zu der anhängigen Klage kam es unter dem Druck der Bürgerinitiative "Berliner Wassertisch" zur Rekommunalisierung des Unternehmens. Sowohl RWE (120708) als auch Veolia (130908) gaben ihre BWB-Beteiligung an das Land Berlin zurück. Anfang Dezember 2013 war die Rekommunalisierung abgeschlossen. Als neuer Alleineigentümer sicherte der Berliner Senat zu, daß die Gutschriften unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits mit dem Bundeskartellamt nicht zurückgefordert würden. Außerdem kündigte er an, die Trinkwassser-Wasserpreise ab 2014 definitiv um 15 Prozent zu senken.
Der Berliner Wassertisch wirft dem Senat vor, RWE und Veolia auch bei der Rekommunalisierung des Unternehmens begünstigt zu haben, indem er ihnen einen zu hohen Preis für den Rückkauf ihrer BWB-Beteiligungen zahlte. Die Verkaufspreise seien aus dem Ertragswert bzw. den bisherigen Gewinnmargen des Unternehmens abgeleitet worden. Sie hätten damit nicht die Minderung des Unternehmenswerts berücksichtigt, der durch die Preissenkungs-Verfügung des Bundeskartellamts entstand.
Gemeinsam mit dem Bund der Steuerzahler und dem Verband Deutscher Grundstücksnutzer hat der Berliner Wassertisch deshalb Strafanzeige gegen den Finanzsenator Ulrich Nußbaum wegen des Verdachts der Untreue erstattet. Ein weiter Vorwurf der Bürgerinitative lautet, daß die BWB dieselben mißbräuchlichen Kalkulationsgrundlagen, die das Bundeskartellamt beim Trinkwasser beanstandete, noch immer bei der Berechnung des Abwassers anwenden würden.