November 2014 |
141106 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Bundesrechnungshof hat erneut das Geschäftsgebaren der "Deutschen Energie-Agentur" (dena) kritisiert. Er beanstandete nicht nur die "unangemessen hohen" Gehälter des Geschäftsführers Stephan Kohler und anderer Mitarbeiter, sondern bezweifelte auch den Sinn dieser Einrichtung, die vor vierzehn Jahren vom Bundeswirtschaftsministerium gegründet wurde (001011). Dies berichteten im November verschiedene Medien, die Gelegenheit hatten, den Bericht des Rechnungshofs einzusehen, der lediglich im Intranetz des Bundestags zugänglich ist. Zugleich wurde bekannt, daß Kohler sein Amt zum Jahresende abgibt.
Stephan Kohler auf dem "dena-Energieeffizienzkongress" am 12./13. November. Foto: dena
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Am 13. November befaßte sich der Haushaltsausschuß des Bundestags mit den Konsequenzen aus dem Bericht des Bundesrechnungshofs. Wie der Berichterstatter Thomas Jurk (SPD) anschließend mitteilte, wird die Dena noch in diesem Jahr Steuermittel in Höhe von 200.000 Euro an den Bund zurückzahlen. Ein Nachfolger für Kohler soll erst ernannt werden, wenn die Arbeit der Energieagentur evaluiert und neu strukturiert worden ist. Das Bundeswirtschaftsministerium werde dem Haushaltsausschuß vierteljährlich über die dabei gemachten Fortschritte berichten.
Nach Angaben des Mitberichterstatters Andreas Mattfeldt (CDU) hat die Dena unter Kohlers Amtsführung von 2009 bis 2013 jährlich schätzungsweise 400 000 bis 600 000 Euro an Steuermitteln zuviel kassiert. Angesichts dieser Summen sei die zwischen der Dena und dem Bundeswirtschaftsministerium vereinbarte Rückzahlung von 200.000 Euro nur "ein Tropfen auf dem heißen Stein".
Der Hauptvorwurf gegen Kohler besteht darin, daß er sich und etwa der Hälfte der 150 hauptamtlichen Dena-Mitarbeiter zu überhöhten Gehältern verhalf und diese Praxis trotz wiederholter Kritik des Bundesrechnungshofs (070410) nicht abgestellt hat. Er verstieß damit gegen das Besserstellungsverbot, das quasi-staatliche Einrichtungen wie die Dena verpflichtet, die im öffentlichen Dienst vorgesehene Besoldung einzuhalten. Eine höhere Bezahlung wäre nur erlaubt gewesen, wenn sich die Dena überwiegend aus privaten Aufträgen finanziert hätte. Das war aber nicht der Fall. Die Dena erweckte lediglich diesen Anschein, indem sie zu Bilanztricks griff und beispielsweise Aufträge von EU-Institutionen als Einnahmen aus privatwirtschaftlichen Aufträgen ausgab.
Wie der Abgeordnete Mattfeldt mitteilte, hat sich Kohler seinen Posten trotz der "vergleichsweise geringen Verantwortung" nach der höchsten Besoldungsstufe B11 vergüten lassen. Das jährliche Gehalt von 184.000 Euro habe er noch durch Zulagen erhöht. Nach Informationen des "Tagesspiegel" (17.11) soll er 2013 ingesamt 220.000 Euro verdient und damit die Bezüge der Bundeskanzlerin übertroffen haben.
Kohler pflegte das überhöhte Gehaltsniveau bei der Dena damit zu begründen, daß nur so hinreichend qualifiziertes Personal gewonnen werden könne. Genügend Sach- und Fachverstand wäre freilich billiger zu haben gewesen. Trotz der stattlichen Gehälter stand die Dena nie im Ruf, über sonderlich qualifiziertes Personal zu verfügen. Zum Beispiel hat sie bei einer Anzeigenkampagne sogar die Dampfschwaden aus Kühltürmen mit dem Rauch aus Kraftwerks-Schornsteinen verwechselt (041115).
Den Anschein von Sachverstand verdankte die Agentur vor allem Publikationen wie der "Dena-Netzstudie" zu den netztechnischen Folgen der vermehrten Windstrom-Einspeisung (050102). Dabei handelte es sich aber um extern erstellte Gutachten, die wohl auch deshalb unter dem neutral klingenden Etikett "Dena" präsentiert wurden, weil sich bei ihnen der externe Sachverstand mit durchaus einseitigen Brancheninteressen vermischte (100807).
Seit 2011 kungelte die Dena sogar offen mit der Lobby, indem sie mit den einschlägigen Branchenverbänden die Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz (geea) gründete (110803). Sie hat so kräftig den "Dämmwahn" und die Interessen der Baustoffhersteller gefördert, anstatt die problematischen Seiten einer nachträglich vorgenommenen Wärmedämmung zu beleuchten. Neben Gebäudeschäden, erhöhter Brandgefahr, Schimmelbildung und Fassaden-Verschandelung gehören dazu vor allem unrealistische Einspar-Versprechungen, die über die mangelnde Wirtschaftlichkeit eines Großteils der "Sanierungs"-Maßnahmen hinwegtäuschen sollen (111112).
Daß Kohler von Anfang an die höchste Besoldungsstufe erlangen und sich solange im Amt halten konnte, dürfte vor allem mit seinen guten Kontakten zu führenden SPD-Politikern zu erklären sein. Er zählte zu den "frogs" (friends of Gerhard Schröder), wie der Klüngel um den früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten und späteren Bundeskanzler genannt wurde. Seine Frau, die heute Abteilungsleiterin im Umweltministerium ist, diente früher dem Bundesumweltminister Sigmar Gabriel als Büroleiterin. Mit dem SPD-Fraktionschef und heutigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier teilte er sich ein Ferienhaus in Brandenburg an der Havel.
Er hat es aber auch verstanden, sich Politikern anderer Parteien zu empfehlen. Beispielsweise warnte die Dena 2008 in einer "Kurzanalyse", die von E.ON und RWE mitfinanziert wurde, vor einer angeblichen Kraftwerkslücke durch den Atomausstieg. Kohler kam damit seinem damaligen Dienstherrn, dem Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) zuhilfe, der in dieser Frage eine propagandistische Auseinandersetzung mit Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) führte. (080308)
Über den Kontakt zu Schröder erhielt Kohler 1991 die Leitung der neugeschaffenen Niedersächsischen Energieagentur, die jeweils zur Hälfte vom Land und vom Veba-Konzern (heute E.ON) getragen wurde (920514). Wie man inzwischen weiß, hat er sich schon in diesem Amt nicht mit Ruhm bekleckert. Die scharfe Kritik des Landesrechnungshofs, der ein "erhebliches Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung" monierte, blieb aber weitgehend unter der Decke. Als die schwarz-gelbe Landesregierung die Niedersächsische Energieagentur schließlich auflöste, sprach sie beschönigend von einer "insgesamt erfolgreichen Tätigkeit", die nur wegen der desolaten Haushaltslage nicht fortgeführt werden könne (030406).
Die "Deutsche Energie-Agentur GmbH", zu der Kohler anschließend wechselte, wurde im Herbst 2000 vom damaligen Wirtschaftsminister Werner Müller gegründet (001011). Die andere Hälfte der Gesellschaftsanteile übernahm die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Von Anfang an war vorgesehen, daß sie sich über Sponsoren und Beratungsaufträge der privaten Wirtschaft teilweise selber finanzieren sollte. Im wesentlichen war damit die finanzielle Unterstützung durch Energiekonzerne wie E.ON und RWE gemeint. Zu solchen Zuwendungen kam es auch, wie etwa die Studie zur angeblichen Kraftwerkslücke durch den Atomausstieg zeigt. Dennoch blieb die Dena im wesentlichen auf staatliche Finanzierung angewiesen.
Inzwischen verfügt die KfW nur noch über 26 Prozent, da sie jeweils acht Prozent der Allianz, der Deutschen Bank und der DZ Bank überlassen hat. Den Vorsitz im Aufsichtsrat führt das das Bundeswirtschaftsministerium. Der staatliche Eigentümer wird ferner durch die Ministerien für Landwirtschaft, Umwelt und Verkehr vertreten.