Februar 2015

150205

ENERGIE-CHRONIK


N-Ergie bezweifelt Notwendigkeit von Stromautobahnen

In der Auseinandersetzung um die geplante "Stromautobahn" von Sachsen-Anhalt nach Bayern (140201,140716, 141109) hat der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) Unterstützung von einem der größten Kommunalversorger erhalten. Der Vorstandsvorsitzende der Nürnberger N-Ergie, Josef Hasler, bezweifelte jetzt öffentlich, daß die im Netzentwicklungsplan 2014 vorgesehenen HGÜ-Trassen in erster Linie zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit notwendig seien. Vielmehr werde "immer deutlicher, daß die bisherigen Ausbauplanungen der Übertragungsnetzbetreiber vorrangig dazu dienen, den europaweiten Handel mit Energie sicher zu stellen".

Die Versorgungssicherheit in Bayern sei nicht der Kernpunkt, sondern ein Nebenprodukt der geplanten Trassen, erklärte Hasler in einer Pressemitteilung der N-Ergie vom 31. Januar. Die geplanten HGÜ-Trassen würden vielmehr hauptsächlich für den europäischen Energiebinnenmarkt konzipiert: Das Marktmodell für den EU-Energiebinnenmarkt basiere auf der idealisierten Annahme, daß das Stromnetz wie eine "Kupferplatte" funktionieren müsse, über die sich Strom an jedem beliebigen Ort einspeisen und an Kunden verkaufen läßt. Entsprechend verfolge der geplante Ausbau des Übertragungsnetzes vorwiegend das Ziel, die Liberalisierung des EU-Energiebinnenmarkts möglichst reibungslos zu ermöglichen. Der Netzentwicklungsplan sehe deshalb neben einer massiven Ausweitung der notwendigen Transitkapazitäten innerhalb Deutschlands eine Erhöhung der Kuppelkapazitäten zu den jeweiligen Nachbarländern vor.

"Überdimensionierter Netzausbau erschwert dezentrale und verbrauchsnahe Energiewende"


Der Chef der Nürnberger N-Ergie, Josef Hasler, warnt vor einer Netzplanung, die auf das Marktmodell der "europäischen Kupferplatte" fixiert ist.
Foto: N-Ergie

"Würde der binnenmarktgetriebene Ausbau des Übertragungsnetzes wie geplant umgesetzt, wäre über Jahrzehnte eine Struktur festgeschrieben, in der neue und innovative regionale Versorgungskonzepte deutlich weniger Chancen hätten", erklärte Hasler. Zum Beispiel entfielen damit Anreize für eine lokale Optimierung über die Nutzung von Flexibilitäten, aus Speichern, Lastmanagement sowie KWK als zukünftige Alternative zu einem Netzausbau. "Die Kosten der massiv ausgebauten Netzinfrastruktur werden die nächsten Jahrzehnte über Netzentgelte sozialisiert, selbst wenn sich vielleicht in 10 bis 20 Jahren bessere Alternativen ergeben. Und für eine sinnvolle Optimierung von lokalen und regionalen Versorgungsstrukturen, die auch einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten können, gäbe es keine Marktanreize mehr."

Im aktuellen Netzentwicklungsplan werde als Basis das bestehende Marktmodell (z. B. Merit-Order) mit der Randbedingung nationaler, subventionierter erneuerbarer Energie verwendet und über Jahrzehnte im Modell fortgeschrieben. Der geplante Netzausbau solle dabei Netzengpässe im Marktgeschehen verhindern. Ein Netzengpass könne aber nicht nur durch Netzausbau verhindert werden, sondern auch durch die verbrauchsnahe Ansiedlung von Erzeugung. Hierzu wäre es notwendig, Marktanreize in das zukünftige Marktdesign aufzunehmen. Sogar die Einführung von unterschiedlichen Preiszonen könne unter Umständen sinnvoll sein, wenn durch die unterschiedlichen Preise Anreize geschaffen werden, Erzeugungskapazitäten in Zonen mit höheren Preisen zu installieren.

Bisher gingen sämtliche Szenarien des Netzenwicklungsplans von verbrauchsfernen, zentralen Großkraftwerken aus, die einen erhöhten Netzbedarf zur Folge hätten. So ergebe sich ein überdimensionierter Netzausbau, der eine dezentrale und verbrauchsnahe Energiewende erschwere. Es entstehe ein erheblicher Zielkonflikt zwischen der zentralen und dezentralen Energieversorgung. Letztendlich sei zu befürchten, dass der Bau der HGÜ-Trassen im derzeit beabsichtigten Umfang "das Oligopol der Übertragungsnetzbetreiber verfestigt und der regionalen Perspektive der Energiewende der wirtschaftliche Boden entzogen wird".

 

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