Februar 2014

140201

ENERGIE-CHRONIK


 

 

Den "lieben Horst" hat es nicht kalt gelassen, wie in Franken kurz vor den bayerischen Kommunalwahlen auf das HGÜ-Projekt von Amprion reagiert wurde...

Starker Widerstand gegen HGÜ-Trassen – Bayerns Landesregierung verlangt ein "Moratorium"

Die drei Hochspannungs-Gleichstrom-Brücken, die bis 2022 den Norden und Süden Deutschlands verbinden sollen, stoßen auf starken Widerstand bei Bürgern, die von der geplanten Trassenführung betroffen sind. Besonders heftig sind die Proteste in Bayern, wo der Netzbetreiber Amprion jetzt seine Pläne für die rund 450 Kilometer lange HGÜ-Verbindung konkretisierte, die von der Umspannanlage Lauchstädt bei Halle zur Umspannanlage Meitingen bei Augsburg führen soll (Korridor D auf der Karte). Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) befürchtet anscheinend sogar nachteilige Auswirkungen auf das Abschneiden seiner Partei bei den bevorstehenden Kommunalwahlen am 16. März. Am 5. Februar überraschte er den bayerischen Landtag mit der Forderung, die Pläne für den Netzausbau durch ein "Moratorium" bis auf weiteres auf Eis zu legen. Die Netzbetreiber TenneT und TransnetBW verschoben daraufhin die geplanten Informationsveranstaltungen, auf denen sie den Trassenverlauf für ihr HGÜ-Projekt "SuedLink" (Korridor C auf der Karte) vorstellen wollten.

"Einen solchen Proteststurm hat es in Bayern seit Jahren nicht gegeben"


Der genaue Verlauf der drei HGÜ-Trassen A, C und D steht noch nicht fest. Für die Projekte C und D gibt es aber inzwischen konkrete Vorschläge der Netzbetreiber (siehe Links zu topografischen Karten). Zwischen A und C hatten die Netzbetreiber ursprünglich noch eine vierte Nord-Süd-Verbindung auf ihrer Wunschliste. Dieses Projekt B wurde ihnen aber von der Bundesnetzagentur vorläufig gestrichen (121106).

In Sachsen-Anhalt und Thüringen hatte der Netzbetreiber 50Hertz seinen Teilabschnitt der HGÜ-Trasse von Lauchstädt nach Meitingen bereits im November vorgestellt. Die beiden Informationsveranstaltungen in Halle und Weimar verliefen unspektakulär und unter relativ geringer Beteiligung. Ganz anders reagierte jedoch die fränkische Bevölkerung im nördlichen Teil Bayerns, wo der Netzbetreiber Amprion für den zweiten Teilabschnitt bis Meitingen verantwortlich ist. "Eine solche Empörung, einen solchen Proteststurm hat es in Bayern seit Jahren nicht gegeben", resümierte die "Süddeutsche Zeitung" (6.2.) in einem Bericht über die drei Amprion-Veranstaltungen, die vom 28. Januar bis zum 4. Februar in Kulmbach, Nürnberg und Donauwörth stattfanden.

Viele Betroffene fühlen sich schlicht übergangen

Auch außerhalb der Anhörungen kam es in Franken zu örtlichen Demonstrationen gegen die "Gleichstrompassage Süd-Ost", wie das Projekt von den Netzbetreibern bezeichnet wird. Mitte Februar verzeichnete die Bürgerinitiative gegen die "Strommonstertrasse" bereits 15 Ortsgruppen. Große Aussichten auf Erfolg dürfte der Protest nach Sachlage und auch nach Einschätzung vieler Demonstranten nicht haben. Die Empörung entzündet sich aber gerade am gesetzgeberischen Zwang, mit dem die HGÜ-Vorhaben und andere Projekte des "Bundesbedarfsplans" vorangetrieben und den üblichen Einspruchsmöglichkeiten entzogen werden. Viele Betroffene fühlen sich dadurch schlicht übergangen und vor vollendete Tatsachen gestellt. Die Informationsveranstaltungen und Anhörungen empfinden sie als scheindemokratische PR-Aktion, die an bereits getroffenen Entscheidungen nichts Wesentliches ändert. Nicht zuletzt bezweifeln sie, daß es überhaupt der HGÜ-Trassen bedarf, um den im Norden erzeugten Windstrom nach dem Süden zu transportieren und so die Stromversorgung in Deutschland zu sichern. Speziell die geplante Leitung von Lauchstädt nach Meitingen diene vor allem dem Zweck, die ostdeutsche Braunkohleverstromung im bisherigen Umfang aufrechterhalten zu können.

"Überdimensionierter Netzausbau dient nur der Kohleverstromung"

Dieser Ansicht ist auch der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Lorenz Jarass, der den geplanten Netzausbau schon mehrfach als überdimensioniert kritisiert hat (120803, 101101). "Warum auch immer der bayrische Ministerpräsident Seehofer ein Moratorium für den Netzausbau fordert, in der Sache hat er recht", meinte Jarass am 17. Februar in einer Stellungnahme. "Die geplanten neuen Stromleitungen sind nicht für den Transport von Windstrom von Nord nach Süd erforderlich, sondern für die Einspeisung von Kohlestrom zeitgleich zu Starkwindeinspeisung. Dies gilt insbesondere für die von Ostdeutschland nach Bayern geplanten neuen Leitungen."

Wie Jarass ausführte, haben die Betreiber konventioneller Kraftwerke nach § 12 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes sogar einen Rechtsanspruch darauf, ihre Anlagen unabhängig vom Stromangebot aus erneuerbaren Energien stets mit voller Leistung betreiben zu können. Dieser Rechtsanspruch habe auch den Planungen der Netzbetreiber zugrunde gelegen, die dann in den "Bundesbedarfsplan" eingegangen sind. Vor dem Bau weiterer Leitungen müsse deshalb zwingend das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) so reformiert werden, daß zukünftig konventionelle Kraftwerke kein gesichertes Einspeiserecht mehr haben, sofern ausreichend Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung steht. Andernfalls stehe der Bau dieser neuen Leitungen im Widerspruch zum Ziel der Energiewende, die Stromerzeugung aus Kohle zu verringern und die aus erneuerbaren Energien zu steigern. Der überdimensionierte Stromnetzausbau belaste unnötigerweise die Stromverbraucher, konterkariere den Klimaschutz und bedrohe die Akzeptanz der Energiewende. Außerdem werde dadurch der dringend erforderliche Ausbau schnell regelbarer Gaskraftwerke in Süddeutschland betriebswirtschaftlich völlig unrentabel.

Seehofer will erst die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes abwarten

Der bayerische Ministerpräsident Seehofer vollzog seinen überraschenden Schwenk, nachdem am Vortag auch die dritte Amprion-Veranstaltung in Donauwörth überaus turbulent verlaufen war. Er begründete ihn damit, daß die geplante Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auch Auswirkungen auf die Belastung der Netze haben werde. Diese müßten zunächst geprüft werden. Die Planung der für Bayern vorgesehenen zusätzlichen großen Stromtrassen sei dann entsprechend zu ändern. Die Landesregierung erwarte, "daß ihr als Sachwalter der Interessen bayerischer Bürger Stromtrassenplanungen von der Dimension der Korridore C und D vor Eintritt in die Bundesfachplanung vorgelegt und berechtigte Einwendungen berücksichtigt werden". Darüber hinaus verlange sie von der Bundesregierung und der Bundesnetzagentur ein generelles "Moratorium" , das die Umsetzung der Netzausbaupläne solange stoppt, "bis die Auswirkungen dieser Veränderungen auf den Bedarf für neue Stromautobahnen genauer eingeschätzt werden können".

Am selben Tag, an dem Seehofer diese Erklärung vor dem Landtag abgab, stellten die beiden Übertragungsnetzbetreiber TenneT und TransnetBW den Trassenverlauf für ihr Projekt "SuedLink" vor (Korridor C auf der Karte). Mit Blick auf die Haltung der bayerischen Landesregierung fügten sie ihrer Pressemitteilung schnell noch einen Passus ein, in dem sie "die klare Unterstützung des notwendigen Netzausbaus und der großen Stromverbindungen wie SuedLink durch die Politik auf Landes- und Bundesebene" forderten. Bis dahin würden sie die bereits geplanten Informationsveranstaltungen für Bürger und Gemeinden entlang des vorgeschlagenen Trassenkorridors aufschieben. In einer weiteren Stellungnahme vom 6. Februar sprach TenneT von einer "erheblichen Zäsur", mit der "die politische Grundlage der Energiewende in Frage gestellt" werde.

Für zwei der drei HGÜ-Trassen gibt es inzwischen konkrete Vorschläge

Der von den Übertragungsnetzbetreibern ausgearbeitete Netzentwicklungsplan, wie ihn die Bundesnetzagentur bestätigte (121106) und der Bundestag als Bundesbedarfsplan in Gesetzesform beschloß (130408), sieht insgesamt drei HGÜ-Verbindungen zwischen dem Norden und dem Süden Deutschlands vor (131002). Vorläufig stehen nur die Endpunkte fest, an denen die Gleichstrom-Trassen mit dem bestehenden Drehstrom-Netz über Konverterstationen verknüpft werden. Der Trassenverlauf wurde zunächst nur vage durch "Korridore" zwischen den Endpunkten angedeutet. Für die Leitung von Lauchstädt nach Meitingen (Korridor D) sowie für den größten Teil des SuedLink-Projekts (Korridor C) haben die zuständigen Übertragungsnetzbetreiber mittlerweile aber konkrete Vorschläge ausgearbeitet. Für die im Korridor A verlaufende Nord-Süd-Leitung von Emden nach Osterath gibt es noch keine derartigen Vorschläge. Sie scheint auch nicht sonderlich dringlich zu sein. Viel wichtiger dürfte die anschließende HGÜ-Leitung von Osterath nach Philippsburg sein, die den im rheinischen Revier erzeugten Braunkohle-Strom nach Süddeutschland transportieren soll (130302). Deren Verlauf steht insoweit fest, als sie weitgehend über das Gestänge von bereits vorhandenen 380-kV-Masten verlegt werden soll (120401).

Zuständig für die Verwirklichung der HGÜ-Projekte sind die Übertragungsnetzbetreiber, in deren Gebiet die Gleichstrom-Direktverbindungen mit dem bestehenden Drehstrom-Höchstspannungsnetz verknüpft werden. Beim Korridor A sind das im Norden TenneT und Amprion und für den südlichen Abschnitt Amprion und TransnetBW. Das Projekt SuedLink im Korridor C (anfangs Sued.Link genannt) wird größtenteils von TenneT verwirklicht; aber auch TransnetBW ist beteiligt, da eine der beiden Leitungen zum Umspannwerk Großgartach führt. Die im Korridor D geplante HGÜ-Leitung wird in Sachsen-Anhalt und Thüringen vom dort zuständigen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz gebaut. Ab der bayerischen Landesgrenze ist dann der Netzbetreiber Amprion zuständig, in dessen Gebiet der Verknüpfungspunkt Meitingen liegt, obwohl die Trasse größtenteils durch den Netzbereich von TenneT verläuft.

Drei der vier Übertragungsnetzbetreiber haben sowohl den Namen als auch den Eigentümer gewechselt

Amprion ist der Nachfolger der ehemaligen RWE Transportnetz GmbH (091005) und gehört seit Juli 2011 einem Konsortium aus Versicherungswirtschaft und Versorgungswerken (110705). Die TenneT GmbH ist eine Tochter des niederländischen staatlichen Netzbetreibers TenneT B.V., der Ende 2009 das frühere E.ON-Transportnetz gekauft hat (091101), nachdem es in "Transpower" umbenannt worden war (091005). Die 50Hertz Transmission GmbH entstand Anfang 2010 aus der Umbenennung der früheren Vattenfall Europe Transmission GmbH (100116), die ihrerseits 2002 aus den Transportnetzen der früheren Verbundunternehmen Veag, Bewag und HEW hervorgegangen war (020802). Seit 2010 gehört sie dem belgischen Netzbetreiber Elia, der sie mit Hilfe eines Finanzinvestors übernommen hat (100307). Die TransnetBW GmbH ist die Fortsetzung der EnBW Transportnetze AG, die im März 2012 einen neuen Firmenmantel bekam (120401). Im Unterschied zu den anderen drei Übertragungsnetzbetreibern, die inzwischen neben neuen Namen auch neue Eigentümer haben, gehört sie aber nach wie vor der Energie Baden-Württemberg.

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