Juli 2015 |
150701 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Parteien der Großen Koalition einigten sich am 1. Juli auf "Eckpunkte für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende" (siehe Wortlaut). Sie entsprechen zum Teil den Eckpunkten, die Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im März vorlegte (150301). Es gibt aber auch eine Reihe wichtiger Änderungen, die Gabriel bereits am 24. Juni auf dem BDEW-Jahreskongreß angekündigt hat (150601) und die nunmehr präzisiert werden. Dazu gehört vor allem, daß er dem Druck der Braunkohle-Lobby nachgibt und die geplante "Klimaabgabe" für alte Kohlekraftwerke fallenläßt. Ersatzweise sollen 13 Prozent der installierten Braunkohleleistung schrittweise in eine "Kapazitätsreserve" überführt und nach vier Jahren stillgelegt werden. Die Kraftwerksbetreiber würden damit eine Art Abwrackprämie erhalten, die von den Stromverbrauchern zu finanzieren wäre.
Bei der Vorstellung des Weißbuchs "Ein Strommarkt für die Energiewende" am 3. Juli verglich das Ministerium die geplante Kapazitätsreserve erneut mit einem zusätzlichen Hosenträger, der den Gürtel der bereits gesetzlich geregelten Netzreserve ergänze. Sie sichere den Strommarkt gegen "nicht vorhersehbare Ereignisse" ab, ohne an ihm teilzunehmen. Diese Argumentation ist allerdings nicht sehr überzeugend, zumal sogar das Ministerium es vermeidet, explizit von einer notwendigen Maßnahme zu sprechen. Die netztechnische Begründung dürfte eher ein Vorwand sein, um die Kosten als "Systemdienstleistung" deklarieren zu können. Damit gehen sie in die Netzentgelte ein und werden über die Stromrechnungen auf die Verbraucher abgewälzt (siehe Hintergrund).
Ferner soll die seit 2013 geltende Reservekraftwerksverordnung (130605) novelliert werden. Zur Stillegung angemeldete Kraftwerke, die von der Bundesnetzagentur als "systemrelevant" eingestuft werden, erhalten demnach deutlich höhere Vergütungen. Als spezielles Zugeständnis an die bayerische Landesregierung ist in Süddeutschland die Errichtung von bis zu zwei Gigawatt neuen Kraftwerkskapazitäten vorgesehen, die "schwarzstartfähig" sind – d.h. bei einem Stromausfall unabhängig vom Stromnetz wieder hochgefahren werden können– und ab 2021 zur Verfügung stehen.
Beim Netzausbau kommt das Koalitionspapier ebenfalls den Forderungen der CSU bzw. der bayerischen Landesregierung entgegen: Bei der Planung der neuen Gleichstromtrassen (HGÜ) sollen Erdkabel nicht mehr wie bisher die Ausnahme sein, sondern Vorrang erhalten. Generell sollen für neue Leitungen so weit wie möglich bestehende Trassen genutzt und neue vermieden werden.
Darüber hinaus gibt es spezielle Festlegungen zu den beiden HGÜ-Trassen SuedLink (C) und Südost (D), soweit diese Bayern berühren (siehe 150204). Für die von Wilster nach Grafenrheinfeld geplante Leitung der Doppeltrasse SuedLink sollen die Netzbetreiber Alternativen vorlegen, die zu einer Entlastung des Netzknotenpunkts Grafenrheinfeld führen. Die von Sachsen-Anhalt nach Bayern führende HGÜ-Leitung soll nach Möglichkeit nicht mehr in Gundremmingen, sondern am Netzknotenpunkt Isar bei Landshut enden.
Eine weitere Veränderung gegenüber dem Eckpunkte-Papier vom März ist die Anhebung des Kostendeckels für für die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, die künftig vor allem GuD-Anlagen zugute kommen soll. Er wird von derzeit 750 Millionen auf 1,5 Milliarden Euro pro Kalenderjahr erhöht und somit verdoppelt. Da der bestehende Kostendeckel bisher nur mit 500 Millionen Euro ausgeschöpft wurde, werden sich die Stromverbraucher sogar auf eine Verdreifachung der KWK-Umlage gefaßt machen müssen.