Juli 2016

160703

ENERGIE-CHRONIK


 


Die EEG-Differenzkosten sind das, was in die EEG-Umlage eingeht und die Stromrechnungen der Verbraucher belastet. Wie diese Grafik zeigt, stiegen sie bis 2009 langsamer als die damit geförderte EEG-Strommenge. Ab 2010 wurde dann das Verhältnis zwischen Kosten und erzieltem Effekt schlagartig ungünstiger. Dies war eine Folge des neuen EEG-Ausgleichsmechanismus, der die physische Umverteilung des erzeugten Stroms per EEG-Quote abschaffte und durch die Zwangsvermarktung an der Börse ersetzte (091201). Dieser neoliberale Geniestreich setzte einen Circulus vitiosus in Gang, der bis heute in unnötiger Weise die EEG-Umlage hochtreibt.

(Die Gigawattstunden-Werte sind in dieser Grafik um den Faktor 10 reduziert, um die unterschiedliche Entwicklung beider Kurven durch Annäherung besser darstellen zu können. Den jeweiligen GWh-Zahlen muß also noch eine Null angehängt werden.)

Gesunkener Börsen-Strompreis treibt EEG-Umlage weiter nach oben

Weil die Strompreise an der Börse weiter gesunken sind, wird die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG-Umlage) im Jahr 2017 auf 7,1 bis 7,3 Cent pro Kilowattstunde Strom steigen. Derzeit liegt sie bei 6,35 Cent. Wie die Initiative Agora Energiewende am 23. Juli mitteilte, ergaben dies Berechnungen mit dem EEG-Rechner, der unter www.agora-energiewende.de/eeg-rechner kostenlos in Anspruch genommen bzw. als Excel-Datei heruntergeladen werden kann. Der Rechner wird kontinuierlich vom Öko-Institut weiterentwickelt. Für die EEG-Umlageprognose 2017 wurde er mit aktuellen Szenarien zur Entwicklung von Strompreis, Stromverbrauch und zur Stromproduktion von Erneuerbaren Energien versehen. Zum Beispiel sank der Börsenstrompreis im 1. Halbjahr 2016 auf durchschnittlich 2,5 Cent pro Kilowattstunde, während er im Jahr 2015 noch etwa 3,2 Cent pro Kilowattstunde betrug.

Im Wahljahr 2017 wäre eine Erhöhung besonders problematisch

Freilich bleibt abzuwarten, ob und wieweit es im Wahljahr 2017 tatsächlich zu einer solchen Erhöhung der EEG-Umlage kommt. Das EEG-Konto ist schon im dritten Jahr so gut gefüllt wie noch nie zuvor (siehe Grafik 2). Deshalb könnten die Übertragungsnetzbetreiber, die für die Berechnung der EEG-Umlage zuständig sind, den Politikern entgegenkommen, indem sie auf eine angemessene Erhöhung verzichten bzw. die sogenannte Liquiditätszulage reduzieren. Das EEG-Konto würde dann eben, wie schon mehrfach in der Vergangenheit, mehr oder weniger weit in Richtung Minusbereich tendieren. Dafür würde dann die 2018 unumgängliche Erhöhung umso kräftiger ausfallen.

Die Wurzel des Übels ist die 2009 eingeführte Koppelung der EEG-Förderung an den Börsenstrompreis

Der unverhältnismäßig starke Anstieg der EEG-Umlage begann 2010, als der neue "Ausgleichsmechanismus" in Kraft trat, der versuchsweise schon 2009 praktiziert worden war (091201). Damit entfiel die bisherige Absatzgarantie für EEG-Strom. Stattdessen wird der Strom seitdem zu Niedrigpreisen an der Börse verramscht. Den Nutzen haben die Stromanbieter, denn die Börsenpreise sind dadurch deutlich zurückgegangen. Die Verbraucher spüren von diesem Rückgang aber gar nichts. Im Gegenteil: Ihnen entsteht eine zusätzliche Belastung, weil mit dem Sinken der Börsenpreise die Kosten des Ausgleichsverfahrens steigen (120204). Und diese Differenz-Kosten werden ihnen mit der EEG-Umlage aufgebürdet (siehe Hintergrund Februar 2013 und Hintergrund Oktober 2012).

Begünstigung der Großindustrie belastet übrige Verbraucher zusätzlich mit 1,33 Cent/kWh

Außerdem hat man immer größere Teile der industriellen Stromverbraucher von der Zahlung der EEG-Umlage weitgehend befreit. Die EEG-Umlage für den "nichtprivilegierten Letztverbrauch" von Haushaltskunden und Gewerbe ist deshalb derzeit um 1,33 Cent/kWh höher, als sie es bei gleichmäßiger Belastung aller Stromverbraucher wäre (siehe Hintergrund Juli 2012 und Hintergrund Oktober 2011).

Photovoltaik diente als Sündenbock, um vom eigentlichen Problem abzulenken

Die EEG-Umlage, die den Verbrauchern mit der Stromrechnung aufgebürdet wird, widerspiegelt somit keineswegs die notwendigen Kosten der EEG-Förderung. Vor allem die Umstellung des Ausgleichsverfahrens mutete von Anfang an wie ein Schildbürgerstreich an (091201). Von der Politik und den Medien wurde sie aber nicht problematisiert, obwohl sie ganz wesentlichen Anteil am Anstieg der EEG-Umlage hatte. Stattdessen mußte der zeitweilige Photovoltaik-Boom als Sündenbock herhalten. Aber auch dieser war nur eine Folge politischen Versagens: Er kam deshalb zustande, weil man die Fördersätze unter dem Druck der Solarstrom-Lobby nicht rechtzeitig den gesunkenen Kosten dieser Technologie angepaßt hatte (siehe Hintergrund November 2015).

 

Im Unterschied zu den Vorjahren war das EEG-Konto ab 2014 stets gut gefüllt. Ende Juni betrug der Überschuß rund 3,7 Milliarden Euro. Dazu hat allerdings ein dreimaliger weiterer Anstieg der EEG-Umlage um insgesamt 1,068 Cent/kWh entscheidend beigetragen.

Wenn es nur darum ginge, mit diesem Geld die Kosten der Einspeisungsvergütungen bzw. "Marktprämien" abzudecken, könnte mit der gegenwärtigen EEG-Umlage von 6,345 Cent/kWh voraussichtlich auch der 2017 zu erwartende Zubau an EEG-Anlagen finanziert werden. Es geht aber nicht nur um die tatsächlichen Kosten der Förderung. Ein absurd anmutender Ausgleichsmechanismus führt dazu, daß die EEG-Förderung ein Sinken der Großhandelspreise bewirkt, das die EEG-Differenzkosten hochtreibt und so das Plus auf dem EEG-Konto schnell in ein Minus verwandelt. Nur aus diesem Grund wird die EEG-Umlage 2017 voraussichtlich um mehr als 0,8 Cent/kWh weiter steigen müssen. (Grafik vergrößern)

 

Die EEG-Quote wurde im Grunde nur deshalb abgeschafft, weil sie die Profitchancen der Stromversorger schmälerte

Bis zum Inkrafttreten der "Verordnung zur Weiterentwicklung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus" (AusglMechV) vom 17. Juli 2009 fand ein physikalischer und finanzieller Ausgleich der EEG-Mengen zwischen Netzbetreibern und Stromvertrieben statt. Gemäß den §§ 34 - 44 EEG wandelten die Übertragungsnetzbetreiber den Strom aus Erneuerbaren Energien, den sie abgenommen, bezahlt und untereinander ausgeglichen hatten, im Zusammenwirken mit Stromhändlern in Monatsbänder um und lieferten diese an die Vertriebe. Die Höhe dieser Monatsbänder wurde im Vorjahr prognostiziert. Da die nach EEG vergüteten Strommengen über lange Zeiträume nicht genau prognostizierbar waren, wurde die Höhe des Monatsbands jeweils im Vormonat der Lieferung angepasst. Die Vertriebsunternehmen waren verpflichtet, diese Bänder als so genannte EEG-Quote abzunehmen und zu vergüten.

Die 2009 beschlossene Umstellung des Ausgleichsmechanismus sollte den hier beschriebenen Aufwand und die damit verbundenen Mehrkosten insbesondere für kleine und mittlere Stromvertriebsunternehmen verringern. Wie es in der offiziellen Begründung des Verordnungsentwurfs weiter hieß, entstand bei den Übertragungsnetzbetreibern für die Umwandlung des nach EEG vergüteten Stroms in Monatsbänder ein erheblicher Aufwand, der sich in den Netzentgelten niedergeschlagen habe. Zudem seien die zur Herstellung der Monatsbänder notwendigen Handelsgeschäfte nicht transparent gewesen. Die Differenzen zwischen vorheriger Prognose der EEG-Quote und deren tatsächlicher Höhe hätten die Vertriebsunternehmen mit Risiken belastet, die sie finanziell absichern mußten. Zudem werde der nach EEG vergütete Strom "dem allgemeinen Strommarkt entzogen", da die Stromvertriebsunternehmen den Teil ihres Stroms, den sie als EEG-Quote abnehmen müssen, nicht frei am Markt beschaffen könnten.

Mit Abstand am wichtigsten war dabei das zuletzt genannte Argument. Im Jahr 2009 betrug die EEG-Quote 18,6 Prozent. Das heißt, daß bald ein Fünftel der gesamten Stromerzeugung "dem allgemeinen Strommarkt entzogen" war, denn diese Strommenge wurde den Vertriebsunternehmen im Verhältnis zu ihrem jeweiligen Absatz zugeteilt. Profit ließ sich mit diesem Grünstrom nicht machen, weil der Preis festgelegt war und den realen Kosten entsprach. Und die EEG-Quote stieg von Jahr zu Jahr. Den Stromvertrieben wurde so ein von Jahr zu Jahr wachsender Anteil ihres Stromabsatzes zugeteilt. Aus der Sicht neoliberaler Ultras war das ein absolutes Schreckensszenario, das dringend durch eine "marktwirtschaftliche" Lösung beendet werden mußte. So kam es, daß die Kosten der EEG-Förderung zwangsweise mit dem Börsenstrompreis gekoppelt wurden, anstatt weiterhin die tatsächlich notwendigen Kosten einer solchen Förderung widerzuspiegeln.

 

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