November 2016 |
161101 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Bundesnetzagentur hat im November den Entwurf einer "Verordnung zur Einrichtung und Ausgestaltung eines Netzausbaugebiets" vorgelegt, die den Zubau von Windkraftanlagen in den windreichsten Regionen Norddeutschlands bis 2020 auf jährlich 902 MW begrenzt. Das entspricht etwa den Kapazitäten, die im vergangenen Jahr allein in Schleswig-Holstein neu errichtet wurden. Die vorerst dreijährige Zubaubegrenzung gilt jedoch nach § 2 des Verordnungsentwurfs für einen weit größeren Bereich: Außer Schleswig-Holstein erfaßt sie auch Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen sowie etwa die Hälfte Niedersachsens (siehe Karte).
Die jährliche Begrenzung auf einen WKA-Zubau von 902 MW gilt für das Gesamtgebiet der Bundesländer Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen sowie des nördlichen Teils von Niedersachsen. |
Die Behörde begründet ihren Verordnungsentwurf mit den sich häufenden Engpässen im Übertragungsnetz. Wegen dieser Engpässe müssen in Norddeutschland Windkraftanlagen häufig abgeregelt werden, weil die Strommengen nicht zu den großen Verbrauchszentren im Süden abtransportiert werden können. Hinzu verursacht das Engpaßmanagement hohe Kosten, die über die Netzentgelte auf die Verbraucher abgewälzt werden und so die Strompreise belasten. Da ein großer Teil des erzeugten Windstroms über die Netze der Nachbarländer im Westen und Osten nach Süden fließt, ist sogar die Einführung einer Engpaß-Bewirtschaftung an der Grenze nach Österreich vorgesehen, was die Auflösung der seit 2002 bestehenden deutsch-österreichischen Stromhandelszone bedeutet (161102).
Möglich wird die Begrenzung dadurch, daß ab 2017 die Errichtung von größeren Windkraftanlagen (ab 750 Kilowatt) nur noch über Ausschreibungen erfolgt, die von der Bundesnetzagentur organisiert werden (160702). Die Behörde kann somit die Einhaltung der Obergrenze genau kontrollieren. Nicht einbezogen sind dabei solche Windkraftanlagen, die bis Ende 2016 genehmigt wurden und ab 2017 in Betrieb gehen.
Die vorgesehene "Netzausbaugebietsverordnung" (NAGV) stützt sich auf § 36c des novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das zum 1. Januar 2017 in Kraft tritt. Dieser Paragraph sieht die Steuerung des WKA-Zubaues für ein Gebiet vor, "in dem die Übertragungsnetze besonders überlastet sind" (diese Formulierung vermittelt insofern ein falsches Bild des Problems, als die Netzüberlastung nicht lokal, sondern außerhalb der Gebiete auftritt, in denen der Windstrom erzeugt wird). Ferner ermächtigt er das Bundeswirtschaftsministerium zum Erlaß einer Rechtsverordnung nach § 88b, welche die Obergrenze festlegt, bis zu der in dem betreffenden "Netzausbaugebiet" Zuschläge erteilt werden dürfen. Diese Obergrenze beträgt pro Jahr 58 Prozent der installierten Leistung, die im Jahresdurchschnitt in den Jahren 2013 bis 2015 in diesem Gebiet in Betrieb genommen worden ist (auf dieser Basis gelangte die Bundesnetzagentur zu den 902 MW im Verordnungsentwurf). Die sich für ein Kalenderjahr ergebende Gebotsmenge für das Netzausbaugebiet wird gleichmäßig auf alle Ausschreibungen verteilt, die in dem Kalenderjahr bekannt gemacht werden. Als Verordnungsgeber ist eigentlich das Bundeswirtschaftsministerium vorgesehen. Diese Ermächtigung wird aber durch eine Neufassung der Ausgleichsmechanismusverordnung, die dann Erneuerbare-Energien-Verordnung heißt, auf die Bundesnetzagentur übertragen.
Gemäß § 36c Abs. 6 des EEG 2017 evaluiert die Bundesnetzagentur bis zum 31. Juli 2019 und danach alle zwei Jahre die Festlegung des Netzausbaugebiets und der Obergrenze. Änderungen an der Verordnung können erstmals zum 1. Januar 2020 und danach alle zwei Jahre jeweils zum 1. Januar in Kraft treten. Ohne solche Änderungen tritt die Verordnung mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.
Nach Ansicht des Bundesverbands Windenergie macht der Verordnungsentwurf deutlich, daß das Instrument der Netzausbauregionen konzeptionell überarbeitet werden muß. "Die einseitig gegen den Zubau der preiswerten Windenergie an Land gerichtete Definition derartiger Regionen behindert die effiziente Fortführung der Energiewende in Deutschland", erklärte der Verbandsvorsitzende Hermann Albers. "Solange nicht konventionelle Überkapazitäten vom Markt genommen sind, ein Temperaturleiterseil-Monitoring im betroffenen Netzbereich eingerichtet ist, die Möglichkeiten der Netzverstärkung ausgeschöpft wurden und überdies die Regelenergiemärkte für Erneuerbare Energien geöffnet sind, macht die Definition von Netzausbauregionen - noch dazu auf Basis eines intransparenten Prozesses - keinen Sinn."