Juli 2016 |
160702 |
ENERGIE-CHRONIK |
In seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause hat der Bundestag am 8. Juli die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes verabschiedet, mit der die Förderung der drei wichtigsten regenerativen Energiequellen auf Ausschreibungen umgestellt wird. Ausgenommen sind lediglich Wind- und Solarstromanlagen mit einer Nennleistung bis zu 750 Kilowatt sowie Biomasseanlagen mit einer Leistung bis zu 150 Kilowatt. Die bisherigen festen Einspeisungsvergütungen bzw. Marktprämien können fortan nur noch von den Betreibern solcher Kleinanlagen beansprucht werden. Für Wasserkraft, Geothermie, Deponiegas, Klärgas und Grubengas ändert sich dagegen grundsätzlich nichts an der bisherigen Förderpraxis. Das Gesetz tritt mit Beginn des Jahres 2017 in Kraft. Die komplette Umstellung auf Ausschreibungen soll bis 2019 verwirklicht sein (siehe 160605 und regierungsamtliche Übersicht).
Das "Gesetz zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien" besteht aus insgesamt 23 Artikeln. Das EEG 2017 bildet dabei den Artikel 1, gefolgt vom neuen "Gesetz zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See" (WindSeeG), das speziell das Ausschreibungsverfahren und andere Einzelheiten für Windkraftanlagen vor der deutschen Küste regelt. Die weiteren Artikel ändern unter anderem das Energiewirtschaftsgesetz, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Herkunftsnachweisverordnung, die Ausgleichsmechanismusverordnung, das Bundesnaturschutzgesetz und die Seeanlagenverordnung.
Das EEG 2017 hat einen 13-mal so großen Umfang wie die erste Fassung im Jahr 2000. Dabei ist das neue Windenergie-auf-See-Gesetz noch nicht mitgerechnet, das weitere 79 Paragraphen mit 118.000 Buchstaben umfaßt. |
Das voluminöse Gesetzespaket wurde mit den Stimmen von Union und SPD gegen die der Oppositionsfraktionen Linke und Grüne angenommen. Auf seiten der Regierungsparteien stimmten jedoch ebenfalls acht Abgeordnete mit Nein und weitere neun enthielten sich. Dies ergab die Auszählung der Schlußabstimmung, die auf Antrag der Grünen namentlich durchgeführt wurde. Die Kurzform des novellierten EEG, die bisher EEG 2016 lautete, wurde erst bei der abschließenden Beratung in EEG 2017 geändert.
Wie schon bei der hastigen Verabschiedung des Strommarktgesetzes (160604) hatte der Wirtschaftsausschuß des Bundestags seine mit den Stimmen der schwarz-roten Koalition gefaßte Beschlußempfehlung erst wieder wenige Stunden zuvor vorgelegt, obwohl sie insgesamt 380 Seiten umfaßte. Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Regierungskoalition, auf den sie sich bezog, hatte 352 Seiten. Da es an einer konsolidierten Fassung fehlte, war ein eingehender Vergleich dieser beiden Konvolute mit dem ebenfalls zu riesigem Umfang angeschwollenen Basistext des EEG 2014 (140703) in der kurzen Zeit auch für Fachleute praktisch nicht möglich. In der Debatte sprach deshalb die Energieexpertin der Linken, Eva Bulling-Schröter, von einem "Superschnellverfahren" und fühlte sich an die Bankenrettung erinnert, die "in ähnlich hohem Tempo durchgepeitscht" worden sei.
Union und SPD haben die Umstellung der Förderpraxis auf Ausschreibungen bereits in ihrem Koalitionsvertrag vom November 2013 vereinbart. Zusätzlich haben sie die geplante Änderung vorab in § 2 Abs. 5 des novellierten EEG fixiert, das im August 2014 in Kraft trat. Sie begründen die Umstellung mit den Kostensenkungen, die sich durch Bieterwettbewerbe erzielen lassen. Dieser kostensenkende Effekt sei auch durch die mittlerweile durchgeführte Ausschreibung von vier Pilotprojekten für Photovoltaik-Freiflächenanlagen bestätigt worden (160209).
In jedem Falle ermöglicht die Umstellung auf Ausschreibungen eine straffere Reglementierung von Tempo, Kosten und Schwerpunkten der Erneuerbaren-Förderung. Vorerst orientiert sich das Ausschreibungsvolumen noch an dem Ziel, den Anteil der Erneuerbaren bis zum Jahr 2025 auf 40 bis 45 Prozent auszubauen, wie es im Koalitionsvertrag festgelegt wurde (131101). Für Windkraft, Photovoltaik und Biomasse werden im einzelnen bestimmte Zubau-Mengen festgelegt. Kritiker halten das schon jetzt für zu wenig. Außerdem befürchten sie eine künftige Reduzierung einzelner Technologien oder des Erneuerbaren-Ausbaues insgesamt. Die Auseinandersetzung um den Zubau bei landgestützten Windkraftanlagen (160101, 160313, 160605) hat gezeigt, daß solche Befürchtungen nicht aus der Luft gegriffen sind.
Ein weiterer Einwand gegen die Umstellung auf Ausschreibungen richtet sich gegen die Hürden, die damit für kleinere Marktakteure entstehen, wenn sie Anlagen mit einer Leistung von mehr als 750 Kilowatt errichten wollen. Es liegt auf der Hand, daß einschlägige Großunternehmen bei den Ausschreibungen bessere Chancen haben werden. Das nun verabschiedete Gesetz enthält deshalb ein vereinfachtes Ausschreibungsdesign, das Interessenten mit wenig Expertise und Kapital dennoch ein erfolgreiches Mitbieten ermöglichen und so die Akteursvielfalt erhalten soll. Außerdem dürfen lokal verankerte Bürgerenergiegesellschaften unter erleichterten Bedingungen an der Ausschreibung von Windenergieanlagen teilnehmen.
Eine eher kosmetische Änderung ist ferner die neue Möglichkeit einer regionalen Grünstromkennzeichnung. Damit übernimmt das Gesetz eine Empfehlung des Bundesrates, der mit regionalen und lokalen Vermarktungsmodellen die Entwicklung und Akzeptanz der Energiewende fördern möchte.
Eine wichtige und bisher kaum beachtete Verbesserung bedeuten dagegen die vorgesehenen Korrekturen am Fördermechanismus für Photovoltaik-Anlagen: Die übermäßigen Degressionen im EEG 2012 und EEG 2014, die den einstigen Zubau-Boom in einen immer größeren Zubau-Mangel verwandelten (151105), werden mit Inkrafttreten des EEG 2017 endlich entschärft (siehe 160706). Es dürfte dann für Hauseigentümer wieder attraktiver werden, sich eine solare Dachanlage zuzulegen. Ergänzend wird in § 95 die Bundesregierung zu einer Verordnung ermächtigt, die dafür sorgen soll, daß von solchen Solarstromanlagen zur Eigenversorgung auch Mieter profitieren können.