November 2016

161103

ENERGIE-CHRONIK


 

Von 2006 bis 2013 sind die Haushaltsstrompreise jedes Jahr um ein bis zwei Cent pro Kilowattstunde gestiegen. Seitdem haben sie sich bei 29 Cent/kWh eingependelt, weil der Zuwachs durch Netzentgelte und Abgaben von den historisch niedrigen Großhandelspreisen an der Börse kompensiert wurde. Damit konnten endlich auch die Kleinverbraucher ein bißchen von diesem Preiswunder profitieren, das letztendlich von ihnen zwangsfinanziert wird, da es über den EEG-Mechanismus zustandekommt (120204). Im kommenden Jahr steht jedoch ein neuer Preisschub bevor, der vor allem durch die explodierenden Netzentgelte (160901) und den weiteren Anstieg der EEG-Umlage (161001) ausgelöst wird. (Siehe auch Tabelle)

Grundversorger erhöhen Strompreise um 3,5 Prozent

Die Strompreise für Haushaltskunden kommen nach zweijähriger Beruhigung wieder in Fahrt. Wie der Tarifvergleicher Verivox am 22. November mitteilte, wollen ein Drittel der deutschen Grundversorger zum Jahreswechsel ihre Preise um 3,5 Prozent erhöhen. Für einen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden bedeutet dies eine Mehrbelastung um 1 Cent pro Kilowattstunde bzw. um 35 Euro jährlich. Ein Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden verteuert sich um 41 Euro.

Die Erhöhungen fallen regional unterschiedlich aus. In Sachsen sind besonders viele Haushalte von den Preissteigerungen betroffen. Gut zwei Drittel aller Grundversorger heben hier ihre Strompreise an. Auch viele Bayern und Hessen müssen zum Jahreswechsel mit höheren Kosten für Strom rechnen.

Weitere Grundversorger und andere Anbieter, die noch keine Erhöhungen angekündigt haben, dürften bis zum Frühjahr folgen. Erfahrungsgemäß halten viele Anbieter zum Jahreswechsel zunächst still, um die Preisgestaltung der Konkurrenten zu verfolgen und etwas später nachzuziehen.

Netzkosten und EEG-Umlage verteuern die Kilowattstunde auf rund 30 Cent

Preistreibend wirken vor allem die Netzkosten, die im Bundesdurchschnitt um acht Prozent steigen dürften (160901). Hinzu steigt die EEG-Umlage ebenfalls um acht Prozent auf 6,88 Cent/kWh, was eine kaum weniger große Zusatzbelastung bedeutet (161001). Zu erwähnen ist ferner die Umlage nach § 19 StromNEV, mit der große Stromverbraucher zu Lasten der Kleinverbraucher weitgehend von den Netzentgelten befreit werden (150702) und die jetzt 0,388 anstelle von 0,379 Cent pro Kilowattstunde beträgt. Da auf diese und andere Strompreisbestandteile noch die Mehrwertsteuer erhoben wird, erhöht sich so der Preis pro Kilowattstunde, der 2006 noch bei 19 Cent lag, erstmals auf 30 Cent. Der Durchschnittshaushalt mit einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden zahlt damit 1044 Euro. Das sind 360 Euro mehr, als dies 2006 der Fall war. Im Vergleich mit 2001 sind es sogar 557 Euro mehr.

Steuern und Abgaben machen schon seit 2014 mehr als die Hälfte des Haushaltsstrompreises aus. In diesem Jahr erreichten sie 54 Prozent. Und dieser Anteil wird auch im kommenden Jahr nicht kleiner, sondern eher größer, obwohl der Anstieg der Netzkosten den der EEG-Umlage übertrifft. Dafür sorgt schon die Mehrwertsteuer mit ihren 19 Prozent.

Bei den Kosten für Strombeschaffung und Vertrieb wird seit 2014 nicht mehr differenziert

Die interessante Frage, wie die Entwicklung bei den Strompreisbestandteilen "Strombeschaffung" und "Vertrieb" im einzelnen verläuft, läßt sich seit 2014 nicht mehr beantworten. Die dafür erforderlichen Daten werden offenbar von keiner Stelle mehr erhoben. Stattdessen ist in den Statistiken der Bundesnetzagentur oder des BDEW (siehe unten) nur noch pauschal von "Strombeschaffung und Vertrieb" die Rede. Da der Anteil der Vertriebskosten unbekannt bleibt, läßt sich somit nur darüber spekulieren, wieweit der Rückgang dieses Preisbestandsteils um 17 Prozent seit 2014 tatsächlich auf die Weitergabe der niedrigen Börsenpreise zurückführen ist.

Die Bundesnetzagentur hat zuletzt in ihrem Monitoringbericht 2013 getrennte Angaben zu diesem Strompreisbestandteil gemacht (siehe 131203). Demnach bestand er zu drei Vierteln aus den Kosten für die Strombeschaffung und zu einem Viertel aus Vertriebskosten. Besonders auffällig war aber erneut, daß sich die Vertriebskosten seit 2006 mehr als verzwölffacht hatten (120506). Dies bestätigte den Verdacht, daß die Kosten des Lieferantenwechsels und der Kundenwerbung ein preistreibender Faktor sind: Zum einen schlagen sie umso mehr zu Buche, je häufiger der Kunde durch einen kleinen Preisvorteil oder Bonus zum Wechsel veranlaßt wird. Zum anderen muß der Lieferant die Provisionen an Vermittler wie Check24 oder Verivox erst einmal erwirtschaften. Der auf die Vertriebsebene beschränkte Wettbewerb treibt insofern die Preise eher nach oben als daß er sie senken oder zumindest bremsen würde (siehe auch Hintergrund vom Dezember 2010).

Auf eine diesbezügliche Anfrage der ENERGIE-CHRONIK erklärte die Bundesnetzagentur, daß die weitere Abfrage der Vertriebskosten "aufgrund einer nicht mehr ausreichend belastbaren Datenqualität bei gleichzeitig stark steigenden Lieferantenzahlen" entfallen sei.

 


Zusammensetzung der monatlichen Stromrechnung eines Durchschnittshaushalts*

(Quelle: BDEW, Stand: 05/2016)
  2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Mehrwertsteuer 7,82 9,63 10,09 10,82 11,03 11,75 12,05 13,42 13,56 13,36 13,39
Konzessionsabgabe** 4,84 4,84 4,84 4,84 4,84 4,84 4,84 4,84 4,84 4,84 4,84
Kraft-Wärme-Kopplungs-Aufschlag 0,99 0,85 0,58 0,67 0,38 0,09 0,01 0,37 0,52 0,74 1,3
EEG-Umlage 2,57 2,98 3,38 3,82 5,98 10,3 10,48 15,39 18,2 18 18,53
§19 StromNEV-Umlage             0,44 0,96 0,27 0,69 1,1
Offshore-Haftungsumlage***               0,73 0,73 -0,15 0,12
Umlage für abschaltbare Lasten                 0,03 0,02  k.A.  
Stromsteuer 5,98 5,98 5,98 5,98 5,98 5,98 5,98 5,98 5,98 5,98 5,98
Netzentgelt inkl. Messung, Abrechnung und Meßstellenbetrieb 20,21 18,2 17,21 16,71 17,09 17,27 17,91 19,37 19,34 19,69 20,59
Strombeschaffung und Vertrieb 14,35 17,73 21,07 24,85 23,79 23,36 23,8 23,07 21,52 20,47 17,94
Gesamtpreis monatlich 56,76 60,2 63,15 67,69 69,09 73,59 75,51 84,13 84,99 83,64 83,79
Euro/Kilowattstunde 0,19 0,21 0,22 0,23 0,24 0,25 0,26 0,29 0,29 0,29 0,29
Prozentualer Anteil Steuern/Abgaben 39,11 40,33 39,38 38,60 40,83 44,79 44,76 49,55 51,92 51,98 54,02

*Stromverbrauch von 3.500 Kilowattstunden im Jahr (ohne Ökostrom-, Heizstrom- oder HT/NT-Tarife)
* regional sehr unterschiedlich: ab 2002 je nach Gemeindegröße 1,32 bis 2,39 Cent je Kilowattstunde
*** Offshore-Haftungsumlage 2015 wegen Nachverrechnung negativ

 

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