Dezember 2016

161206

ENERGIE-CHRONIK


 


Der Niedergang der ostdeutschen Wirtschaft bescherte der Bundesrepublik in den ersten fünf Jahren nach 1990 einen kräftigen Rückgang der Treibhausgas-Emissionen um gut zehn Prozent. Es dauerte dann doppelt solange, bis eine Minderung um weitere zehn Prozentpunkte erreicht wurde. Der bislang niedrigste Stand im Jahr 2009 war auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen. Seitdem sind die Emissionen wieder gestiegen. Für das Jahr 2014 wird wieder ein besseres Ergebnis prognostiziert, das aber noch immer leicht über dem von 2009 liegt.

Bundesregierung erreicht Klimaziel für 2020 nicht

Die Bundesregierung wird ihr Ziel verfehlen, die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Das zeigt der "Klimaschutzbericht 2015", den sie am 14. Dezember präsentierte. Aufgrund der bisherigen Daten, die bis 2013 einigermaßen verläßlich vorliegen, ergibt die "Projektion" für das Jahr 2020 lediglich eine Verringerung um 33,1 Prozent (siehe Tabelle). Das ist auch weniger als die Minderung um 36 Prozent, die vor neun Jahren die schwarz-gelbe Bundesregierung bis 2020 erreichen wollte (071204).

"Aktionsprogramm Klimaschutz" sollte Emissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 verringern

In ihrem Koalitionsvertrag vom November 2013 hatten Union und SPD vereinbart, die nationalen Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren (131101). Das Bundeskabinett beschloß daraufhin im Dezember 2014 ein "Aktionsprogramm Klimaschutz 2020", das die Erreichung dieses Ziels durch Einsparung von 62 bis 78 Millionen Tonnen Treibhausgasen ermöglichen sollte (141204). Ein halbes Jahr später hatten Union und SPD In ihren "Eckpunkten für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende" diese Vorgabe nochmals bekräftigt (150701).

Offiziell gilt das Ziel immer noch als erreichbar

Der Beitrag der Ende 2014 beschlossenen Maßnahmen fällt aber nach heutiger Schätzung um 15 bis 20 Millionen Tonnen Treibhausgas-Emissionen geringer aus als damals angenommen. Das zeichnete sich bereits im "Projektionsbericht 2015" ab, den die Bundesregierung im September 2016 in aktualisierter Fassung vorlegte. Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, alle zwei Jahre in einem solchen Bericht abzuschätzen, wie sich ihre jeweiligen Treibhausgasemissionen in den nächsten zwanzig Jahren voraussichtlich entwickeln.

Die Bundesregierung will sich allerdings die Ergebnisse dieses Projektionsberichts "nicht zu eigen machen" , sondern sie lediglich in "ihre künftigen Überlegungen miteinbeziehen". Offiziell ist sie in dem jetzt vorgelegten Klimaschutzbericht noch immer der Ansicht, daß "bei zügiger und anspruchsvoller Umsetzung" des von ihr beschlossenen Aktionsprogramms bis 2020 eine Treibhausgasminderung von 37,0 bis 40,4 Prozent gegenüber 1990 erreicht werden könne.

Experten raten Regierung von Beschönigung der Lage ab

Am selben Tag, an dem die Bundesregierung ihren Klimaschutzbericht präsentierte, veröffentlichte sie den fünften "Monitoring-Bericht" zur Energiewende, der seit 2011 jährlich erstellt wird, um die Umstellung der Energiewirtschaft auf erneuerbare Energien zu dokumentieren (111015). Auch hier tut sie so, als ob das für 2020 gesetzte Ziel der Treibhausgasminderung durch eine "ambitionierte und zielgerichtete Umsetzung" ihres vor zwei Jahren beschlossenen Aktionsprogramms noch zu erreichen wäre. Die begleitende Expertenkommission vermag indessen "nicht zu erkennen, wie die Bundesregierung dies erreichen möchte". In ihrer Stellungnahme zu dem Bericht rät sie deshalb der Regierung, "offensiv mit der Frage der absehbaren Zielverfehlung hinsichtlich der Treibhausgasemissionen umzugehen und nicht den Eindruck zu erwecken, daß sie das Ziel mit den aktuellen Programmen in der verbleibenden Zeit bis 2020 noch für erreichbar hält".

Auch die hohen Stromexportüberschüsse belasten das Klimaziel

Aus Sicht der vier Experten käme als kurzfristige Option nur eine Minderung der Kohleverstromung in Frage, was aber von der Bundesregierung offenbar ausgeschlossen werde. Außerdem habe sich Deutschland zu einem Stromexportland entwickelt. Die bei der Stromerzeugung entstehenden Emissionen seien aber voll dem Inland zuzurechnen, während die Empfängerländer ihre Emissionsbilanz mit den Stromimporten entsprechend entlasten könnten. Insoweit seien die hohen Stromexportüberschüsse, die 2015 die neue Rekordmarke von 55,5 Terawattstunden erreichten (161214), ein zusätzliches Hindernis für die Einhaltung der nationalen Emissionsziele.

Emissionen von 2013 waren sogar höher als in den vier Jahren zuvor

Den größten Anteil an den Treibhausgasen hat Kohlendioxid (CO2), das wiederum hauptsächlich durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe zur Stromproduktion freigesetzt wird. In Deutschland entfallen nach Angaben des Bundesumweltamtes 87,9 Prozent der Treibhausgase auf Kohlendioxid. Den Rest teilen sich verschiedene andere Gase, deren Klimaschädlichkeit noch um ein vielfaches größer ist und deren Mengen deshalb in "CO2-Äquivalente" umgerechnet werden: Dabei ergeben sich 6,2 Prozent für Methan, 4,3 Prozent für Lachgas und 1,6 Prozent für die sogenannten F-Gase (HFKW, FKW, SF6 NF3).

Insgesamt wurden 2013 laut Klimaschutzbericht in Deutschland 952 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent emittiert. Die Emissionen waren damit sogar höher als in den vier Jahren davor (siehe Grafik). Den größten Anteil hatte wie immer die Energiewirtschaft mit 377 Millionen Tonnen, gefolgt von Industrie, Verkehr und Haushalten (siehe Tabelle). Während die Methan-Emissionen durch die vermehrte energetische Nutzung von Grubengas zurückgingen, stagnierten die CO2-Emissionen, die auch im Sektor Energiewirtschaft etwa 98 Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen ausmachen.

Rückgang des Jahres 2014 wurde durch Wetter verursacht

Nach ersten Schätzungen für das Jahr 2014 sanken die Emissionen der Energiewirtschaft gegenüber 2013 um knapp sechs Prozent auf 355 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Maßgeblich dafür sei ein geringerer Kohleneinsatz, heißt es. Da 2014 ein außergewöhnlich warmes Jahr war, könne daraus "kein maßnahmenbezogener Trend abgeleitet werden". Der Projektionsbericht 2015 geht davon aus, daß die Emissionen der Energiewirtschaft bis 2020 auf rund 314 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente zurückgehen.

 


Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen nach Quellbereichen

in Millionen Tonnen CO2-Äquivalent – ab 2015 "Projektion"

 

  
1990
2005
2012
2013
2015
2020
Energiewirtschaft
468
398,8
378,6

377

351,8
314,2
Industrie
283
186,1
186,2
188
190
182,3
Verkehr
163
157,5
151,3
158
150,9
144,3
Haushalte
131
112
94,6
104
88
77,2
Gewerbe, Handel, Dienstleistungen
78
45,7
43,9
42
44,1
40,2
Landwirtschaft
88
66,6
64,4
71
64,9
65,8
Übrige
38
22,2
14
13
11
9,1
Gesamt
1250
989
933
952
900,8
833,2
gegenüber 2005 in Prozent
 
-
-5,70%
-3,74%
-8,90%
-15,70%
gegenüber 1990 in Prozent
  
-20,60%
-25,10%
-23,84%
-27,70%
-33,10%
Quelle: Klimaschutzbericht 2015

 

Links (intern)

Links (extern, ohne Gewähr)