März 2017 |
170306 |
ENERGIE-CHRONIK |
Mit dem Börsenstart von Innogy am 7. Oktober 2016 gelang RWE so etwas ähnliches wie die wundersame Brotvermehrung, die Jesus am See Genezareth vollbracht haben soll: Infolge der Trennung wurde nun dieselbe Unternehmenssubstanz an der Börse nicht mehr mit acht, sondern mit bis zu 29 Milliarden Euro bewertet (rote Kurve). Dagegen hat die E.ON-Abspaltung Uniper, die seit 12. September 2016 an der Börse gehandelt wird, die Marktkapitalisierung beider Unternehmen nur wenig beeinflußt (blaue Kurve). Immerhin bildet sie aber die Grundlage der bescheidenen Aufwärtsentwicklung, die seither zu beobachten ist, während bei RWE + Innogy die Marktkapitalisierung nachließ und bis heute hinter der anfangs erreichten Höhe zurückblieb. Daran änderten auch die angeblichen Kauferwägungen von Engie nichts, die am 14. März den Börsenwert beider Unternehmen um 1,3 Milliarden Euro erhöhten. |
Das Vertrauen in die Dauerhaftigkeit der Mutter-Tochter-Beziehung zwischen RWE und Innogy beginnt zu bröckeln: Am 13. März berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg über angebliche Erwägungen des französischen Energiekonzerns Engie (vormals GDF Suez), ein Angebot zur Übernahme von Innogy vorzulegen. Sie berief sich dabei auf nicht näher bezeichnete Insider.
Als der RWE-Konzern Ende 2015 beschloß, den lukrativeren Teil seines Geschäfts in die neue Tochter Innogy einzubringen, versicherte der damalige Vorstandsvorsitzende und heutige Innogy-Chef Peter Terium, daß RWE in jedem Fall "dauerhaft Mehrheitsaktionär der neuen Gesellschaft" bleiben und diese in ihrer Bilanz voll konsolidieren werde (151207). Es gab dazu auch einen förmlichen Beschluß des RWE-Aufsichtsrats, der eine Mindestbeteiligung von 51 Prozent festlegte. Eine weitere wichtige Festlegung betraf die unternehmerische Unabhängigkeit der neuen Tochter, die RWE nur noch als Finanzbeteiligung sieht. Zur Zeit verfügt RWE noch über rund 77 Prozent an Innogy.
Die angeblichen Engie-Absichten wurden sicher nicht zufällig am Vortag einer Pressekonferenz kolportiert, auf der RWE das Geschäftsergebnis des vergangenen Jahres präsentierte. Dieses war schon weitgehend bekannt, nachdem der Vorstand am 22. Februar unter Berufung auf die flauen Zahlen die erneute Streichung der Dividende angekündigt hatte (170211). Die angeblichen Kaufüberlegungen des französischen Energiekonzerns standen deshalb im Mittelpunkt des Interesses und ließen sogar in den Hintergrund treten, daß die RWE-Bilanz für 2016 einen Rekord-Jahresverlust von 5,71 Milliarden Euro ausweist.
Der RWE-Konzern veröffentlichte postwendend eine kurze Mitteilung, wonach er "Marktgerüchte nicht kommentiert". Außerdem verwies er auf den Beschluß des Aufsichtsrats aus dem Jahr 2015, der grundsätzlich den Verkauf von bis zu 49 Prozent der Innogy-Aktien ermögliche. An dieser Beschlußlage habe sich nichts geändert. Genauso äußerte sich Konzernchef Rolf Martin Schmitz bei der Pressekonferenz auf Fragen von Journalisten. Zumindest dem Berichterstatter der FAZ (15.3.) fiel jedoch auf, was er nicht sagte: "Was fehlte, was das frühere Bekenntnis, daß man langfristig an der Mehrheit festhalten wolle. Auch auf Nachfrage wollte Schmitz diese Formulierung nicht wiederholen."
Trotz des bisher schlechtesten Jahresergebnisses stieg der Kurs der RWE-Aktie nach der Bloomberg-Meldung am 14. März von 13,73 auf 14,62 Euro, was einer zusätzlichen Marktkapitalisierung von 512 Millionen Euro entsprach. Die Innogy-Aktie verbesserte sich sogar von 33,43 auf 34,87 Euro, was den Börsenwert um 800 Millionen Euro erhöhte. Bei Engie war dagegen die Entwicklung leicht negativ.
Bei einem Komplettverkauf von Innogy könnte RWE für den verbliebenen 77-Prozent-Anteil einen Börsenwert von derzeit knapp 15 Milliarden Euro geltend machen, während die eigene Marktkapitalisierung nur etwa 8,5 Milliarden beträgt. Mit den Schulden wäre der Konzern aber auch den zukunftsträchtigeren Teil des Geschäfts los. Gerade als bloße Finanzbeteiligung ist die Tochter eine verläßliche Stütze: Während die RWE-Aktionäre zum zweitenmal leer ausgingen, spendierte Innogy fürs erste Geschäftsjahr 1,60 Euro pro Aktie. Das entspricht einer Rendite von fünf Prozent und brachte der Mutter RWE 680 Millionen Euro in die Kasse. Damit wäre es dann vorbei.
Natürlich wäre ein Erlös von 15 Milliarden auch nicht zu verachten. Zuviel Geld in der Kasse tut aber nicht unbedingt gut. Das zeigen die vielen Milliarden, die von den deutschen Energiekonzernen und ihren großartigen Strategen in Spanien, den USA, Großbritannien, Bulgarien oder Brasilien in den Sand gesetzt wurden, als das Geschäft noch Profite bescherte. Jedenfalls darf bezweifelt werden, ob der Verkaufserlös reichen würde, den Börsenwert von RWE in der jetzt erreichten Höhe zu halten oder sogar auszubauen. Während E.ON problemlos auf die restlichen Anteile an Uniper verzichten und dabei sogar gewinnen könnte, steht und fällt bei RWE der Börsenerfolg mit Innogy. Die Aktienmehrheit bleibt dabei – trotz der bloßen Finanzbeteiligung – eine wichtige Zäsur. Falls es bei Engie tatsächlich Übernahme-Überlegungen geben sollte, wäre RWE deshalb gut beraten, ihnen die kalte Schulter zu zeigen.