Dezember 2015

151207

ENERGIE-CHRONIK


 

Bis in die neunziger Jahre galt die RWE-Aktie als "Witwen- und Waisenpapier", das sichere Renditen ohne Überraschungen an der Börse versprach. Nach der Liberalisierung wurde der Konzern neben E.ON der wichtigste Akteur am deutschen Strommarkt. Außerdem expandierte er in andere Bereiche wie Wasser, Entsorgung und Telekommunikation. Er setzte dabei viel Geld in den Sand, was dem Kurs nicht bekam. Ab 2003 folgte die Rückbesinnung auf das Kerngeschäft mit Energie und ein steiler Kursanstieg, der Anfang 2008 bei 100 Euro pro Aktie kulminierte. Dann ging es aber fast unaufhaltsam bergab. Der Hauptgrund waren die schwindenden Erlöse aus dem konventionellen Kraftwerksgeschäft, in das der Konzern nach scheinbar erprobtem Rezept unentwegt Milliarden investiert hatte, während er die erneuerbaren Energien links liegen ließ.

RWE gründet neue Tochter für den lukrativeren Teil des Geschäfts

Der RWE-Konzern will den lukrativeren Teil seines Geschäfts in eine neue Tochter einbringen, die unabhängig von der Muttergesellschaft an der Börse notiert wird. Das neue Unternehmen soll die Bereiche Netz, Vertrieb und erneuerbare Energien umfassen, während die konventionelle Stromerzeugung und der Energiehandel bei der RWE AG verbleiben. Damit würde die neue Gesellschaft den größten Teil der Mitarbeiter, des Umsatzes und des Gewinns übernehmen. Sie soll bis Ende nächsten Jahres an der Börse eingeführt werden und im Zuge einer Kapitalerhöhung zunächst zehn Prozent ihrer Aktien anbieten.

"Keine Bad Bank"

Bei der Vorstellung des Konzepts unterstrich der RWE-Vorstandsvorsitzende Peter Terium am 1. Dezember, daß bei dieser Konstruktion weiterhin der Gesamtkonzern für die Entsorgungsverpflichtungen aus dem Kernenergiegeschäft und andere Verbindlichkeiten hafte. Die RWE AG sei "alles andere als eine Bad Bank, zumal sie mehrheitlich auch Eigentümerin der Zukunftsgeschäfte bleibt". Er spielte damit auf die Absicht des E.ON-Konzerns an, sich in zwei getrennte Bereiche aufzuspalten, von denen der eine die zukunftsträchtigen Geschäftszweige fortführt, während der andere nach Art einer "Bad Bank" die Entsorgungsverpflichtungen und andere Risiken auf sich nimmt, die das Hauptgeschäft belasten (141203).

Dieses Schlupfloch wurde freilich durch einen Gesetzentwurf der Bundesregierung verstopft, dem in Kürze auch der Bundestag zustimmen wird (151003). E.ON hat deshalb die geplante Abspaltung des Kernenergie-Bereichs schnell wieder rückgängig gemacht und will jetzt nur noch die unrentable Kohleverstromung ausgliedern (150901). Für andere Unternehmen ist dieser Weg seitdem ebenfalls versperrt. Bei der Energie Baden-Württemberg (EnBW) haben sogar die Anteilseigner der öffentlichen Hand jetzt ihre Aktionärsvereinbarung aufgelöst, weil sie befürchten, sonst für die Entsorgungsverpflichtungen des Unternehmens in Haftung genommen zu werden (151208). Es versteht sich deshalb von selbst, daß RWE nun eine andere Konstruktion wählt, bei der die Haftungsmasse für die Entsorgungs-Rückstellungen zumindest vorerst nicht geschmälert wird. Das schließt freilich nicht aus, daß die großen KKW-Betreiber weiterhin jede Möglichkeit nutzen werden, um ihre Entsorgungsverpflichtungen auf legale Weise zu minimieren.

"RWE AG bleibt dauerhaft Mehrheitsaktionär der neuen Gesellschaft"

Fürs erste geht es RWE vor allem darum, den Börsenwert des eigenen Unternehmens wieder zu steigern, der in den vergangenen acht Jahren auf ein Zehntel geschrumpft ist. Die neue Tochter könnte da unbelasteter agieren, da sie unabhängig vom unrentabel gewordenen Kraftwerksgeschäft eine "eigene Tür zum Kapitalmarkt" haben wird, wie Terium es ausdrückte. Ihr Portefeuille aus Netz, Vertrieb und Erneuerbaren Energien verspricht sichere und zukunftsträchtige Renditen. Je nachdem, wie die Börse auf diese Umstrukturierung reagiert, dürfte es nicht lange bei der Kapitalaufstockung mit dem Angebot von zehn Prozent der Aktien bleiben. Terium hielt es durchaus für "möglich, daß RWE auch Aktien der neuen Tochtergesellschaft aus eigenen Beständen im Markt plazieren wird". Die RWE AG bleibe aber in jedem Fall "dauerhaft Mehrheitsaktionär der neuen Gesellschaft" und werde diese in ihrer Bilanz voll konsolidieren.

"Das Timing des Dea-Verkaufs war optimal"

Die horrende Verschuldung des Konzerns, die Ende 2012 bei 33 Milliarden Euro lag, konnte nach Teriums Angaben inzwischen auf etwa 26 Milliarden Euro gesenkt werden. Das war aber hauptsächlich der Öl- und Gasfördertochter Dea zu verdanken, die für 4,5 Milliarden Euro an russische Oligarchen verkauft wurde (140303). Der RWE-Chef zeigte sich erfreut und erleichtert, daß es gelungen sei, diesen Verkauf noch vor dem Absturz der Ölpreise einzufädeln: "Das Timing des Dea-Verkaufs war optimal. Als wir die Transaktion im März 2014 angekündigt haben, lag der Ölpreis noch bei etwas über 100 Dollar je Faß. Heute liegt er unter 50 Dollar."

Aufsichtsrat billigte Umstrukturierung des Konzerns einstimmig

Der RWE-Aufsichtsrat billigte das Konzept, das sicher nicht ohne sein Einverständnis zustande kam, am 11. Dezember auch offiziell und einstimmig. Die kommunalen Aktionäre der RWE AG sehen offenbar ihren Besitzstand nicht so elementar bedroht wie 2010, als der damalige Konzernchef Jürgen Großmann eine internationale, börsennotierte Holding schaffen wollte, bei der die kommunalen Aktionäre nur noch am Katzentisch des Deutschlandgeschäfts gesessen hätten (100512).

Bereits im August hatten Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen, die bisher als Holding fungierende RWE AG in eine operative Gesellschaft umzuwandeln (150804). Mit dieser Veränderung der gesellschaftsrechtlichen Strukturen wurden laut Terium "die notwendigen organisatorischen Veränderungen angestoßen, damit RWE schneller und wendiger wird". Auch in der jetzt beschlossenen neuen Struktur werde man "an einer funktionalen Aufstellung des Konzerns arbeiten".

 

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