März 2018

180302

ENERGIE-CHRONIK


 

Wie diese Grafik zeigt, flossen 2016 über die deutsch-dänische Grenze (DK) 2,5 Milliarden Kilowattstunden mehr nach Dänemark als in der Gegenrichtung nach Deutschland. Es handelt sich dabei um die physikalischen Stromflüsse, die aus netztechnischen Gründen oft allerlei Umwege nehmen und beispielsweise bei den Niederlanden (NL) einen guten Teil des negativen Stromaustausch-Saldos ausmachen. Im Falle Dänemarks sind sie aber mit dem vertraglich vereinbarten Stromhandel weitgehend identisch.
Quelle: AGEB/BDEW

EU-Kommission dringt auf Erweiterung der Stromflüsse von Dänemark nach Deutschland

Die EU-Kommission macht nun auch Druck im Norden, damit Deutschland seine Netzengpässe beseitigt oder ersatzweise zwei Strompreiszonen innerhalb des Landes einführt (171101). Wie sie am 19. März mitteilte, hat sie eine förmliche Untersuchung eingeleitet, ob die von dem deutschen Netzbetreiber TenneT vorgenommene Beschränkung der Stromübertragungskapazitäten von Westdänemark nach Deutschland gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt. Sie hat den Verdacht, dass die tatsächlich verfügbaren Kapazitäten größer sind und ausländische Stromerzeuger bei der Nutzung des deutschen Stromnetzes benachteiligt werden.

Wettbewerbskommissarin kommt selber aus Dänemark

"Im Hinblick auf einen effizienten, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Energiemarkt müssen wir sicherstellen, dass die Verbindungsleitungen vollständig für den grenzüberschreitenden Stromhandel genutzt werden können", erklärte die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager, die selber aus Dänemark kommt und dort von 2007 bis 2014 Vorsitzende der linksliberalen Partei "Radikale Venstre" war. Die Kommission verhandele mit TenneT bereits über ein "Paket von Verpflichtungen, mit dem diese Bedenken ausgeräumt werden könnten". Diese Verpflichtungen müssten sicherstellen, "dass die größtmögliche Kapazität der Verbindungsleitung zwischen Westdänemark und Deutschland auf dem Markt zur Verfügung gestellt und gleichzeitig die Zuverlässigkeit des deutschen Hochspannungsnetzes gewahrt wird".

TenneT sieht "Präzedenzfall für alle Grenzverbindungen in Europa"

Die nun eingeleitete Untersuchung werde "zum Präzedenzfall für alle Grenzverbindungen in Europa" und habe "grundsätzliche Bedeutung für die aktuelle Fortentwicklung des Rechtsrahmens des europäischen Stromhandels im Rahmen des sogenannten Clean Energy Package", ließ der Netzbetreiber TenneT am selben Tag verlauten. Es gehe keineswegs nur um seine Berechnungsmethoden und das Prozedere an der dänisch-deutschen Grenze: "Der Prozess der heutigen Kapazitätsberechnung und die zugrunde liegenden Methoden beruhen auf europäischem Energierecht und sind von den nationalen Regulierungsbehörden bestätigt. Sie werden grundsätzlich von allen europäischen Übertragungsnetzbetreibern genutzt, um die Kapazität an den mit Engpässen behafteten Verbindungsleitungen zwischen Staaten zu berechnen."

Skandinavische Staaten beschwerten sich schon vor drei Jahren in Brüssel

Schon im Mai 2015 berichtete die FAZ, dass sich die skandinavischen Staaten in Brüssel wegen der Verstopfung des deutschen Netzes beschwert hätten. Offiziell veröffentlicht wurde dazu nichts. Vestagher greift nun anscheinend diese Forderung auf, nachdem die Bundesregierung vor kurzem die Übertragungsnetzbetreiber ausdrücklich auf die Erhaltung einer einheitlichen Stromhandelszone in Deutschland verpflichtet und damit anderslautenden Weisungen aus Brüssel entzogen hat (171101). Sie weiß natürlich, dass Tennet die technisch vorhandenen Kapazitäten nicht willkürlich beschränkt, sondern dass dies mit Rücksicht auf die Situation in Norddeutschland geschieht: Dort kann vor allem der fluktuierend anfallende Windstrom nicht hinreichend nach Süden abfließen. Große Strommengen suchen sich deshalb ihren Weg über die Netze der Nachbarländer im Westen und Osten, was zur Folge hat, dass die physikalischen Stromflüsse an den Grenzen oft sehr stark vom handelsmäßig vereinbarten Stromaustausch abweichen.

Jütland und Fünen gehören zum kontinentaleuropäischen Verbundnetz

Beim Austausch mit Dänemark entsprechen dagegen die physikalischen Stromflüsse ziemlich genau den Stromhandelsmengen. Das liegt daran, dass das westliche Dänemark – d.h. die Halbinsel Jütland mit der Insel Fünen – zum kontinentaleuropäischen Verbundsystem gehört. Es stellt deshalb für vagabundierende Ströme gewissermaßen eine Sackgasse dar, aus der nur Hochspannungs-Gleichstromübertragungen (HGÜ) zum skandinavischen Verbundsystem führen, in das auch das östliche Dänemark mit der Hauptstadt Kopenhagen eingebunden ist. Obwohl die Frequenz hier wie dort 50 Hertz beträgt, schwingen beide Netze nicht phasengenau im Gleichtakt und können deshalb nur über HGÜ-Kupplungen zusammengeschaltet werden.

 

 

Diese Grafik veranschaulicht den Rückgang der verfügbaren Kapazitäten für Stromtransporte von Westdänemark nach Deutschland im Zeitraum 2013 bis 2016. Zum Beispiel stand 2013 in fast allen von insgesamt 8760 Stunden des Jahres eine mehr oder minder große Kapazität zur Verfügung, die kurzzeitig bis zu 1780 MW betrug. Dagegen waren 2016 nur noch in 3394 Jahresstunden Stromtransporte nach Süden möglich. Die Grafik entstammt dem "Monitoringbericht 2017" der Bundesnetzagentur (S. 170) und wurde der besseren Verständlichkeit wegen leicht modifiziert.

 

Technische Kapazität soll bis 2020 von 1.780 auf 2.500 MW erhöht werden

Derzeit können die beiden grenzüberschreitenden Stromtrassen bis zu 1.500 MW in Richtung Norden und bis zu 1.780 MW in südlicher Richtung übertragen. Die tatsächliche Verfügbarkeit hängt zum einen von der Situation im Netz und zum anderen von der Einspeisung aus erneuerbaren Energien und der Auslastung am jeweiligen Tag ab. Am Ausbau der nach Süden führenden Verbindung auf 2500 MW wird seit 2015 gearbeitet. Sie kann dann Strom vom dänischen Kassø in den Großraum Hamburg transportieren und soll bis 2020 fertig sein.

 

Links (intern)