Oktober 2018 |
181010 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber veröffentlichten am 1. Oktober vorläufige Preisblätter, aus denen hervorgeht, dass sie ihre Netzentgelte zum 1. Januar 2019 zwischen 2,03 Cent und 3,85 Cent je Kilowattstunde senken werden. Diese Senkungen ergeben sich hauptsächlich aus dem sogenannten Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG), das der Bundestag im Juni 2017 verabschiedete. Damit werden die Kosten für den Anschluß von Offshore-Windpark aus den Netzkosten herausgenommen und in den Belastungsausgleich nach § 17f EnWG überführt. Dies bedeutet, daß sie in die bisherige Offshore-Haftungsumlage eingehen, die ab 2019 nur noch "Offshore-Netzumlage" heisst. Diese Umlage wird allerdings nicht gleichmäßig auf die Stromkunden verteilt, sondern ist für Großverbraucher stark ermäßigt. Die Verlagerung der Offshore-Netzkosten in die Umlage begünstigt deshalb ein weiteres Mal die Großstromverbraucher (170604).
Wie die Übertragungsnetzbetreiber am 15. Oktober bekanntgaben, steigt infolge dieser Umschichtung ab 2019 die bisherige Offshore-Haftungsumlage von 0,037 auf 0,416 Cent pro Kilowattstunde. Die Kleinverbraucher werden also elfmal so hoch wie bisher belastet. Der Mehrbetrag ist genauso groß wie die Verringerung, die ab 2019 durch die Senkung der EEG-Umlage um 0,387 Cent/kWh bewirkt wird (181009). Per Saldo ändert sich somit an der Stromrechnung gar nichts.
Auch von der angekündigten Senkung der Übertragungsnetz-Entgelte werden die Endverbraucher im Niederspannungsnetz nur wenig oder gar nichts zu spüren bekommen. Das liegt daran, dass gleichzeitig Erhöhungen bei den Verteilnetzbetreibern zu erwarten sind. Der Daten-Dienstleister Enet GmbH veröffentlichte am 15. Oktober das Ergebnis einer Studie, wonach sich für einen Single-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 1.500 kWh praktisch nichts verändert. Ein Familien-Haushalt mit 4.000 kWh Strombedarf werde um etwas mehr als 1 Prozent entlastet. Ein Gewerbebetrieb mit 40.000 kWh Jahresverbrauch zahle rund 2,1 Prozent weniger Netzentgelt.
Der Ökostrom-Anbieter Lichtblick geht sogar davon aus, dass private Letztverbraucher 2019 im Durchschnitt rund zwei Prozent mehr für die Netzentgelte bezahlen müssen. Er stützt sich dabei auf die Auswertung der vorläufigen Preisblätter für Haushalte mit einem beispielhaften Jahresverbrauch von 4.000 kWh, die 25 große Stromnetzbetreiber veröffentlicht haben. Allerdings sei die Entwicklung, wie üblich, lokal sehr unterschiedlich. Beispielsweise gebe es deutliche Steigerungen in den Netzgebieten von Wesernetz Bremen (+25 %), Westfalen Weser Netz (+20 %) und Stromnetz Hamburg (+13 %). Rückläufig seien hingegen die Kosten in den Gebieten von Wemag (-15 %), Stadtwerke München Infrastruktur (-10 %) und EWE Netz (-8 %).
Die Herausnahme der bundesweit gewälzten Offshore-Anschlusskosten aus den Netzentgelten begründete der Gesetzgeber natürlich nicht mit einem weiteren Liebesdienst für die Großstromverbraucher. Vielmehr hieß es in der Begründung des NEMoG-Gesetzentwurfs, diese Kosten würden "einer eigenen Gesetzmäßigkeit folgen und künftig durch dezentrale Einspeisung nicht vermieden werden". Die Betreiber kleinerer Kraftwerke bekommen nämlich eine Prämie für "dezentrale Einspeisung", weil ihre Anlagen unterhalb der Höchstspannungsebene in das Hoch-, Mittel- oder Niederspannungsnetz einspeisen. Diese Prämie wird für angeblich "vermiedene Netzentgelte" gewährt. Sie ist sachlich in keiner Weise gerechtfertigt und verteuert in erheblichem Maße die Netzentgelte, weshalb sie schrittweise bis 2030 abgeschafft werden sollte (161110). Der zähe Widerstand der bisherigen Nutznießer hat dies verhindert: Das 2017 beschlossene Netzentgeltmodernisierungsgesetz beschränkt die Abschaffung auf Neuanlagen ab dem Jahr 2023. Für Bestandsanlagen gibt es die Prämien weiterhin. Zugleich wird aber die Berechnungsgrundlage ab 2018 auf dem 2016 geltenden Stand eingefroren (170604). Insofern hätte es der zusätzlichen Verschiebung der Offshore-Anschlusskosten von den Netzentgelten in die Haftungsumlage nicht bedurft, um den rasanten Anstieg der "vermiedenen Netzentgelte" zu dämpfen. Das Hauptmotiv für die Umetikettierung dürfte deshalb gewesen sein, den Großstromverbrauchern zu einem weiteren dauerhaften Vorteil zu verhelfen.
Mit der bundesweiten Vereinheitlichung der Netzentgelte für das Übertragungsnetz geht es zum Glück schneller voran als mit der Abschaffung der "vermiedenen Netzentgelte". Bisher berechnen 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW jeweils ihre eigenen Netzentgelte, die unterschiedlich hoch sind. Am 1. Oktober veröffentlichten sie erstmals kombinierte Netzentgelte, die für das Jahr 2019 neben dem unternehmensindividuellen Netzentgelt zu zwanzig Prozent aus einem Anteil bestehen, der bei allen vier einheitlich ist. Dieser bundesweit einheitliche Anteil soll jedes Jahr um zwanzig Prozent vergrößert werden, so dass ab 2023 die Netzentgelte der vier Übertragungsnetzbetreiber vollständig vereinheitlicht sein werden.