Februar 2019 |
190203 |
ENERGIE-CHRONIK |
Zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (160702) kann die in § 79a neu eingeführte regionale Grünstromkennzeichnung jetzt auch in der Praxis angewendet werden. Das Umweltbundesamt (UBA) hat die dafür notwendige elektronische Datenbank mit einjähriger Verzögerung fertiggestellt und zum Jahresanfang in Betrieb genommen. Die Betreiber von EEG-Anlagen können sich nun für jede erzeugte Kilowattstunde besondere "Regionalnachweise" ausstellen lassen und an Stromlieferanten übertragen. Letztere dürfen dann die Regionalnachweise bei der gesetzlich vorgeschriebenen Stromkennzeichnung nach § 42 EnWG zu Werbezwecken verwenden, indem sie einen entsprechenden Anteil der EEG-geförderten Mengen im Strom-Mix, die sonst nur pauschal ausgewiesen werden, als Grünstrom von Erzeugern aus der Region deklarieren.
Als regional gilt EEG-Strom dann, wenn er nicht weiter als 50 Kilometer vom Letzverbraucher entfernt erzeugt wird. Maßgeblich für die Entfernung ist jeweils der Abstand zwischen den Postleitzahlen-Gebieten. Antragsberechtigt für die Ausstellung von Regionalnachweisen sind nur solche Erzeuger, die ihren EEG-Strom direkt vermarkten. Sie können die so erworbenen Nachweise zu einem frei verhandelbaren Preis an Lieferanten übertragen, müssen aber nach § 53b EEG eine geringfügige Kürzung der EEG-Förderung um 0,1 Cent pro Kilowattstunde hinnehmen. Die Neuregelung gilt nicht für EEG-Strom aus Kleinanlagen, der in der Regel weiterhin mit einer festen Einspeisungsvergütung gefördert und von den Übertragungsnetzbetreibern an der Börse verkauft wird.
Faktisch handelt es sich um eine Doppelvermarktung von EEG-Strom, die nach § 80 Abs 2 EEG aber ausnahmsweise erlaubt ist. Mit deren Aufnahme ins EEG folgte der Bundestag einer Empfehlung des Bundesrats, der auf diese Weise die Akzeptanz der Energiewende fördern wollte. Außerdem wollte man einen Ersatz für das einstige Grünstromprivileg schaffen, das den Stromvertrieben seit 2009 die völlig Befreiung von der EEG-Umlage und ab 2012 einen Nachlaß um 2 Cent/kWh gewährte, sofern mehr als die Hälfte ihres Stromabsatzes aus Anlagen stammte, die nach dem EEG vergütungsfähig waren. Die ab August 2014 geltende EEG-Novellierung hat dieses Grünstromprivileg abgeschafft. Es wurde sowieso nur noch wenig in Anspruch genommen. Vor allem bedeutete es eine zusätzliche Belastung für die Stromverbraucher, die dieses Vertriebs-Modell über eine erhöhte EEG-Umlage finanzieren mußten.
Im Unterschied zum Grünstromprivileg bewirken die Regionalnachweise keine nennenswerte Erhöhung der EEG-Umlage. Ein echter Nutzen für die Verbraucher ist aber auch hier nicht erkennbar. Wenn jemand Tomaten aus der Region kauft, kann er wenigstens sicher sein, dass sie nicht aus Holland oder Spanien kommen. Der auf Regionalnachweisen basierende Strombezug aus der näheren Umgebung ist dagegen pure Phantasie, denn real ändert sich mit diesen Zertifikaten überhaupt nichts. Dieser rein imaginäre Nutzen verbindet die neuen Regionalnachweise mit anderen Arten von zertifiziertem "Ökostrom", die ebenfalls auf einem erlaubten und sogar gesetzlich geförderten Etikettenschwindel beruhen (siehe Hintergrund, Dezember 2013).
Unabhängig davon bleibt abzuwarten, wieweit sich mit "Regionalstrom" doch Kunden gewinnen lassen. Interessant wäre das neue Vertriebssegment vor allem für Stadtwerke, um ihre regionale Verbundenheit zu unterstreichen. Ohne Aufpreis wird es allerdings nicht gehen, denn auch die vom Bundesumweltamt ausgestellten Zertifikate gibt es nicht ganz kostenlos. Wie eng hier die Grenzen geworden sind, mußten die Stadtwerke bereits beim ganz normalen "Ökostrom" erfahren, der zwar als grünes Schleifchen auf dem Wahltarif schon aus Konkurrenzgründen regelmäßig angeboten wird, aber nur noch sehr magere Margen ermöglicht (140410). Ein Unsicherheitsfaktor ist auch, wieweit sich die Stromerzeuger im Umkreis von 50 Kilometern für das neue Marketing-Modell begeistern lassen und welcher Anreize es dafür bedarf.
Vermutlich ist das der Grund, weshalb die Kölner Rheinenergie und die Stadtwerke Soest schon jetzt ein neues Modell entwickeln, das die vom Bundesumweltamt bereitgestellten Regionalnachweise für EEG-Strom mit anderen regionalen Stromquellen kombiniert. Auf diese Weise könnten Stadtwerke ihre Eigenerzeugung mit einbeziehen und hinzu auch noch die konventionelle Stromerzeugung im Umkreis von 50 Kilometern. Das würde lokalpatriotische Stromverbraucher anteilsmäßig sicher mehr beeindrucken. Die Internet-basierte Regionalstromplattform "Stromodul" soll in diesem Sommer starten und über die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung im VKU (ASEW) auch anderen Stadtwerken angeboten werden.