Mai 2019

190501

ENERGIE-CHRONIK


EU-Gesetzgebungspaket "Saubere Energie" kann jetzt komplett in Kraft treten

Der EU-Rat hat am 22. Mai den Neufassungen der Richtlinie und der Verordnung zum Strombinnenmarkt zugestimmt. Ferner billigte er die Neufassung der ACER-Verordnung und eine neue "Verordnung zur Risikovorsorge". Damit kann nun auch die zweite Hälfte des umfangreichen Gesetzgebungspakets in Kraft treten, das die EU-Kommission Ende 2016 vorgelegt hat und unter der plakativen Bezeichnung "Saubere Energie für alle Europäer" bis zu den Europa-Wahlen im Mai 2019 unter Dach und Fach bringen wollte (161207).

Die unsauberen Punkte sind schwer erkennbar

Das mehr als tausend Seiten umfassende "Winterpaket", wie es anfangs schmucklos hieß, lag zunächst nur in englischer Sprache vor. Auch nach seiner Beratung, teilweisen Veränderung und Übersetzung in die 23 anderen Amtssprachen der EU bleibt es für Nicht-Experten großteils unverständlich. Die praktischen Konsequenzen, die sich im einzelnen aus den Richtlinien und Verordnungen ergeben, sind in der Regel nur für einschlägig spezialisierte Fachleute erkennbar. Das liegt nicht nur an der komplizierten Materie. Die EU-Bürokratie hat vielmehr eine eigenartige, aufgeblähte Textakrobatik entwickelt, die mit umständlichen Formulierungen eher verunklart als präzisiert. So verbarg sich etwa die unsinnige Vorschrift, dass Ausschreibungen zur Erneuerbaren-Förderung im Normalfall "technologieneutral" durchgeführt werden müssen, in einer ganz harmlos klingenden Passage der 2014 erlassenen "Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014 - 2020" (siehe Hintergrund , April 2018).

Grenzüberschreitender Stromhandel wird zu Lasten der Verbraucher forciert

Auch das Paket "Saubere Energie" enthält solche Pferdefüße. Zum Beispiel wird durch die neue Verordnung zum Strombinnenmarkt der grenzüberschreitende Stromhandel ohne Rücksicht auf Engpässe und die somit anfallenden Redispatch-Kosten forciert. Das freut zwar die Stromhändler-Lobby, zwingt aber die deutschen Übertragungsnetzbetreiber zu einer starken Erhöhung ihres Bedarfs an Reservekraftwerken, den sie dank netztechnischer Verbesserungen eben erst ein bißchen senken konnten (190509). Die enormen Kosten, die dadurch entstehen, belasten weder die Stromhändler noch die Netzbetreiber oder gar die EU-Kommission, sondern werden über die Netzentgelte auf die Stromverbraucher abgewälzt.

Die erste Hälfte des Pakets wurde schon voriges Jahr abgehakt

Trotz seiner Komplexität und Unüberschaubarkeit – oder gerade deshalb – durchlief das "Winterpaket" die Brüsseler Gesetzgebungsmaschinerie relativ geräuschlos. Dem anfänglichen Entsetzen über einen solchen "legislativen Tsunami" folgte zumindest in der Öffentlichkeit wenig Detailkritik. Größere Aufmerksamkeit fand nur die Diskussion über die Ausbauziele für die Erneuerbaren (180610). Ende 2018 einigten sich Parlament und Rat über die Neufassung der Richtlinien zu den Erneuerbaren und zur Energieeffizienz (181112) sowie die sogenannte Governance-Verordnung zur "Energieunion", die von den Staats- und Regierungschefs am 19. März 2015 beschlossen wurde, um die Strom- und Gasversorgung der Mitgliedsstaaten sicherzustellen (150303). Einige Monate später konnte auch die neue Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden im Amtsblatt veröffentlicht werden.

Die zweite Hälfte des Pakets, die mit der Zustimmung des Rats jetzt die letzte Hürde im Gesetzgebungsverfahren überwand, wurde vom EU-Parlament bereits im März abschließend gebilligt. Der neue Regelungsrahmen für den Elektrizitätsbinnenmarkt soll diesen wettbewerbsfähig, verbraucherfreundlich und flexibel gestalten. Die neu eingeführte Verordnung über die Risikovorsorge im Elektrizitätssektor soll die Stromversorgungssicherheit in Krisensituationen gewährleisten. Ferner werden Rolle und Arbeitsweise der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) neu definiert. Die vier Rechtsakte treten zwanzig Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Die neue Strommarkt-Richtlinie muss dann von den Mitgliedstaaten innerhalb von zwölf Monaten umgesetzt werden. Die drei Verordnungen gelten in jedem Mitgliedstaat ab dem 1. Januar 2020 unmittelbar.

 

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