September 2019

190901

ENERGIE-CHRONIK


E.ON darf Innogy übernehmen und zerschlagen

Die EU-Kommission hat am 17. September auch den zweiten Teil des Tauschgeschäfts genehmigt, mit dem sich die beiden Konzerne E.ON und RWE den Energiemarkt in Deutschland und Europa untereinander so aufteilen, dass sie in den wichtigsten Bereichen keine Konkurrenten mehr sind. RWE wird sich demnach hauptsächlich nur noch der Stromerzeugung und dem Energiehandel widmen, während E.ON das Netz- und Vertriebsgeschäft mit Strom und Gas betreibt. Dreh- und Angelpunkt des Deals ist die kurzlebige RWE-Tochter Innogy, die erst 2016 gegründet wurde (161002). Mit der nun erteilten Genehmigung darf sich der E.ON-Konzern dieses Unternehmen einverleiben, um es anschließend zu zerschlagen. Er selber wird dann das umfangreiche Netz- und Vertriebsgeschäft übernehmen, während RWE die Erneuerbaren-Sparte zurückbekommt.

Barabfindung für die restlichen Minderheitsaktionäre

Schon am 4. September – also zwei Wochen vor der offiziellen Erlaubnis aus Brüssel – kündigte E.ON eine "zügige Integrierung" der RWE-Tochter an. Inzwischen habe man das RWE-Aktienpaket von 76,8 Prozent durch Übernahmeangebote und Zukäufe an der Börse auf über 90 Prozent aufstocken können. Damit seien die Voraussetzungen für den Ausschluss der verbliebenen Minderheitsaktionäre durch Barabfindung erfüllt.

Die beiden Konzerne hatten ihren Deal im März 2018 bekanntgegeben (180301). Die offizielle Anmeldung bei den Kartellbehörden in Brüssel und Bonn erfolgte allerdings erst im Januar dieses Jahres. Bis dahin verhandelten die Konzerne mit den Wettbewerbsbehörden hinter verschlossenen Türen, um eventuelle Bedenken gegen die geplante Aufteilung des deutschen Energiemarktes schon im Vorfeld auszuräumen. Im Februar bekam dann zunächst RWE die Erlaubnis zum Einstieg bei E.ON mit einer Beteiligung von 16,7 Prozent und zur Übernahme des gesamten Erneuerbaren-Geschäfts der beiden Konzerne (190202).

Mit der nun bekanntgegebenen Entscheidung kann auch E.ON die vereinbarte Übernahme des gesamten Netz- und Vertriebsgeschäfts von RWE vollziehen. Im Gegenzug bekommt der Geschäftspartner bis Ende September die bisherige Erneuerbaren-Sparte des Konzerns sowie die E.ON-Minderheitsbeteiligungen an den Kernkraftwerken Gundremmingen und Emsland. Die Rückübertragung des deutlich größeren Erneuerbaren-Geschäfts von Innogy kann dagegen erst erfolgen, wenn die verbliebenen Minderheitsaktionäre abgefunden worden sind. Dasselbe gilt für das Gasspeichergeschäft und die Innogy-Beteiligung am österreichischen Energieversorger Kelag. Noch offen sind außerdem die 1,5 Millliarden Euro, die E.ON als finanziellen Ausgleich erhält.

Die bescheidenen Auflagen bringen das Tauschgeschäft nicht aus der Balance

Anders als bei RWE ist die Genehmigung für E.ON mit gewissen Auflagen verbunden. Diese sind aber durchaus "verkraftbar", wie es der Vorstandsvorsitzenden Johannes Teyssen ausdrückte, und bringen das vereinbarte Tauschgeschäft nicht aus der Balance. Sie kommen auch keineswegs überraschend, sondern wurden von E.ON bereits im Juni angeboten, nachdem die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ihren diesbezüglichen Wunschzettel präsentiert hatte (190611). Insgesamt handelt es sich um vier Punkte: In Ungarn und Tschechien muss der Konzern sein Endkundengeschäft mit Strom aufgeben, in Tschechien zudem auch im Gasvertrieb. Ferner muss er sich in Deutschland von 260.000 Heizstrom-Kunden trennen und 34 Ladestationen für Elektroautos an Autobahnen verkaufen.

Zehn Kommunalversorger forderten Untersagung oder "substanzielle" Auflagen

Demgegenüber hatten zehn deutsche Kommunalversorger im August an die EU-Kommission appelliert, die beantragte Übernahme der RWE-Tochter Innogy nicht oder nur mit "substanziellen" Auflagen zu genehmigen. Falls die Kommission dennoch eine Freigabe erwäge, bedürfe es eines ganzen Bündels von einschneidenden Maßnahmen, um die Marktmacht des Konzerns in wettbewerbsverträglichen Grenzen zu halten. So müsse E.ON im Vertriebsbereich die bundesweit agierenden Energieanbieter Eprimo und E-wie-einfach verkaufen und sämtliche Beteiligungen an Stadtwerken abgeben (190802).

Mainova will gegen Entscheidung der EU-Kommission klagen

Die Frankfurter Mainova, die zu den zehn Unterzeichnern gehört, will die Entscheidung der EU-Wettbewerbsbehörde nicht widerspruchslos hinnehmen. "Hier entsteht durch anorganisches Wachstum ein Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung zum Nachteil der Wettbewerber und damit aller Verbraucher", erklärte ihr Vorstandsvorsitzender Constantin H. Alsheimer. Die Verpflichtungszusagen von E.ON seien völlig unzureichend. Die Mainova habe deshalb beschlossen, nun auch rechtliche Schritte gegen die Entscheidung einzuleiten. Sie gehe davon aus, dass auch andere regionale Energieversorger und Stadtwerke diesen Schritt erwägen.

Spitzenverband der Stadtwerke reagierte ausgesprochen moderat

Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) hatte die sich anbahnende neue Machtposition der beiden Konzerne ebenfalls als bedenklich bezeichnet. In einer kurzen Stellungnahme vom 15. Mai hieß es: "Auf allen Wertschöpfungsstufen wird zukünftig entweder E.ON oder RWE Marktführer mit weitem Abstand vor den nächsten Wettbewerbern sein. Dies wird zu einer Schwächung des Wettbewerbs und der Innovation führen. Im Bereich der Endkundenmärkte Strom und Gas, der neuen Energiedienstleistungen und dere E-Mobilität kann die neue E.ON aufgrund von Größen- und Skalenvorteilen Marktmacht erlangen, die letztlich die Verdrängung kleinerer Wettbewerber und anschließend höhere Preise ermöglicht."

Der kommunale Spitzenverband, dessen Geschäftsführerin Katherina Reiche bereits den Wechsel zu E.ON geplant haben dürfte (190908), verzichtete indessen auf die Forderung, das Tauschgeschäft zu untersagen oder seine Auswirkungen durch Auflagen zu mildern. Stattdessen forderte er die Überprüfung von "besonderen regulatorischen oder gesetzlichen Anforderungen" an die kommunalen Versorger, "die über das hinausgehen, was von privaten Energieversorgern verlangt wird". Nach Verkündung der Brüsseler Entscheidung bekräftigte er, dass die zu erwartende Umgestaltung des Energiemarktes der Anlass sein müsse, "die Rahmenbedingungen für die Tätigkeiten kommunaler Energieversorger zu verbessern".

 

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