September 2019

190908

ENERGIE-CHRONIK


VKU-Geschäftsführerin Reiche wechselt zu E.ON

Die Hauptgeschäftsführerin des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU), Katherina Reiche, übernimmt ab dem 1. Januar 2020 eine Leitungsposition beim E.ON-Konzern. Dies bestätigten am 17. September sowohl der VKU als auch E.ON, nachdem die Personalie, von der bis dahin nur ein kleiner Kreis von Eingeweihten wußte, durch eine gezielte Indiskretion in die Medien gelangt war. Kurz darauf gab der E.ON-Vorstandsvorsitzende Johannes Teyssen ergänzend bekannt, dass Reiche eine neu zu gründende E.ON-Netzgesellschaft leiten werde, die vorläufig den Arbeitstitel "Westenergie" trage und neben der bisherigen Innogy-Tochter Westnetz GmbH weitere Netzaktivitäten des Konzerns im Westen der Bundesrepublik umfassen werde. Der gewichtigste Brocken wäre dabei die regionale Netztochter Bayernwerk AG. Dagegen dürften die großen regionalen Verteilnetze der E.ON-Töchter Edis und Avacon, zu denen jetzt in Ostdeutschland noch die bisherige Innogy-Tochter Enviam hinzukommt, bis auf weiteres juristisch eigenständige Unternehmen bleiben. Sie gehören nämlich E.ON nicht allein, sondern haben kommunale Miteigentümer.

Mit der Westnetz GmbH hatte RWE 2013 fünf Vorgänger-Netzgesellschaften zusammengefaßt und 2016 der neuen Tochter Innogy übertragen. Diese kurzlebige Ausgründung wird nun mit E.ON fusionieren und anschließend zerschlagen (190901). Gemäß der vereinbarten Marktaufteilung bekommt E.ON sämtliche Netz- und Vertriebsaktivitäten und RWE alle Anlagen zur Stromerzeugung. E.ON wird damit der größte Stromnetzbetreiber und Stromversorger Deutschlands.

Das Nachsehen hat eine andere ehemalige CDU-Politikerin

Zunächst war angenommen worden, dass die frühere BDEW-Hauptgeschäftsführerin Hildegard Müller, die seit 2016 bei Innogy für Netze und Infrastruktur zuständig ist (160312), diesen Bereich auch nach der Fusion mit E.ON leiten werde. Müller ist wie Reiche eine ehemalige CDU-Politikerin, die von diesem Sprungbrett aus ihre Karriere als Cheflobbyistin eines Branchenverbands der Energiewirtschaft fortgesetzt hat (080712, 160115). Fachlich wäre sie wohl die bessere Wahl gewesen. Anscheinend hielt es der E.ON-Chef Teyssen aber aus irgendwelchen Gründen für vorteilhafter, diesen Posten mit Reiche zu besetzen. Auch sonst wird im Vorstand der neuen E.ON kein Spitzenmanager der früheren Innogy vertreten sein.

Lasche Haltung des VKU zur Marktaufteilung zwischen RWE und E.ON wirft Fragen auf

"Mit Katherina Reiche setzen wir ein klares Signal, wie wichtig uns weiterhin die enge Partnerschaft mit Kommunen und Stadtwerken ist", erklärte Teyssen am 17. September bei einer Pressekonferenz zur Genehmigung der mit RWE vereinbarten Marktaufteilung durch die EU-Kommission (190901). Der E.ON-Chef packte damit gewissermaßen den Stier bei den Hörnern, denn dieses Signal läßt sich auch ganz anders deuten: Es dürfte nicht wenige VKU-Mitglieder geben, die in der Abwerbung der obersten Verbandslobbyistin das Gegenteil einer vertrauensbildenden Maßnahme sehen. Noch fataler wäre allerdings der Eindruck, dass Reiche bereits die Geschäfte von E.ON besorgt haben könnte, als sie noch auf der Gehaltsliste des VKU stand. Jedenfalls hat der Verband die von RWE und E.ON vereinbarte Aufteilung des Energiemarktes kaum kritisiert und keinen Widerstand gegen die kartellrechtliche Genehmigung geleistet, obwohl die daraus entstehenden Machtpositionen die Wettbewerbschancen der kommunalen Versorger in starkem Maße gefährden.

Die einzige Stellungnahme zu dem Mega-Deal wirkte wie eine Pflichtübung

Vor allem die Dominanz der neuen E.ON im Netz- und Vertriebsbereich erfüllt viele Stadtwerke (190802) sowie andere Stromanbieter wie "Lichtblick" (190202) mit großer Sorge. Auch nach Einschätzung des VKU wird "die neue E.ON aufgrund von Größen- und Skalenvorteilen Marktmacht erlangen, die letztlich die Verdrängung kleinerer Wettbewerber und anschließend höhere Preise ermöglicht". So stand es in der einzigen Pressemitteilung, die der Verband zu diesem Thema veröffentlichte, nachdem E.ON und RWE im März 2018 ihren Pakt verkündet hatten. In dieser kurzen Stellungnahme vom 15. Mai begrüßte der VKU die Verlängerung der Prüffrist für den zweiten Teil des Deals, der E.ON betraf. Dennoch verlangte er weder eine Untersagung der geplanten Marktaufteilung noch bestimmte Auflagen, um negative Auswirkungen einer Genehmigung zu begrenzen. Die Stellungnahme wirkte deshalb eher wie eine Pflichtübung. Sie wurde auch nicht, wie sonst üblich, von der Hauptgeschäftsführerin abgegeben, sondern als unpersonalisierte Verlautbarung des Verbands. Dies kann als Indiz dafür gelten, dass Katherina Reiche ihren Wechsel zu E.ON bereits vereinbart hatte und sich weder nach der einen noch nach der anderen Seite exponieren wollte.

Teyssens Entscheidung für Reiche soll auch bei E.ON umstritten sein

Vorzeitig bekannt wurde Reiches Wechsel zu E.ON am 11. September durch die "Wirtschaftswoche", die sich dabei auf "mit der Personalie vertraute Personen" berief. Ferner hieß es in dem Bericht, dass diese Personalentscheidung als "politisch getrieben" gelte und auch bei E.ON umstritten sei. Die 46-jährige ehemalige CDU-Politikerin gelte in Sachen Energiewirtschaft als "eher unbedarft".

Die 1973 in Luckenwalde geborene Reiche studierte in der DDR Chemie und erlangte 1997 den Abschluss "Diplomchemikerin". Nach der Wende trat sie in die "Junge Union" ein und startete damit ihre politische Karriere: Von 1998 bis 2015 saß sie für die CDU im Bundestag, wobei sie von 2005 bis 2009 eine der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war. Außerdem vertrat sie ihre Partei zweimal als parlamentarische Staatssekretärin, zuerst im Umwelt- und dann im Verkehrsministerium. Dabei war sie nicht als Verfechterin kommunaler Interessen hervorgetreten. Als eifrige Befürworterin der Atomstromerzeugung und der privaten Entsorgungswirtschaft vertrat sie sogar eher konträre Positionen. Dass sie 2015 zur Cheflobbyistin des VKU gewählt wurde, verdankte sie deshalb wohl in erster Linie den Kontakten, die sie als Regierungspolitikerin aufbauen konnte. Eine entscheidende Rolle spielte ferner das CDU-Parteibuch, über das auch ihr Vorgänger Hans-Joachim Reck verfügte. Als weiteres Plus für Reiche zählte sicher, daß sie eine Frau ist, denn bis dahin war der VKU eine Männer-Domäne ohne weibliche Galionsfiguren.

Am 17. September beriet das VKU-Präsidium erstmals über die Neubesetzung der freiwerdenden Stelle. Wenn es beim bisherigen parteipolitischen Proporz an der Verbandsspitze bleibt, hat die Union auch jetzt wieder das Erstgeburtsrecht für den Posten des Hauptgeschäftsführers – als Ausgleich dafür, dass das Amt des VKU-Präsidenten seit mehr als zwanzig Jahren von SPD-Politikern bekleidet wird. Seit 2016 ist das der Mainzer Oberbürgermeister Michael Elbling. Seine Amtsvorgänger waren Ivo Gönner, Stephan Weil und Gerhard Widder.

 

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