Oktober 2020

201009

ENERGIE-CHRONIK




Die Trans-Adria-Pipeline (TAP) führt von der türkischen Grenze durch Griechenland und Albanien nach Italien. Als Fortsetzung der Transanatolischen Pipeline (TANAP) durch die Türkei und der Südkaukasus-Pipeline (SCP) durch Georgien und Aserbaidschan kann sie Erdgas aus dem Bereich des Kaspischen Meers über Italien in das europäische Gasnetz transportieren.

Trans-Adria-Pipeline kurz vor der Inbetriebnahme

Viereinhalb Jahre nach Baubeginn ist die 878 Kilometer lange Trans-Adria-Pipeline (TAP) im wesentlichen fertiggestellt. Wie die Trans Adriatic Pipeline AG am 12. Oktober mitteilte, wurden die Röhren von der griechisch-türkischen Grenze bis zum Anlieferungsterminal der Pipeline in Süditalien mit Erdgas gefüllt. Die Vorbereitungen für die Aufnahme des kommerziellen Betriebs seien im Gang. Die Verbindung mit dem italienischen Erdgastransportsystem werde voraussichtlich Mitte November hergestellt und dann den Gastransport nach Norden ermöglichen.

Die Trans Adriatic Pipeline AG ist eine in der Schweiz angesiedelte Gesellschaft, die sechs Energiekonzernen gehört: Die größten Beteiligungen halten mit jeweils zwanzig Prozent das aserbaidschanische Staatsunternehmen Socar, die britische BP und die italienische Snam, gefolgt von der belgischen Fluxys (19 Prozent), der spanischen Enagas (16 Prozent) und der schweizerischen Axpo Holding (5 Prozent).

Die Geschichte der TAP ist eng mit "Nabucco" und "South Stream" verbunden

Die Pläne für eine nach Süditalien führende Gaspipeline entstanden parallel zum "Nabucco"-Projekt, das die EU vor eineinhalb Jahrzehnten ins Auge fasste, um Europa unter Umgehung Russlands mit Erdgas aus dem Gebiet des Kaspischen Meers versorgen zu können. Schon damals erwog die EU eine Pipeline, die über Griechenland vom Hauptstrang abzweigen und durch die Adria nach Italien führen sollte (060605). Im übrigen wäre "Nabucco" als durchgehend neue Leitung errichtet worden, die vom Kaspischen Meer durch die Türkei, Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Österreich geführt hätte.

Die russische Gazprom reagierte auf "Nabucco" mit dem Konkurrenzprojekt "South Stream", das zeitweilig ebenfalls eine durch die Adria führende Abzweigung nach Italien vorsah. Da es den Russen gelang, auch etliche Energiekonzerne und Regierungen der EU in ihr Vorhaben einzubinden (070612, 091102, 100909, 110309), korrigierte man in Brüssel die anfänglich scharfe Ablehnung des Konkurrenzprojekts, subsumierte es unter dem Begriff "südlicher Gaskorridor" und erklärte offiziell beide Vorhaben für nützlich (090201, 090402).

Zunächst blieb offen, wer die vorgelagerte Pipeline betreiben würde

In dieser Phase der Auseinandersetzung zwischen "Nabucco" und "South Stream" gründeten die norwegische Statoil und die schweizerische EGL (später Axpo) die TAP-Projektgesellschaft, zu der sich 2010 auch der deutsche E.ON-Konzern gesellte (100511), während RWE zwei Jahre zuvor bei "Nabucco" eingestiegen war (080206). Zunächst beschränkte sich die Tätigkeit der Gesellschaft auf eine Realisierbarkeitsstudie und andere planerische Vorarbeiten, wobei vorläufig offen blieb, ob und wieweit das Gas über "Nabucco" oder "South Stream" bezogen werden sollte (130106).

Nach dem Scheitern von "Nabucco" wurde die TAP zum Konkurrenten der Behelfslösung "Nabucco-West"

Eine neue Situation ergab sich, nachdem "Nabucco" in der ursprünglich geplanten Form endgültig an der Uneinigkeit und Halbherzigkeit gescheitert war, mit der die EU das Projekt betrieben hatte, indem sie die Kollaboration zahlreicher westeuropäischer Konzerne und Regierungen mit dem russischen Konkurrenzprojekt "South Stream" einfach hinnahm und sogar beide Projekte für nützlich erklärte (120402). Dadurch trat das TAP-Projekt nun in direkte Konkurrenz zu dem Reststück "Nabucco West", das ab der türkischen Grenze das aus Aserbaidschan kommende Gas über den Balkan nach Österreich weiterleiten sollte. Denn jetzt ging es nur noch um die bescheideneren Gasmengen, die über die bestehenden Pipelines TANAP und SRC nach Europa transportiert werden konnten.

Im Juni 2013 gab das Shah-Deniz-Konsortium endgültig der TAP den Vorzug

Über die Wahl des Transportwegs entschied letztendlich das Konsortium zur Erschließung des Erdgasfelds Shah Deniz II in Aserbaidschan, in dem Statoil und BP mit jeweils 25,5 Prozent die größten Anteilseigner waren. Im Juni 2012 akzeptierte dieses Konsortium "Nabucco West" offiziell als "bevorzugte Pipelineroute nach Zentraleuropa" (120607). Das klang zwar gut, verpflichtete aber zu gar nichts, da die TAP eher nach Südeuropa führte. Hinter den Kulissen wurden die Weichen jedenfalls anders gestellt. Ein Jahr später entschied sich das Konsortium endgültig für die TAP (130603).

Gasförderer erlangten Mehrheit an der Pipeline-Gesellschaft

Im Ringen um den Zuschlag hatten sowohl TAP als auch "Nabucco West" den Gesellschaftern des Erdgasfelds Shah Deniz II versprochen, ihnen eine hälftige Beteiligung zu überlassen. Deshalb wurden nun das aserbaidschanische Staatsunternehmen Socar sowie die beiden Konzerne BP und Total neue Gesellschafter der Transadriatic Pipeline AG. Die norwegische Statoil war bereits in beiden Konsortien vertreten. Die drei neuen Mitglieder erwarben insgesamt 50 Prozent der TAP-Aktien. Davon entfielen jeweils 20 Prozent auf Socar und BP sowie 10 Prozent auf Total. Außerdem erwarb der belgische Gasnetzbetreiber Fluxys einen Anteil von 16 Prozent. Die Anteile der drei bisherigen Alleinaktionäre verringern sich entsprechend: Bei Statoil und Axpo, die bisher jeweils 42,5 Prozent besaßen, waren es nun noch 20 bzw. 5 Prozent. Die E.ON-Beteiligung sank von 15 auf 9 Prozent. Damit verfügten die Mitglieder des Shah-Deniz-Konsortiums über insgesamt 70 Prozent an der TAP (130808). Statoil hat sich später aus beiden Unternehmen zurückgezogen. Über BP und Socar als gemeinsame Großaktionäre sind die TAP und die Fördergesellschaft des Shah-Deniz-Feldes aber noch heute eng miteinander verflochten.

"South Stream" lebte ebenfalls nicht mehr lange

Mit der Entscheidung des Shah-Deniz-Konsortiums für die TAP hatte sich nach "Nabucco" auch das stark reduzierte Nachfolgeprojekt "Nabucco West" vollends erledigt. Das Konkurrenzprojekt "South Stream" lebte ebenfalls nicht mehr lange, da die EU nach der gewaltsamen Einverleibung der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland (140401) eine härtere Gangart gegenüber dem Kreml einschlug. Als erstes nötigte die EU-Kommission die korrupte bulgarische Regierung zur Einhaltung der EU-Vorschriften und verhinderte so den Baubeginn. Die Gazprom brach daraufhin gleich das ganze Vorhaben ab (141201).

Ersatzweise betrieb Gazprom die Verdoppelung der Ostsee-Pipeline

Stattdessen setzte der Kreml nun auf den weiteren Ausbau der Ostsee-Pipeline Nord Stream. Schon ein halbes Jahr nach dem Verzicht auf "South Stream" unterzeichnete die Gazprom mit westlichen Energiekonzernen eine Absichtserklärung zur Verdoppelung der bisherigen Kapazität von Nord Stream (150604). Zugleich ließ sie im Handelsregister des schweizerischen Kantons Zug, wo bereits die Nord Stream AG angesiedelt wurde, schon mal den Firmenmantel Nord Stream 2 AG eintragen, um ihre westlichen Helfer wiederum mit bis zu 49 Prozent beteiligen zu können.

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