Dezember 2020

201209

ENERGIE-CHRONIK


Stadtwerke Rostock erlangen nach Rückzug der E.DIS erneut die Konzession für das Stromnetz

Die Netzgesellschaft der Stadtwerke Rostock wird für weitere zwanzig Jahre das Stromnetz der Hanse- und Universitätsstadt betreiben. Am 2. Dezember erteilte ihr die Bürgerschaft einstimmig den Zuschlag. Einziger Mitbewerber war zunächst die zum E.ON-Konzern gehörende E.DIS AG, die sich dann aber zurückgezogen hat – womit die unterschiedlichen Interessen der beiden Hauptakteure in der mittlerweile dreißigjährigen Geschichte der Rostocker Stadtwerke zum vorläufig letzten Mal aufeinander stießen.

Stadt zog Klage gegen Stromvertrag zurück und arrangierte sich mit PreussenElektra

Die Stadtwerke Rostock entstanden 1990 als Nachfolgeunternehmen des VEB Wärmeversorgung aus DDR-Zeiten. Nach dem Willen der Bürgerschaft sollten sie als Querverbundunternehmen die Versorgung der Stadt mit Strom, Gas und Fernwärme übernehmen. Rostock gehörte deshalb zu den 123 Kommunen, die vor dem Bundesverfassungsgericht ihre Restitutionsansprüche auf die früheren Stadtwerke geltend machten und die komplette Einverleibung der 15 einstigen Bezirks-Energiekombinate durch die acht westdeutschen Verbundkonzerne nicht hinnehmen wollten (910703).

Überraschenderweise zog die Stadt dann aber ihre Klage zurück. Stattdessen einigte sie sich mit der E.ON-Vorläuferin PreussenElektra auf eine Minderheitsbeteiligung an deren Regionalversorger HEVAG, der aus der Privatisierung des einstigen Energiekombinats Rostock hervorgegangen war und nun in Rostock die Stromversorgung übernahm (910902). Kritiker machten dafür die Verfilzung verantwortlich, die den damaligen Wirtschaftssenator der Stadt, Heinz Werner, der gleichzeitig im Aufsichtsrat der HEVAG saß, mit der PreussenElektra verband. Zudem verband ihn mit dem damaligen Stadtwerke-Geschäftsführer Hans-Jörg Scheliga die Mitgliedschaft in der SPD.

Nachträgliche Übernahme der Stromversorgung verhalf Rostock zu günstigeren Tarifen

Indessen sprach sich die Bürgerschaft 1997 erneut für eine kommunale Stromversorgung aus. Nach einem Rechtsstreit mit der HEVAG bzw. deren Nachfolgerin e.dis Energie Nord (990419) gaben die Stadtwerke Rostock ihre Beteiligung an e.dis ab und übernahmen zum 1. Oktober 1999 das Stromnetz mitsamt dem dazugehörigen Personal. Zuvor hatten sie sich durch Beitritt zur "Energie-Union" (980410) und Überlassung eines Viertels ihrer Aktien an die Vasa Energy und die Verbundnetz Gas (VNG) (990728) finanziell-technische Rückenstärkung besorgt. Mit der Eigenmarke "Ostseestrom" stiegen sie nun auch ins Vertriebsgeschäft ein und wurden dank einer rasch wachsenden Anzahl von Kunden zum Grundversorger, der deutlich günstigere Tarife anbot als die im Umland dominierende E.DIS (071101).

Die VNG ist bis heute mit 12,55 Prozent an den Stadtwerken Rostock beteiligt. Die gleichgroße Beteiligung der Vasa Energy übernahm 2002 der kommunale Regionalversorger Wemag (100109). Den Netzbetrieb besorgt seit 2007 gemäß den Entflechtungsbestimmungen die juristisch eigenständige Stadtwerke-Tochter, die ihn nach der jetzt erfolgten Neuvergabe der Konzession ab 1. Oktober 2020 für weitere zwanzig Jahre behält. Im Jahr 2019 verfügten die Stadtwerke über 132.565 Stromkunden, 44.688 Gaskunden und 6.317 Wärmekunden. Mit insgesamt 552 Beschäftigten erwirtschafteten sie einen Umsatz von 306 Millionen Euro.

E.DIS verzichtete auf Abgabe eines finalen Angebots

Die Stadt Rostock hatte die auslaufende Stromkonzession im Juli 2019 vorschriftsgemäß zur Neuvergabe ausgeschrieben. Außer ihrer Netztochter meldete sich aber nur die E.DIS Netz als Interessent. Anfang Juli dieses Jahres fand mit beiden Bietern Vorgespräche statt. Anschließend wurden sie mit einem zweiten Verfahrensbrief zur Abgabe eines finalen Angebots aufgefordert. Die Stadtwerke-Tochter legte dieses Angebot im September vor. Die E.DIS Netz ließ dagegen schon sechs Wochen zuvor wissen, dass sie sich nicht weiter an dem Verfahren beteiligen wolle.

 

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