November 2021 |
211110 |
ENERGIE-CHRONIK |
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Der noch immer weit überwiegend im konventionellen Kraftwerksgeschäft tätige RWE-Konzern hat erneut bekräftigt, dass er seine Transformation zu einem hauptsächlich auf erneuerbaren Energien basierenden Stromerzeuger anstrebt. "Bei den Erneuerbaren Energien gehört RWE inzwischen global zu den führenden Unternehmen", versicherte der neue Vorstandsvorsitzende Markus Krebber (210510) am 15. November, als er bei einer Pressekonferenz unter dem Motto "Growing Green" die "neue RWE-Strategie" vorstellte. Bis 2030 werde der Konzern seine "leistungsstarken und grünen Erzeugungskapazitäten auf 50 Gigawatt" ausbauen. Dies bedeute"nahezu eine Verdopplung gegenüber heute" .
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So sieht nach offiziellen Angaben der weltweite Mix der RWE-Erzeugungskapazitäten aus. Allerdings sind auch hier solche Kraftwerke miteinbezogen, bei denen RWE nicht der alleinige Eigentümer ist. |
Diese Formulierungen irritierten allerdings wegen ihrer begrifflichen Unschärfe und weil RWE den heutigen Stand seiner Gesamtkapazitäten bereits mit 41 GW beziffert. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass Krebber deshalb von "nahezu verdoppeln" sprach, weil er bei seinem Vergleich die heutigen Kapazitäten an Kernkraft und Kohle mit 13,3 GW sowie die Pumpspeicherkraftwerke mit 2,4 GW schon mal weggelassen hatte. Unter "leistungsstarken" Kapazitäten verstand er lediglich Gaskraftwerke und andere "flexible Leistung" wie Wasserkraft und Biomasse, die im gegenwärtigen Portefeuille mit einer Leistung von 15 GW zu veranschlagen sind, während die "grünen" Kapazitäten rund 10 GW an Windkraft und Photovoltaik umfassen. Dieses insgesamt 25 GW betragende Erzeugungssegment soll bis 2030 bis auf 50 GW erhöht bzw. verdoppelt werden, wovon dann 31 GW auf Grünstrom-Kapazität und 19 GW auf Gas und andere flexible Leistung entfallen würden.
Bis 2030 werde RWE "50 Milliarden Euro brutto in unser grünes Kerngeschäft investieren", kündigte Krebber weiter an. "Grundlage für diesen Wachstumssprung ist unsere gut gefüllte Projektpipeline. Über alle Technologien hinweg hat sie eine Kapazität von mehr als 55 Gigawatt." Der RWE-Finanzvorstand Michael Müller ergänzte, dass von der genannen Summe jeweils 45 Prozent auf Offshore-Windkraft sowie auf Windkraft an Land, Photovoltaik und Batterien entfallen. Die restlichen 10 Prozent würden für flexible Erzeugungskapazitäten und Wasserstoff verwendet. Nach Abzug der Erlöse aus geplanten Anteilsverkäufen – etwa an neuentstehenden Windparks – werde RWE netto 30 Milliarden Euro bis 2030 investieren.
Mit "Growing Green" reagiert der Konzernvorstand offenbar auch auf die Kritik des "aktivistischen Aktionärs" Enkraft, von dem er Anfang September zur Abtrennung der Braunkohlensparte aufgefordert worden war, um den Wert der RWE-Aktie zu steigern. Einen entsprechenden Brief an Krebber hatte Enkraft der Agentur Reuters zukommen lassen, die darüber am 8. 11. berichtete. Die Enkraft Capital erwarb vor kurzem mehr als 500.000 RWE-Aktien im Wert von 16,4 Millionen Euro. Damit ist sie zwar nur ein Mini-Aktionär, verfügt jedoch über das Recht, die Aufnahme von Themen in die Tagesordnung der jählichen Hauptversammlungen zu fordern. Laut Reuters erlangte sie zu Anfang dieses Jahres sogar drei Sitze im Aufsichtsrat des Ölkonzerns Exxon Mobil, obwohl sie dafür nur 12,5 Millionen Dollar investierte. Nach der RWE-Pressekonferenz kritisierte der Enkraft-Geschäftsführer Benedikt Kormaier gegenüber der FAZ (18.11.) die Konzernstrategie erneut und warf dem Vorstand vor, dass er sich "mit vorgeschobenen und nicht wirklich überzeugenden Argumenten für einen Verbleib der Kohleaktivitäten" einsetze.
Kritisch beäugt wird die RWE-Strategie ferner von der "Deutschen Umwelthilfe" (DUH), die dem Unternehmen im Juni ihren "Goldenen Geier" für die dreisteste Umweltlüge verlieh. Vorangegangen war eine Online-Abstimmung über fünf Kandidaten, die von der DUH nominiert wurden, und an der sich rund 25.000 Personen beteiligten. RWE bekam den Schmähpreis für Sprüche wie "Schon heute ist der größte Teil unseres Kerngeschäfts grüner Strom". Die Wirklichkeit sehe ganz anders aus: Im vergangenen Jahr habe der tatsächliche Anteil erneuerbarer Energien an der RWE-Stromerzeugung lediglich 20,2 Prozent betragen. Damit habe er auch weit hinter dem deutschen Strommix gelegen, der zur selben Zeit witterungsbedingt nur einen EE-Anteil von rund 46 Prozent aufwies.
Zuvor veröffentlichte die Umweltorganisation Greenpeace im Frühjahr eine Kurzstudie unter dem Titel "RWE – Vom Winde verweht?", die einen ähnlichen Tenor hatte (siehe Link). Im Vorwort fasste der Autor Steffen Bukold seinen Befund unter anderem so zusammen: "Die Erzählung RWEs als ein global führendes Unternehmen im Bereich der Erneuerbaren Energien verschweigt, dass bei den Erneuerbaren längst andere europäische und internationale Konzerne weiter vorne sind. RWE hat lange die Zukunftsenergien ignoriert – dies rächt sich nun. Im internationalen Wettbewerb ist RWE lediglich ein mittelgroßer Newcomer im Geschäft mit den Erneuerbaren. Auf diesem heiß umkämpften Markt, auf den inzwischen auch die Ölmultis ihre Augen geworfen haben, gilt RWE als potentieller Übernahmekandidat. Nach dem milliardenschweren Tauschgeschäft mit Eon verfügt RWE zwar nun über ein Portfolio an Erneuerbaren Energien, versucht sich im Gas- und Wasserstoffgeschäft, aber hat keine solide Wirtschaftsbasis – auch nicht mehr am Stammsitz in Deutschland. Der einstige deutsche 'Energieriese' RWE befindet sich auf Schrumpfkurs."