März 2022 |
220305 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die in der Schweiz ansässige Pipeline-Gesellschaft Nord Stream 2 AG hat ihre Geschäftstätigkeit eingestellt. Wie die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zug am 1. März mitteilte, hat das im Handelsregister Zug eingetragene Unternehmen die ganze Belegschaft von 106 Personen entlassen und werde auch "die Bilanz deponieren" müssen. Bis Ende März war die hundertprozentige Tochter des russischen Staatskonzerns Gazprom indessen noch immer im Handelsregister des Kantons Zug eingetragen, ohne dass eine Konkursanmeldung erfolgte. Unverändert wurden auch weiterhin die "deutschen Staatsangehörigen" Gerhard Fritz Kurt Schröder (170706) und Artur Matthias Warnig (111219) als Präsident des Verwaltungsrats bzw. als Geschäftsführer aufgeführt.
Während der bisherige Internet-Auftritt der Nord Stream 2 AG spurlos aus dem Netz verschwand, war die Seite ihrer jüngst gegründeten Tochter "Gas for Europe GmbH" noch rudimentär aufrufbar. Der Inhalt beschränkte sich allerdings auf eine lapidare Mitteilung: "Aufgrund aktueller Entwicklungen, auch bei unserem Gesellschafter Nord Stream 2 AG, wird die Gas for Europe GmbH vermutlich abgewickelt. Bei Fragen wenden Sie sich bitte per E-Mail an info@g4e.de." Die "Gas for Europe GmbH" war erst Ende Januar ins Handelsregister Schwerin eingetragen worden, um formal als Eigentümerin des durch deutsche Hoheitsgewässer führenden Endstücks der zweiten Ostsee-Pipeline zu fungieren (220107).
Mit der Liquidierung der beiden Unternehmenstöchter zieht der Staatskonzern Gazprom die Konsequenzen aus dem endgültigen Scheitern des Pipeline-Projekts, das der Kreml mit seinem Überfall auf die Ukraine selber herbeigeführt hat. Schon nach der Annektierung der beiden ostukrainischen Gebiete am 21. Februar hatte die Bundesregierung die Bundesnetzagentur angewiesen, die Erteilung der Betriebserlaubnis nicht weiter zu verfolgen (220201). Die folgenden Angriffe auf andere Teile der Ukraine und die damit einhergehenden Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung machten es dann vollends illusorisch, die technisch fertiggestellte Pipeline jemals in Betrieb nehmen zu können, solange in Russland kein grundlegender politischer Wandel eintritt.
Das erkannten auch die fünf westlichen Energiekonzerne, die der Gazprom fast acht Jahre lang behilflich waren, das Projekt einer zweiten Ostsee-Pipeline voranzutreiben. Binnen einer Woche distanzierten sich alle mehr oder weniger empört von dem russischen Überfall auf die Ukraine und dem Kremlchef Putin, der ihn angeordnet hat. Zugleich verabschiedeten sie sich von ihren jeweils zehnprozentigen Beteiligungen an den Baukosten von 9,5 Milliarden Euro, mit denen sie die Gazprom als Alleineigentümer der Pipeline unterstützt hatten, nachdem die ursprünglich geplanten Minderheitsbeteiligungen nicht zustande gekommen waren. Es bleibt ihnen nun nichts anderes übrig, als das in der Ostsee versenkte Geld abzuschreiben. Den Anfang machte am 28. Februar der niederländisch-britische Ölkonzern Shell. Am 2. März folgten Engie in Frankreich und die BASF-Tochter Wintershall Dea in Deutschland, am 5. März die OMV in Österreich und am 7. März auch die einstige E.ON-Töchter Uniper, die mittlerweile dem finnischen Fortum-Konzern gehört.