Dezember 2011

111219

ENERGIE-CHRONIK


Personalia

Jochen Homann (56) wird neuer Chef der Bundesnetzagentur. Der bisherige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium löst Anfang März Matthias Kurth ab, der die Behörde seit Februar 2001 leitet und seinen Vertrag 2007 verlängert bekommen hatte, nachdem er wider Erwarten nicht zum Generalsekretär der Internationalen Fernmeldeunion in Genf gewählt wurde (061120). Die Behörde war ursprünglich nur für Post und Telekommunikation zuständig. Erst seit 2005 überwacht sie als "Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen" auch die Netze der Energiewirtschaft (050701). Kurths zehnjährige Amtsführung wird allseits gelobt. Er wäre auch zu einer nochmaligen Vertragsverlängerung bereit gewesen. Als Mitglied der SPD paßte er aber nicht ins Raster der schwarz-gelben Koalition. Die Suche nach einem Nachfolger mit dem richtigen Parteibuch gestaltete sich mühsam. Zunächst war man auf dem CSU-Familienpolitiker Johannes Singhammer verfallen, weil der einmal dem Beirat der Regulierungsbehörde vorgesessen hatte. Singhammer fiel dann doch wegen mangelnder Fachkenntnis durch. Ähnlich verhielt es sich bei der ehemaligen baden-württembergischen Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) und dem Abteilungsleiter Gerold Reichle (CSU) aus dem Bundesverkehrsministerium. Bei Reichle kam entscheidend hinzu, daß seine Frau als Juristin ausgerechnet bei der Telekom arbeitet, die ihr Gemahl zu überwachen gehabt hätte. Außerdem reklamierte inzwischen die FDP den Posten für sich, da die Bundesnetzagentur zum Zuständigkeitsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums gehört. So bekam auf Vorschlag von FDP-Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler dessen Staatssekretär Homann das Amt, der bisher im Ministerium für Energiepolitik und Außenwirtschaft zuständig ist. Homann besitzt kein Parteibuch. Er wurde aber 2008 vom damaligen CSU-Bundeswirtschaftsminister Glos zum Staatssekretär ernannt. Zugleich ist dem ehemaligen Redenschreiber der FDP-Wirtschaftsminister Martin Bangemann und Helmut Hausmann auch der Koalitionspartner nicht fremd. Außerdem soll er – man höre und staune – sogar die notwendigen fachlichen Voraussetzungen für das neue Amt mitbringen.

Neuer Vize-Präsident der Bundesnetzagentur wird Peter Franke (57), bisher leitender Ministerialrat im nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium. Der SPD-Mann löst Johannes Kindler ab, der auf CDU-Ticket zu seinem Amt kam. Der Parteiproporz an der Spitze der Behörde wird also peinlich eingehalten, aber entsprechend den parlamentarischen Mehrheitsverhältnissen umgedreht.

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Bernd Pfaffenbach (65), beamteter Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, der mit dem "Verdienstkreuz 1. Klasse" im Mai 2011 in den Ruhestand verabschiedet wurde, mehrt jetzt seine Verdienste als Berater der Großbank JP Chase Morgan. Als "Senior Advisor" wird er der US-Bank vor allem beim Geschäft in Deutschland und Europa behilflich sein. Eigentlich hätte er das Zubrot mit seiner üppigen Pension nicht nötig. Es wird wohl "Leistung aus Leidenschaft" sein, die ihn antreibt, auch wenn diese hübsche Umschreibung für Geldgier nicht von JP Chase Morgan, sondern von der Deutschen Bank stammt. Ein "Gschmäckle", wie man neuerdings sagt, hat es jedenfalls, wenn einer der wichtigsten Wirtschaftsberater der Bundesregierungen von Schröder bis Merkel nun in den Dienst einer US-Bank wechselt. Pfaffenbach war unter anderem für die Vergabe von Hermes-Krediten zuständig. In den letzten Tagen der abgewählten Schröder-Regierung genehmigte er 2006 die Milliarden-Bürgschaft für Gazprom, von der Schröder angeblich überhaupt nichts gewußt hat, obwohl er kurz darauf als Gazprom-Angestellter den Aufsichtsratsvorsitz der Ostsee-Pipeline übernahm (060406). Beim Festakt zur Eröffnung der Bauarbeiten an der Pipeline repräsentierte Pfaffenbach 2010 die 2,8-Milliarden-Bürgschaft, die inzwischen von der schwarz-gelben Bundesregierung nachgeschoben worden war (100405).

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Gerhard Schröder (67) hat sich aus dem Aufsichtsrat des russisch-britischen Ölkonzerns TNK-BP zurückgezogen, in dem er seit knapp drei Jahren saß (090212). Dem ehemaligen Bundeskanzler und heutigen Gazprom-Angestellten wurde die Sache nun doch zu brenzlig. Die ehrenwerte Gesellschaft um den Oligarchen Michail Friedman will sich nämlich mit der Verhinderung des Bündnisses zwischen BP und Rosneft nicht begnügen (110310). Sie plant zusätzlich eine milliardenschwere Schadenersatzklage gegen BP. Vor russischen Gerichten dürfte sie damit Erfolg haben, sofern sie einen bescheidenen Teil der Summe auf die richtigen Konten leitet. Schröder erklärte seinen Rücktritt, nachdem das Thema in einer Aufsichtsratssitzung am 9. Dezember zur Sprache gekommen war.

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Matthias Warnig (56) sitzt neuerdings auch im Aufsichtsrat des russischen staatlichen Erdölförderers Rosneft, der vor kurzem mit dem US-Energiekonzern Exxon eine strategische Partnerschaft zur Erschließung der Öl- und Gasvorkommen im Nordpolarmeer geschlossen hat (110813). Vermutlich verdankt er den Posten seinen guten Beziehungen zum Kreml-Herrscher Putin. Beide waren einst im Agentengeschäft tätig: Putin für den sowjetischen KGB und Warnke für "Horch und Guck", wie das Ministerium für Staatssicherheit im DDR-Volksmund genannt wurde (eine andere Version hieß "Horch und Greif"). Der ehemalige Stasi-Major will Putin allerdings erst später in Rußland kennengelernt haben. Die Akten zu seiner DDR-Vergangenheit sind nur noch fragmentarisch erhalten. Immerhin weiß man aber, daß er von 1986 bis 1989 unter dem Decknamen Arthur in der DDR-Handelsmission in Düsseldorf tätig war und nach seiner Rückkehr in die DDR von Stasi-Chef Mielke eine Medaille erhielt. Im Hauptberuf ist Warnig seit 2006 Geschäftsführer der Nord Stream AG, die im November den ersten Strang ihrer Ostsee-Pipeline in Betrieb nahm (111101). Laut FAZ (14.9.) sitzt er auch in den Gremien des russischen Pipelinebetreibers Transneft, der Staatsbank VTB und der Bank Rossija. Ferner ist er Verwaltungsratspräsident des Erdgashandelsunternehmens Gazprom Schweiz.

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Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg (40) strebt mit aller Macht zurück in die Politik, obwohl er eben erst als akademischer Hochstapler entlarvt und mit Schimpf und Schande aus dem Ministeramt gejagt wurde (110514). Nur wenige Monate nach dem erzwungenen Rücktritt präsentierte er jetzt mit Hilfe des "Zeit"-Chefredakteurs Giovanni di Lorenzo ein Buch mit dem nur scheinbar reumütigen Titel "Vorerst gescheitert". Das Wochenblatt bezog dafür von seinen Lesern, die zum großen Teil dem akademischen Milieu angehören und nicht mit Plagiatoren verwechselt werden wollen, eine anständige Tracht Prügel, die auch beim Chefredakteur ein dickes blaues Auge hinterlassen haben dürfte. Guttenbergs PR-Offensive geriet nach kurzen Anfangserfolgen ebenfalls ins Stocken. Am Ende waren sich so gut wie alle Medien und Parteien darin einig, daß er die gebotene Schamfrist um gefühlte hundert Jahre verkürzt habe.

Als Retterin in der Not tauchte jedoch die EU-Kommissarin Neelie Kroes (70) auf, die ebenfalls unter Bedeutungsverlust leidet, seitdem sie die Zuständigkeit für Wettbewerbsfragen abgeben mußte und nur noch das Ressort "Digitale Agenda" betreuen darf (091113). Die Niederländerin erbarmte sich des Bruchpiloten und ernannte ihn am 12. Dezember zu ihrem Berater in Fragen des Internets. Vor allem soll Guttenberg sachkundigen Rat liefern, "wie Internetznutzer, Blogger und Cyberaktivisten in autoritär regierten Ländern auf Dauer unterstützt werden können". Kroes hält Guttenberg anscheinend deshalb für besonders qualifiziert, weil er mittels "copy & paste" seine Doktorarbeit erfolgreich aus dem Internet zusammengestoppelt hat. Die erschreckende Inkompetenz mancher EU-Kommissare, wie sie Günther Oettinger auf dem Gebiet der Energie demonstrierte (101217), wurde damit ein weiteres Mal unterstrichen.

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Christine Scheel (54) verzichtet Anfang des neuen Jahres auf ihr Bundestagsmandat und rückt in den Vorstand des Darmstädter Energieversorgers HSE ein. Die Grünen-Politikerin vollzieht damit einen ähnlichen Wechsel in die Energiewirtschaft wie ihre Parteifreundinnen Gunda Röstel (110615) und Margareta Wolf (080715). Eingefädelt haben soll die Sache der frühere grüne Spitzenpolitiker Rezzo Schlauch, der auch schon mal im Beirat der Energie Baden-Württemberg (EnBW) saß, als diese noch keinen grün-roten Großaktionär hatte und voll auf Atomstrom setzte. Die Darmstädter Grünen, die im Rathaus zusammen mit der CDU regieren, hielten dagegen die frühere Vorsitzende des Bundestags-Finanzausschusses für nicht hinreichend qualifiziert. Vor allem der grüne Oberbürgermeister Jochen Partsch wollte die Parteifreundin keinesfalls an der Spitze der HSE wissen, um jeden Eindruck grüner Vetternwirtschaft zu vermeiden. Seltsamerweise sprach sich der HSE-Aufsichtsrat dann aber doch für die Vergabe des Vorstandspostens an Scheel aus. Die HSE befindet sich größtenteils in kommunalem Besitz: 53 Prozent gehören der Stadt Darmstadt und 7 Prozent anderen Landkreisen und Gemeinden aus Südhessen. Die restlichen 40 Prozent gehören noch E.ON (030912), weil sie beim Verkauf der E.ON-Tochter Thüga zu den vier Beteiligungen gehörten, die separat veräußert werden sollten (090801). Die Stadt Darmstadt verfügt jedoch über ein Vorkaufsrecht und hat bereits grundsätzlich beschlossen, davon Gebrauch zu machen.

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Günther Boekhoff (73) will sein Amt als Aufsichtsratsvorsitzender der EWE schon in der "zweiten Jahreshälfte 2012" aufgeben, obwohl sein Mandat bis Frühjahr 2013 läuft. Er begründete dies mit dem Ausgang der niedersächsischen Kommunalwahlen, die zu Neubesetzungen diverser Posten im EWE-Verband führe. Der Energieversorger gehört zu 74 Prozent Städten und Landkreisen, die ihre Vertreter in die EWE-Verbandsversammlung entsenden. Dadurch wird auch im Aufsichtsrat die Arbeitgeberbank nach Parteiproporz besetzt, soweit es sich nicht um die Sitze handelt, die der EnBW als Anteilseigner von 26 Prozent zustehen. Beispielsweise gehört Boekhoff der SPD an, sein Stellvertreter Martin Döscher der CDU. Der vorzeitige Abgang dürfte allerdings auch damit zu tun haben, daß Boekhoff in den jüngsten Affären keine gute Figur gemacht hat. So verschwieg er eine Geldbuße von 400.000 Euro, zu der die EWE wegen Bestechung eines Bürgermeisters verurteilt wurde (111115). Bescheid wußte lediglich das Präsidium des Aufsichtsrats, zu dem außer ihm noch Döscher und EnBW-Chef Hans-Peter Villis gehören.

Die EWE-Verbandsversammlung wählte am 16. Dezember den SPD-Politiker Heiner Grotheer zum neuen Vorsitzenden. Er löst den niedersächsischen CDU-Fraktionsvorsitzenden Björn Thümler ab. Der CDU-Landrat Hans Eveslage wurde einstimmig als Verbandsgeschäftsführer bestätigt.