Juni 2011 |
110615 |
ENERGIE-CHRONIK |
Günther Cramer (58) wurde von der baden-württembergischen Landesregierung zum neuen Aufsichtsratsmitglied der Energie Baden-Württemberg (EnBW) nominiert. Der Aufsichtsratsvorsitzende des Solarunternehmens SMA und Präsident des Bundesverbands Solarwirtschaft komplettiert die Liste der vier neuen Regierungsvertreter im Aufsichtsrat, in dem der Landesregierung insgesamt fünf Sitze zustehen. Von der alten Besetzung (110208) darf nur Voith-Chef Hubert Lienhard bleiben. Anstelle der früheren Minister Helmut Rau (CDU) und Ulrich Goll (FDP) werden der SPD-Landesvorsitzende Nils Schmidt und die grüne Staatsministerin Silke Krebs bei der nächsten Hauptversammlung in den Aufsichtsrat einziehen. Bereits gewählt wurde im April die frühere Grünen-Vorstandssprecherin Gunda Röstel, die wegen ihres Wechsels zur E.ON-Tochter Gelsenwasser (000906) bei den Parteifreunden eine Zeitlang arg in Verschiß war und sogar in Bundestagsdebatten parteiübergreifend als Beispiel für Opportunismus zitiert wurde (030404, 060203). Röstel ist heute Geschäftsführerin der Stadtentwässerung Dresden, die Gelsenwasser gehört. Sie ersetzt den "Wirtschaftsweisen" Wolfgang Franz, während Cramer für den Heidelberger Mittelständler Rainer Dulger nachrückt.
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Rainer Kofler (54), der sich neuerdings mit mehr und weniger Erfolg als Energieeffizienz-Unternehmer betätigt (110210), wird von seiner Vergangenheit als Pay-TV-Manager eingeholt. Die war offenbar doch nicht so glorios, wie es den Anschein hatte, als er den Bezahlsender "Premiere" vor der Pleite bewahrte und sogar erfolgreich an die Börse führte. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt nun jedenfalls gegen ihn und zwei andere Manager der Firma Sky (früher Premiere), weil die Abonnentenzahlen des Senders systematisch geschönt und so die Aktionäre getäuscht worden seien. Als das Unternehmen 2008 in die Hände des Medienmoguls Rupert Murdoch geriet, soll die aus mehr als vier Millionen Abonnenten bestehende Kundenkartei nach eingehender Prüfung auf 2,4 Millionen geschrumpft sein. Die Staatsanwaltschaft, die jetzt mehr als zwanzig Wohnungen und Büros durchsuchte, ermittelt deshalb bereits seit 2008. Kofler gibt sich indessen weiterhin gelassen, weist die Vorwürfe als "haltlos" zurück und beteuert, daß zu seiner Amtszeit "stets korrekt berichtet" worden sei.
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Lars G. Nordström (66) wurde von der schwedischen Regierung zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden des staatlichen Energiekonzerns Vattenfall ernannt. Er folgt auf Lars Westerberg, der im März diesen Posten abgeben mußte, weil er Spitzenmanagern zu hohe Gehälter und Abfindungen gezahlt hatte. Zu den Profiteuren gehörte der frühere Vorstandsvorsitzende Lars G. Josefsson, der allein 2008 zwölf Millionen schwedische Kronen Gehalt erhielt und zusätzlich mit anderen Führungskräften insgesamt 5,7 Millionen Kronen an Bonuszahlungen kassierte (090418). Äußerst üppige Abfindungen erhielten auch drei ehemalige Manager der deutschen Tochter Vattenfall Europe. Nach einem Bericht der Zeitung "Sydsvenskan" (3.4.) wurde Hans-Jürgen Cramer der Abschied vom Amt des Vorstandsvorsitzenden (071122) nach nur fünf Monaten mit 2,3 Millionen Euro versüßt. Sein Vorgänger Klaus Rauscher bekam 5,5 Millionen Euro, als er seinen Posten wegen der Pannen in Brunsbüttel und Krümmel abgeben mußte (070701). Der frühere Finanzvorstand Hans-Jürgen Meyer kassierte nach zwei Jahren im Amt zusätzlich zu Gehalt und Bonus 2,4 Millionen Euro. Die Berliner Vattenfall-Manager bekamen im Durchschnitt sogar deutlich mehr als ihre schwedischen Kollegen. Vattenfall begründete dies damit, daß dies der deutschen Praxis entspreche...
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Anne Lauvergeon (51) verzichtet dagegen auf die millionenschwere Abfindung, die ihr der französische Präsident Nicolas Sarkozy als Trostpflaster zukommen lassen wollte. Das ist für sie wohl eine Frage der Selbstachtung, denn am 16. Juni hat Sarkozy entschieden, den Vertrag der Areva-Chefin nicht zu verlängern, obwohl sie selber durchaus weitermachen wollte und das Management wie eine Eins hinter ihr stand. Aber seit dem Streit mit EDF-Chef Proglio (100112) ist Lauvergeon bei Sarkozy nun mal in Ungnade gefallen. Vergebens blieb auch ein Appell von 17 der 19 Mitglieder des Areva-Exekutivkomitees, der Anne Lauvergeon als die einzige Person bezeichnete, die aufgrund ihrer Kompetenz und sonstigen Qualitäten in der Lage sei, den französischen Nuklearkonzern in die Zukunft zu führen. Neuer Areva-Chef wird nun Lauvergeons bisheriger Stellvertreter Luc Oursel.
Der Vorgang ist wieder mal typisch für die verkrusteten, mitunter fast byzantinisch anmutenden politischen und wirtschaftlichen Strukturen des Nachbarlandes, die üblicherweise in der Personal- und Geschäftspolitik der Electricité de France (EDF) besonders hervortreten (091017). Einem Bericht der Wirtschafts-Webseite www.challenges.fr zufolge hat Sarkozy der gefeuerten Managerin am 20. Juni bei einem Gespräch im Elysée die Abfindung von zwei Jahresgehältern angeboten. Anne Lauvergeon, die im vergangenen Jahr insgesamt 1,07 Millionen Euro verdiente, habe jedoch abgelehnt. Derselben Quelle zufolge hat der jetzt zum neuen Areva-Chef ernannte Stellvertreter Luc Oursel zuletzt insgesamt 603.132 Euro verdient. Nun darf sich Oursel gewiß über eine kräftige Gehaltserhöhung freuen. Dennoch zeigen die genannten Zahlen, daß die staatlich besoldeten französischen Raffkes geradezu hochanständige Waisenknaben sind, wenn man ihre Einkünfte mit den exorbitanten Bezügen deutscher Energiemanager vergleicht.
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Vladimir V. Kotenev (45) ist seinen neuen Job als Hauptgeschäftsführer der Gazprom Germania (100716) schon wieder los. Der frühere russische Botschafter in Berlin, der schon mal so nette Werbegeschenke wie das "Kreuz des Ordens des Heiligen Nikolaus" verteilte (050712), sollte der deutschen Tochter des Kreml-gelenkten Gaskonzerns ein freundlicheres Gesicht verleihen. Das haben aber bisher sogar die Spieler von Schalke 04 nicht geschafft, die seit fünf Jahren für mehr als hundert Millionen Euro als fußballtretende Reklameträger für Gazprom durch die Stadien hetzen (070113). Kotenev besaß außerdem nicht denselben Sachverstand wie sein Vorgänger Hans-Joachim Gornig, den Gazprom aus der Konkursmasse der ehemaligen DDR günstig erwerben konnte. Just an Christi Himmelfahrt wurde er vom stellvertretenden Gazprom-Chef Alexander Medwedew zum Rapport bestellt und anschließend mit Wirkung vom Vortag zur Hölle geschickt. Immerhin verschwand er nicht in der Lubjanka, wie das zu Sowjetzeiten mal üblich war. Insoweit gibt es eben doch Fortschritte in Rußland.