Juli 2022

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ENERGIE-CHRONIK



Ab dem zweiten Halbjahr 2021 schossen die Preise für Erdgas und Heizöl in schwindelerregende Höhen. Die relativ teure Fernwärme wurde dadurch eindeutig vorteilhafter, obwohl sich auch die Fernwärme-Kunden auf eine weitere Verteuerung durch Weitergabe gestiegener Kosten gefasst machen müssen. Preislich am günstigsten war aber schon immer die Erzeugung von Raumwärme mit Braunkohle-Brikettts. Hier fällt auf, dass die langjährig stabile und tendenziell leicht sinkende Preiskurve schon im Frühjahr 2022 von einem deutlichen Anstieg abgelöst wurde, der nicht nur inflationsbedingt sein konnte. Hauptursache waren offenbar die nun einsetzenden Hamsterkäufe, mit denen sich zahllose Haushalte für den Notfall eine billigere Wärmequelle als Gas, Öl oder Strom zu sichern versuchen. Dieser Preisanstieg hat sich auch im Juli fortgesetzt und so den erhofften Einspareffekt wieder teilweise zunichte gemacht.

Run auf elektrische Heizgeräte und Briketts

Die Angst vor exorbitant hohen Gasrechnungen oder gar einem Zusammenbruch der Gasversorgung im kommenden Winter hat viele deutsche Haushalte veranlasst, sich schon im Sommer um alternative Heizungsmöglichkeiten zu bemühen. Ähnliches gilt mit Blick auf die Heizölrechnungen, die sich fast verdoppelt haben. Bei Baumärkten und anderen einschlägigen Geschäften hat deshalb geradezu ein Run auf elektrische Heizgeräte eingesetzt. Neben Ölradiatoren gehen auch Heizlüfter oder Heizstrahler weg wie warme Semmeln, sofern sie nicht schon ausverkauft sind. Ähnlich sieht es bei Braunkohle-Briketts aus, mit denen im Osten noch immer viele Wohnungen beheizt werden und die auch in den neuerdings sehr beliebt gewordenen Kaminöfen für zusätzliche Wärme sorgen können.

Wird nun auch in Deutschland das Stromnetz überfordert?

In Frankreich geht regelmäßig die Stromversorgung in die Knie, wenn im Winter vor allem im Süden des Landes unzählige Verbraucher ihre elektrischen Heizgeräte einschalten, weil sie in der Regel gar keine andere Möglichkeit zur Beheizung der Wohnungen haben (091202, 101207, 161108). Das verhindern auch mehr als ein halbes Hundert Kernkraftwerke nicht. Wird ähnliches nun auch in Deutschland passieren? – Diese Befürchtung ist verständlich. Sie übersieht aber gleich mehrere Faktoren. Dazu gehört beispielsweise, dass dieses Winterproblem zum Teil auch mit der mangelnden Flexibilität und hohen Störanfälligkeit des französischen Nuklearparks zu tun hat. Sie übersieht ferner, dass der Betrieb eines Heizgeräts an der Steckdose in Deutschland noch immer mehr als doppelt soviel kostet wie in Frankreich, obwohl auch dort der Strompreis kräftig gestiegen ist. Vor allem ignoriert sie, dass derartige Heizgeräte allenfalls eine Notlösung bei einem Totalausfall sein können. Trotz der hohen Gaspreise lohnt es sich nämlich nicht, die Ventile an den Heizkörpern zuzudrehen, um ersatzweise dieselbe Wärmemenge mit elektrischen Heizgeräten zu erzeugen.

Wer Gas durch Strom aus der Steckdose ersetzt, muss mit doppelt so hohen Kosten rechnen

Zu diesem Ergebnis gelangte im Juli auch der Tarifvergleicher Verivox, als er den durchschnittlichen Energieverbrauch zur Beheizung von Wohnflächen, den das Statistische Bundesamt für das Jahr 2019 mit 138,5 Kilowattstunden pro Quadratmeter veranschlagte, jeweils für Gas und Strom auf die duchschnittliche Wohnungsgröße von 92 Quadratmetern bzw. einen Bedarf von 12.742 Kilowattstunden hochrechnete. Zugrundegelegt wurden ein Gaspreis von 16 Cent und ein Strompreis von 38,53 Cent pro Kilowattstunde. Bei Gas ergaben sich so jährliche Gesamtkosten von 2.039 Euro und bei Strom von 4.909 Euro.

"Der Gaspreis müsste sich mehr als verdoppeln, damit die Kosten für Ölradiator und Gas in etwa gleich hoch wären", lautete das Fazit von Verivox. "Gleichzeitig dürfte der Strompreis nicht weiter ansteigen, damit die Rechnung aufgeht. Wer ein Zimmer ohne Heizung sporadisch erwärmen oder einen Lieferengpass überbrücken will, für den kann ein Ölradiator eine praktische Lösung sein. Im Dauerbetrieb als Ersatz für eine Gasheizung ist das jedoch unwirtschaftlich."

Bei Briketts ist der Preisvorteil wegen der enormen Nachfrage bereits geringer geworden

Dagegen würden sich die Brennstoffkosten für dieselbe Wärmemenge bei der Umstellung von Gasheizung auf Braunkohle-Briketts verringern (was natürlich voraussetzt, dass die erforderlichen Öfen und Kamine vorhanden sind). Die bereits erwähnten Jahreskosten für eine Durchschnittswohnung mit einem Verbrauch von 12.742 Kilowattstunden sinken von 2.039 Euro auf 765 Euro, wenn beim Gas ein Preis von 16 Cent/kWh und bei Braunkohle-Briketts von 6 Cent/kWh zugrundegelegt wird, wie ihn die obenstehende Grafik noch für Juni 2022 anzeigt. Die Ersparnis beliefe sich also auf über 60 Prozent.

Ähnlich sähe das Ergebnis aus, wenn es um die Ersetzung von Heizöl geht: Ein Kilo Briketts hat zwar mit 5,28 kWh nur geringfügig mehr als den halben Heizwert von einem Liter Heizöl (10,08 kWh), ist aber deutlich preisgünstiger. Um den Heizwert von 1000 Litern Heizöl zu ersetzen, die Ende Juli rund 1500 Euro kosteten, wären demnach knapp 2000 Kilo Briketts erforderlich. Das sind knapp 200 der handelsüblichen 10-Kilo-Packungen, die bisher in Baumärkten schon unter drei Euro zu haben waren. Die Brennstoffkosten würden in diesem Fall also um mehr als die Hälfte von 1500 auf weniger als 600 Euro sinken. Das ergäbe ebenfalls eine Ersparnis von 60 Prozent.

Aber leider hat die enorme Nachfrage auch bei den Briketts zu einer erheblichen Verteuerung geführt. Ende Juli kosteten die Zehn-Kilo-Packs bereits zwischen 3,80 und 5,50 Euro, wobei sie meistens gar nicht verfügbar waren. Die Ersparnis gegenüber demselben Heizwert von Gas oder Öl reduzierte sich dadurch auf die Hälfte bis zu einem Drittel. Der Hersteller "Rekord" bot auf seiner Internetseite 90 Zehn-Kilo-Packs an, die zum Preis von 549 Euro auf einer Palette frei Haus geliefert werden sollten. Das war gut der doppelte Preis, den das Zehn-Kilo-Pack noch vor kurzem im Baumarkt kostete. Zudem hatte auch dieses Angebot direkt vom Hersteller noch einen Haken: "Artikel aktuell leider nicht verfügbar."

RWE beendet die Herstellung von "Union"-Briketts

Momentan werden Braunkohle-Briketts in Deutschland noch im Lausitzer Braunkohle-Revier von der LEAG und im rheinischen Revier von der RWE-Tochter Rheinbraun hergestellt. Steinkohle-Briketts – auch als "Eierkohle" bezeichnet – gibt es ebenfalls noch im Handel, müssen aber seit der Einstellung des deutschen Steinkohlebergbaues (120713) aus dem Ausland bezogen werden. Die ostdeutschen Briketts werden seit 1961 unter der Marke "Rekord" vertrieben, die westdeutschen schon seit 1904 unter der Marke "Union" (und zwar deshalb, weil damals mehrere unterschiedliche Hersteller-Marken in einem gemeinsamen Vertrieb zusammengefasst wurden). Rheinbraun will im Zug des Kohleausstiegs die Herstellung der "Union"-Briketts zum Ende dieses Jahres einstellen und warnt auf seiner Internet-Seite: "Auf Grund der aktuellen Marktlage kann es im Handel aber bereits jetzt zu Engpässen kommen."

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