September 2022 |
220909 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der ostdeutsche Gasversorger VNG hat am 9. September bei der Bundesregierung Antrag auf Stabilisierungsmaßnahmen nach § 29 des Energiesicherungsgesetzes gestellt. Das in Leipzig ansässige Tochteruntenehmen der Energie Baden-Württemberg begründete diesen Schritt mit den nicht erfüllten Lieferverpflichtungen von Vorlieferanten. Um die Kunden weiter zu den vertraglich vereinbarten und deutlich niedrigeren Preisen verlässlich beliefern zu können, habe man die ausgefallenen Gasmengen zu erheblich höheren Preisen an den Energiemärkten beschaffen müssen. Der bereits gestellte Antrag zur Einbeziehung in die "Gasumlage" (220805) reiche nicht aus, um weiteren Schaden von dem Unternehmen abzuwenden. Deshalb sehe man sich gezwungen, zusätzliche Hilfsmaßnahmen zu beantragen.
Da die Gasumlage inzwischen gestrichen wurde (220904), werden nun nicht nur VNG, sondern alle anderen systemwichtigen Importeure mit mangelnder finanzieller Absicherung auf staatliche Hilfen oder sogar eine Verstaatlichung angewiesen sein. Letzteres gilt besonders für die SEFE mit ihrer Tochter WIEH, die als Nachfolgerin der Gazprom Germania sowieso schon unter Treuhandverwaltung steht, vielleicht aber auch für VNG. Dem Eckpunktepapier, mit dem die Bundesregierung am 29. September das Nichtinkrafttreten der Gasumlage bzw. der "saldierten Preisanpassung" bekanntgab, lässt sich dazu nichts näheres entnehmen. Es werden lediglich "die Ersatzbeschaffungskosten für aufgrund des Krieges in Schwierigkeiten geratene und für die Marktstabilität relevante Gasimporteure" als eine der zu lösenden Aufgaben erwähnt. Ferner heißt es, dass für die besonders betroffenen Unternehmen SEFE, Uniper und VNG "maßgeschneiderte Lösungen entwickelt" würden.
Bis zum Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sei VNG eine "kerngesunde Unternehmensgruppe" gewesen, hieß es in einer Mitteilung der VNG. Die Auswirkungen dieses Krieges hätten sie dann "unverschuldet in eine zunehmend kritischere Finanzsituation gebracht". Das liege an zwei Verträgen über russische Gaslieferungen, die nicht eingehalten wurden, während die VNG ihre Lieferverpflichtungen gegenüber den Kunden erfüllen musste. Der kleinere davon sei ein "Direktvertrag" mit Gazprom Export über 35 Terawattstunden, der zum Jahresende ausläuft. Trotz der ab 1. Oktober durch die Gasumlage bewirkte Entlastung werde dieser Vertrag bis zum Jahresende Verluste von rund einer Milliarde Euro bescheren. Diese würde VNG "als direkter Importeur aus eigener Kraft und gemeinsam mit weiteren Stabilisierungsmaßnahmen ihrer Anteilseigner tragen können".
Nicht mehr tragbar sei aber die größere Belastung aus einem Vertrag über die Lieferung von 65 Terawattstunden. Dieser bestehe "mit einem inländischen Vorlieferanten, der Importeur der entsprechenden Gasmengen ist". Dieser Vertrag werde "seit Mitte Mai nicht mehr durchgängig bedient". Im August habe VNG die Kosten der Ersatzbeschaffung "bei historisch hohen Gaspreisen anders als zuvor erwartet zu erheblichen Teilen tragen müssen". Mit Unterstützung der Bundesregierung sei in den vergangenen Wochen nach Möglichkeiten gesucht worden, eine abschließende Einigung herbeizuführen. Aus Sicht der VNG sei aber die daraus für sie entstehende finanzielle Belastung nicht tragbar.
Mit dem nebulös umschriebenen "inländischen Vorlieferanten" war natürlich die einstige Gazprom Germania gemeint, von der die VNG den größten Teil ihrer Gaslieferungen bezog. Diese westeuropäische Tochter des russischen Staatskonzerns wurde am 4. April treuhänderisch der Bundesnetzagentur unterstellt (220403), am 20. Juni in SEFE GmbH umbenannt (220608 ) und von der Bundesregierung mit Milliarden gestützt. Anscheinend hat sie im August dem Vertragspartner VNG ihre eigenen Kosten für die Ersatzbeschaffung ohne größere Nachlässe in Rechnung gestellt. Der Antrag der VNG auf Staatshilfe wäre demnach als Druckmittel zu sehen, weil der Staat nicht bereit war, sie über stark subventionierte Preise des von ihm kontrollierten Vorlieferanten SEFE zu entlasten.