August 2022

220805

ENERGIE-CHRONIK


Zwölf Importeure haben Anspruch auf insgesamt 34 Milliarden Euro für die Ersatzbeschaffung von Gas

Bisher haben zwölf Importeure die zusätzlichen Kosten geltend gemacht, die ihnen vom 1. Oktober 2022 bis zum 1. April 2024 voraussichtlich für die Ersatzbeschaffung von Gas entstehen, weil Russland seine vertraglichen Lieferverpflichtungen nicht erfüllt. Wie die Trading Hub Europe GmbH (THE) am 15. August mitteilte, addieren sich diese Mehrkosten zu insgesamt 34 Milliarden Euro, die gemäß § 26 des Energiesicherheitsgesetzes über eine "saldierte Preisanpassung" in Höhe von 2,419 Cent pro Kilowattstunde auf die Gesamtheit der Gasverbraucher umgelegt werden (siehe 220804). Zur Höhe der einzelnen Ansprüche machte das Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Gasnetzbetreiber keine Angaben. Zunächst wurden sogar die Namen der Unternehmen als Geschäftsgeheimnis behandelt. Es gilt aber als sicher, dass mehr als die Hälfte oder sogar zwei Drittel der Gesamtsumme auf den Gasimporteur Uniper entfallen, dem die Bundesregierung bereits einen Kredit von bis zu 15 Milliarden eingeräumt hat, um ihn vor der Insolvenz zu bewahren (220702).

Die Namen der anspruchsberechtigten Importeure blieben zunächst geheim

Es ist typisch für die noch immer fehlende Transparenz in diesem Bereich, dass THE, Bundesnetzagentur und Bundeswirtschaftsministerium zwar genau wissen, wer die Importeure sind und welche Beträge sie im einzelnen geltend machen, dazu aber zunächst keine Auskünfte geben wollten. Bei der Bundesnetzagentur, der die Aufsicht über das Gemeinschaftsunternehmen THE obliegt, verschanzte sich der Pressesprecher auf Anfrage der ENERGIE-CHRONIK hinter der Behauptung: "Entsprechende Daten werden von der Bundesnetzagentur nicht erhoben." - Da fragte man sich dann schon, wie diese Behörde eigentlich die THE beaufsichtigen will, wenn sie nicht einmal über fundamentale Daten verfügt. Dem ZDF-Fernsehen erging es ähnlich, als es bei THE, Bundesnetzagentur und Bundeswirtschaftsministerium nähere Auskünfte zu den Importeuren haben wollte.

Es dauerte bis 22. August, ehe die THE eine FAQ-Mitteilung veröffentlichte, in deren Rahmen sie dann beiläufig wenigstens die Namen der zwölf Gasimporteure nannte. Die Verzögerung war anscheinend darauf zurückzuführen, dass man es im Bundeswirtschaftsministerium für notwendig hielt, erst die Zustimmung der Betroffenen einzuholen. Im einzelnen handelt es sich - in alphabetischer Reihenfolge - um folgende Unternehmen:

AXPO Solutions AG
DXT Commodities SA
EWE Trading GmbH
ENET Energy SA
Gunvor Group Ltd
RWE Supply & Trading GmbH
OMV Gas Marketing & Trading Deutschland GmbH
SEFE Marketing & Trading Ltd
Uniper SE
Vitol SA
VNG Handel & Vertrieb GmbH
WIEH GmbH

Die Gasumlage kommt mit großem Abstand vor allem Uniper zugute

Bei gut der Hälfte der genannten Unternehmen überraschte es nicht, sie auf der Liste zu finden. Die anderen dürften als Handelsunternehmen mit Hauptsitz im Ausland nur Insidern der Gasbranche bekannt sein. Vor allem war klar, dass Uniper mit Abstand den dicksten Brocken darstellen würde. Bei der bundeseigenen SEFE als Nachfolgerin der Gazprom-Germania (220608) sowie deren Tochter WIEH war ebenfalls zu erwarten, dass die Herauslösung aus ihrer einstigen Einbettung in die russische Gasstrategie die deutschen Verbraucher noch viel Geld kosten würde. Dem "Handelsblatt" (24.8.) zufolge entfallen "dem Vernehmen nach" allein auf Uniper, SEFE und WIEH neunzig Prozent der Gesamtkosten von 34 Milliarden Euro. Laut FAZ (23.8.) sollen dagegen allein schon die EnBW-Tochter VNG und der niedersächsische Kommunalkonzern EWE zusammen 25 Prozent der Umlage beanspruchen. In jedem Fall sieht es so aus, als ob sich die andere Hälfte der Importeure einen vergleichsweise bescheidenen Rest teilen muss, der im Einzelfall freilich eine neun- bis zehnstellige Summe ausmachen kann.

RWE und Shell haben gute Gründe, auf eine Entschädigung zu verzichten

Überraschend war eher, dass auch RWE auf dieser Liste steht und einen der sechs kleineren Anprüche angemeldet hat. Der Konzernchef Markus Krebber hatte nämlich am 11. August erklärt, die Umlage nicht in Anspruch nehmen zu wollen. Auf Nachfrage bekräftigte RWE, diese Verluste selber tragen zu wollen. Es handele sich nur um die formale Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs, von dem kein Gebrauch gemacht werde. Demnach würde RWE mit der Anmeldung des Rechtsanspruchs bloß unterstreichen wollen, dass es sich um ein genauso freiwilliges wie echtes Opfer handelt. Das ist allerdings so wenig überzeugend wie beim Shell-Konzern, der wenig später ebenfalls wissen ließ, dass er auf den Ausgleich für die Ersatzbeschaffung von russischem Gas verzichten werde, diese Verluste aber gar nicht erst bei THE angemeldet hat.

In Wirklichkeit verhält es sich so, dass RWE und Shell gute Gründe haben, nicht als notleidende Unternehmen aufzutreten. Ihre Bilanzen sind geradezu goldgerändert. Soweit sie Verluste als Importeure von russischem Gas erlitten haben, handelt es sich um Peanuts gegenüber den Windfall-Profits, die ihnen die von Putin inszenierte Energiekrise in anderen Bereichen beschert hat. Wenn sie jetzt auch noch die Hand aufgehalten hätten, um sich die vergleichsweise geringen Verluste aus Lieferverträgen mit Russland von den deutschen Verbrauchern erstatten zu lassen, wäre das nur kontraproduktiv gewesen, weil es den Forderungen nach einer Gewinnabschöpfung bei Profiteuren der Energiekrise Auftrieb gegeben hätte. Ihr Verzicht erinnert deshalb an ein ähnliches PR-Manöver des österreichischen Verbund-Konzerns, der seinen Kunden erst eine Preiserhöhung abverlangte und dann zwei Monate Gratis-Strom versprach, um der Forderung nach einer Abschöpfung seiner gaspreisbedingten Zufallsgewinne durch eine Übergewinnsteuer den Wind aus den Segeln zu nehmen (220510). 

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