Januar 2023

230106

ENERGIE-CHRONIK


Einführung von "Smart Metern" wird beschleunigt

Das Bundeskabinett beschloss am 11. Januar einen Gesetzentwurf zur beschleunigten Einführung von fernablesbaren elektronischen Stromzählern, die auch bei Haushaltskunden sowohl den Verbrauch als auch die Leistung erfassen und im Viertelstundentakt bilanzieren können. Das für den Gesetzentwurf verantwortliche Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sprach von einem "Neustart der Digitalisierung der Energiewende" – eine Anspielung auf das mißglückte "Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende", das die Vor-Vorgängerregierung im Juni 2016 vom Bundestag beschließen ließ. Vor allem klappte es anschließend nicht mit dem "Rollout" der "Smart Meter", wie im anglisierenden amtlichen Neusprech die Markteinführung derartiger Zähler bezeichnet wird (siehe Glosse, November 2015).

Es dauerte vier Jahre, bis die Geräte überhaupt verfügbar waren

Nach der Verabschiedung des "Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende", das neben dem "Messstellenbetriebsgesetz" noch 14 Änderungen anderer Gesetze und Verordnungen enthielt (160606), dauerte es zunächst zwei Jahre, ehe das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) im Dezember 2018 das erste "Smart Meter Gateway" zertifizieren konnte (181212). Zwei weitere Jahre vergingen, bis die Behörde die Marktverfügbarkeit solcher sogenannten intelligenten Messsysteme (iMS) gemäß § 30 des Messstellenbetriebsgesetzes per Allgemeinverfügung feststellte (200205). Daraus ergab sich für die "grundzuständigen Messstellenbetreiber" – das sind vor allem Stadtwerke – die Verpflichtung zum Einbau digitaler Zähler bei Niederspannungskunden, soweit diese jährlich zwischen 6.000 und 100.000 Kilowattstunden verbrauchen.

Nach Klage von Stadtwerken entfiel die Einbaupflicht

Nach Ansicht vieler Kritiker verfügten die Geräte aber noch nicht über die erforderliche Marktreife. Ein halbes Hundert Stadtwerke und ein Hersteller solcher Messsysteme klagten im Eilverfahren gegen die Allgemeinverfügung der Behörde. Sie machten geltend, dass die vom BSI zertifizierten und für "marktverfügbar" erklärten intelligenten Messsysteme weit hinter den gesetzlich vorgegebenen technischen Anforderungen zurückbleiben würden. Das Oberverwaltungsgericht Münster stoppte daraufhin im März 2021 die weitere Vollziehung der Allgemeinverfügung (210305).

Vermutlich wäre auch im Hauptsacheverfahren so entschieden worden. Fünf Tage vor der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Köln nahm das BSI jedoch am 20. Mai 2022 seine Verfügung wieder zurück, "um für die beteiligten Akteure nach der Entscheidung des OVG NRW zeitnah Rechtssicherheit wiederherzustellen und die Beschleunigung des Rollouts voranzutreiben". Zugleich bescheinigte die Behörde in einer neuen Allgemeinverfügung vier Herstellern von "Smart Meter Gateways", dass ihre Produkte über gültige Zertifikate nach dem Messstellenbetriebsgesetz verfügten und deren Nutzung "nicht mit unverhältnismäßigen Gefahren verbunden" sei. Damit blieb der Betrieb und Einbau solcher Systeme weiterhin möglich. Eine Einbaupflicht bestand aber nicht mehr.

Ab 2025 müssen alle Stromlieferanten lastvariable Tarife anbieten

Das nunmehr geplante Gesetz, das im Frühjahr in Kraft treten soll, ändert in Artikel 1 zunächst den § 41a im Energiewirtschaftsgesetz, der Stromlieferanten zum Anbieten lastvariabler Tarife verpflichtet, wenn sie mehr als 100.000 Letztverbraucher haben. Ab dem 1. Januar 2025 wird diese Verpflichtung künftig für sämtliche Stromlieferanten gelten, während bisher nur eine Absenkung der Schwelle auf 50.000 Letztverbraucher vorgeschrieben ist.

Erklärter Zweck des Gesetzes ist jetzt die "beschleunigte" Digitalisierung

In Artikel 2 folgen dann zahlreiche Änderungen des geltenden Meßstellenbetriebsgesetzes. In der Einleitung zu § 1, der bisher nur den "Anwendungsbereich" umreißt, wird nun vor allem der Zweck des Gesetzes betont: "Zweck dieses Gesetzes ist die beschleunigte Digitalisierung der Energiewende im Interesse einer nachhaltigen und treibhausgasneutralen Energieversorgung, eines verbesserten, datengestützten Netzbetriebs und einer effizienten und nachhaltigen, datengestützten Netzplanung."

Dabei handelt es sich nicht um reine Rhetorik. In ähnlicher Weise hat die neue Bundesregierung schon im April eine gesetzliche Priorisierung vorgenommen, indem der § 2 EEG seitdem das "überragende öffentliche Interesse" an einem Ausbau der erneuerbaren Energien unterstreicht, was beispielsweise für gerichtliche Auseinandersetzungen um die Errichtung von Windkraftanlagen relevant ist (220409).

"Agiler Rollout" durch vorläufigen Verzicht auf erweiterte Anwendungen

Die wichtigsten Änderungen sind in den neugefassten Paragraphen 29 bis 31 sowie 45 des Meßstellbetriebsgesetzes enthalten. Das bisherige Erfordernis der "technischen Möglichkeit" in Abhängigkeit von einer Marktanalyse und Markterklärung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik entfällt. Stattdessen wird fürs erste ein "agiler Rollout" eingeführt, mit dem die Messstellenbetreiber auch dann beginnen dürfen, wenn die Kommunikationsschnittstellen ("Gateways") zur Fernablesung der "Smart Meter" noch keine zusätzlichen Anwendungen zur Protokollierung, Fernsteuerbarkeit und Übermittlung von Stammdaten ermöglichen. Diese Erweiterungen müssen erst ab 2025 durch ein Update möglich sein.

Ab 2025 wird der Einbau für alle Messstellenbetreiber verpflichtend

Der neugefasste § 45 enthält für die Messstellenbetreiber eine dreistufige Verpflichtung zum Einbau von "Smart Metern" inklusive der kompletten Gateways, die ab 2025 beginnt und bis Jahresende 20 Prozent der Letztverbraucher erfasst haben muss. Bis Ende 2028 müssen die Kunden zu 50 Prozent und bis Ende 2030 zu 95 Prozent mit den Geräten ausgestattet sein. In ähnlicher Weise müssen auch bei Kunden mit einem Jahresverbrauch von mehr als 100.000 Kilowattstunden die bisherigen Zähler bis 2032 zu 95 Prozent durch "Smart Meter" ersetzt sein.

Anschlussnutzer zahlen im Normalfall nur 20 Euro jährlich für Kosten des Messstellenbetriebs

Die den Anschlussnutzern berechneten Kosten des Messstellenbetriebs dürfen im Normalfall höchstens 20 Euro brutto jährlich betragen. Ab 20.000 Kilowattstunden steigt dieser Anteil auf 90 Euro und ab 50.000 Kilowattstunden auf 120 Euro. Für Großverbraucher mit mehr als 100.000 Kilowattstunden wird nur der Anteil des Netzbetreibers mit 80 Euro brutto jährlich festgeschrieben. Den verbleibenden Anteil haben sie zu tragen.

 

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