Juli 2023

230705

ENERGIE-CHRONIK


Verschärfung des Kartellrechts kann in Kraft treten

Der Bundestag beschloss am 6. Juli die elfte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), mit der die Eingriffsmöglichkeiten des Bundeskartellamts so erweitert werden, wie es Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor einem Jahr ankündigte (220605). Dem Kartellamt wird es dadurch möglich, im Anschluss an eine Sektoruntersuchung künftig Störungen des Wettbewerbs effektiv abzustellen. Bisher endeten solche Sektoruntersuchungen lediglich mit einem Bericht, der oft so hilflos und beschönigend wirkte wie zuletzt der Zwischenbericht zur Untersuchung des Preisgebarens der Mineralölbranche (221107). In Zukunft kann das Kartellamt verschiedene Maßnahmen anordnen, um Wettbewerbsstörungen zu beheben und so den Wettbewerb zu beleben. Ferner wird ihm die Abschöpfung der Vorteile erleichtert, die Unternehmen aus Kartellrechtsverstößen erlangt haben. Zugleich werden die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass die Behörde die Europäische Kommission bei der Durchsetzung des Gesetzes für bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor (Digital Markets Act, DMA) unterstützen kann.

Künftig zweistufiges Verfahren bei Sektoruntersuchungen

Störungen des Wettbewerbs, die nicht auf Kartellrechtsverstößen beruhen, konnten bisher vom Kartellamt nicht behoben werden. Dabei spielte es keine Rolle, ob diese Störungen eine Folge der Marktstruktur oder des Verhaltens einzelner Unternehmen waren. Auch das Instrument der Sektoruntersuchung half nicht weiter, da diese lediglich mit einem Bericht endete. Aus diesem Grund existierten Fälle, in denen der Wettbewerb nicht funktionierte, aber das Bundeskartellamt keine Handhabe hatte. Diese Regelungslücke wird nun geschlossen.

Die "effektivierte Sektoruntersuchung" läuft nunmehr zweistufig ab: Zuerst wird die Sektoruntersuchung durchgeführt. Basierend auf Befragungen, Datenerhebungen und -analysen erstellt das Bundeskartellamt seinen Bericht. Dieser soll spätestens 18 Monate nach Beginn des Verfahrens veröffentlicht werden. Anschließend kann das Bundeskartellamt in der zweiten Stufe eine Wettbewerbsstörung feststellen und Abhilfemaßnahmen anordnen, um den Wettbewerb zu beleben. Hierfür hat das Bundeskartellamt wiederum 18 Monate Zeit. Beschwerden der betroffenen Unternehmen gegen eine der Abhilfemaßnahmen oder eine Entflechtungsverfügung haben allerdings aufschiebende Wirkung, Sie müssen also die angeordneten Maßnahmen grundsätzlich nicht umsetzen, solange über ihre Beschwerde durch die Gerichte nicht abschließend entschieden wurde.

Wer gegen Kartellrecht verstößt, muss mit Gewinnabschöpfung von einem Prozent des Umsatzes rechnen

Theoretisch konnte die Behörde schon bisher den Vorteil abschöpfen, der durch einen Kartellrechtsverstoß erzielt wurde. In der Praxis wurde dieses Instrument aber noch nie genutzt, weil die dafür erforderlichen Berechnungen des wirtschaftlichen Vorteils viel zu komplex waren. Diese Hürde wird jetzt gesenkt: Es gilt die Vermutung, dass ein Unternehmen mit dem nachgewiesenen Kartellrechtsverstoß zumindest einen Vorteil in Höhe von einem Prozent seiner Inlandsumsätze erzielt hat. Dabei werden nur die Produkte oder Dienstleistungen berücksichtigt, die mit dem Kartellrechtsverstoß in Zusammenhang stehen.

Die kartellrechtliche Vorteilsabschöpfung ist nicht zu verwechseln mit der Abschöpfung von krisenbedingten Zufallsgewinnen, wie sie mit dem "Strompreisbremsegesetz" vorübergehend eingeführt wurde (221201). Beim Kartellrecht geht es um das Abschöpfen von Vorteilen aus einem nachgewiesenen illegalen Verhalten, bei der Abschöpfung von Zufallsgewinnen um eine wirtschafts- und finanzpolitisch motivierte Umverteilung von legalen Krisengewinnen (die in der Praxis allerdings kaum gegriffen hat).

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