Februar 2025

250202

ENERGIE-CHRONIK




Gegenüber der Bundestagswahl 2021verbesserten CDU und CSU ihren Zweitstimmenanteil um 4,3 auf 28,5 Prozent. Sie stellen nun 208 von insgesamt 630 Abgeordneten im Bundestag. Noch wesentlich stärker zugelegt hat aber die rechtspopulistische AfD, die ihren Stimmenanteil mit 20,8 Prozent glatt verdoppelte und fortan über 152 Sitze im Parlament verfügt. Die SPD ist mit 16,4 Prozent (minus 9,3) und 120 Abgeordneten nur noch die drittstärkste Fraktion, gefolgt von den Grünen, die sich auf 11,6 Prozent (minus 3,5) verschlechterten und damit 85 Sitze errangen. Die restlichen Sitze entfallen auf die 64 Abgeordneten der Linken sowie den einen Sitz des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW), der als Vertreter der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein von der Fünf-Prozent-Hürde befreit ist.

Union braucht nun die SPD zum Regieren

Aus der Bundestagswahl am 23. Februar ging erwartungsgemäß die Union als stärkste Partei hervor. Sie bräuchte aber mindestens 108 Sitze mehr, um mit absoluter Mehrheit regieren zu können. Rein mathematisch wäre dies mit den 152 Abgeordneten der AfD oder den 120 Abgeordneten der SPD möglich. Praktisch kommt indessen nur die SPD in Frage, da die Union es sich bisher nicht leisten kann und will, mit den Rechtspopulisten über eine Koalition zu verhandeln. Daran änderte auch die massive Unterstützung für die AfD nichts, mit der sich das neue autokratische Regime im Weißen Haus in den deutschen Wahlkampf eingemischt hat (siehe auch 250102). Besonders unverschämt gebärdete sich der neue US-Vizepräsident Vance, der am 14. Februar bei der Münchener Sicherheitskonferenz eine parteiübergreifende Abgrenzung gegenüber Rechtspopulisten und Neonazis als angeblichen Verlust von Demokratie und Meinungsfreiheit bezeichnete. "Es gibt keinen Platz für Brandmauern", dekretierte der Trump-Gehilfe, womit er unverhohlen für eine Regierungsbeteiligung der zumindest in Teilen verfassungsfeindlichen Rechtspopulisten warb, obwohl er die AfD nicht beim Namen nannte.

FDP und BSW sind knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert

Dass der Union nur noch die SPD als Koalitionspartner zur Verfügung steht, ist darauf zurückzuführen, dass sowohl die FDP als auch das "Bündnis Sarah Wagenknecht" (BSW) knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sind und deshalb nicht im 21. Bundestag vertreten sein werden. Vermutlich handelt es sich aber um das kleinere Übel, wenn deshalb nun zum fünften Mal in der Geschichte der Bundesrepublik eine schwarz-rote Koalition zustande kommt. Eine sonst erforderliche Drei-Parteien-Koalition unter Einbeziehung von FDP oder BSW wäre sicher keine gute Lösung gewesen.

Lindner will sich aus der Politik zurückziehen

Die FDP wurde für ihr destruktives Verhalten in der Ampel-Koalition von den Wählern abgestraft, indem sie nun zum zweiten Mal für mindestens eine Legislaturperiode aus dem Parlament verschwindet. Der bisherige Parteichef Christian Lindner kündigte seinen Rückzug aus dem politischen Geschäft an. Es bleibt ihm wohl auch nichts anderes übrig. Er hatte von Anfang an ein falsches Konzept verfolgt, als er die sinkenden Zustimmungswerte seiner Partei, die schon Ende 2022 an der Fünf-Prozent-Grenze schrammten, mit der Gewinnung von Wählern aus dem rechten Spektrum wieder in die Höhe zu treiben versuchte. Typisch für seinen Konfrontationskurs innerhalb der Koalition war, wie er die Kampagne für den Weiterbetrieb der drei letzten Kernkraftwerke unterstützte. Mit solchen ständigen Quertreibereien beschädigte er nicht nur das Ansehen der Ampel, sondern beschleunigte auch die Talfahrt der eigenen Partei, bis der Kanzler Scholz ihn endlich aus dem Kabinett warf (siehe Hintergrund, November 2024).

Nach dem Austritt der "Wagenknechte" erlebte die Linkspartei einen stürmischen Aufschwung

Dem "Bündnis Sarah Wagenknecht" (BSW), das sich 2024 von der Partei Die Linke abgespalten hat und bei drei ostdeutschen Landtagswahlen beachtliche Stimmenanteile erringen konnte, scheinen nun ebenfalls die Wähler wieder abhanden zu kommen. Das dürfte mit der absoluten Fixierung auf die irrlichternde Gründerfigur Sarah Wagenknecht zu tun haben, die teils linke und teils eher konservative Positionen mit viel Putin-Versteherei vermischt. Diese Mixtur hat offenbar inzwischen an Attraktivität verloren.

Dagegen ist dem verbliebenen Rest der Linkspartei der Austritt der "Wagenknechte" so gut bekommen, dass die Partei einen stürmischen Migliederzuwachs verzeichnete und bei Wahlumfragen einen immer höheren Zuspruch verzeichnete. Anstatt in der parlamentarischen Versenkung zu verschwinden, wie zunächst allgemein erwartet worden war, bekam Die Linke am 23. Februar 8,8 Prozent der Stimmen und ist nun nach den Grünen die viertstärkste Fraktion im Bundestag. Im Vergleich mit 2021, als sie nur wegen der Grundmandatsklausel nicht an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, ist das ein Traumergebnis und die eigentliche Überraschung dieser Bundestagswahl.

Auch die Union will nun die Schuldenbremse weghaben, die sie 2009 zusammen mit der SPD eingeführt hat

Als Bundeskanzler in spe sieht sich der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz nun durch die sogenannte Schuldenbremse in ähnlicher Weise behindert wie zuvor die Ampel-Regierung. Die Union überlegt deshalb, wie sie diese im Grundgesetz verankerte Regelung wieder abschaffen bzw. reformieren könnte. Die fünfte schwarz-rote Koalition verfügt nämlich über keine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament – im Unterschied zur zweiten schwarz-roten Koalition, die 2009 diese Regelung einführte und unnötigerweise im Grundgesetz verankerte, um sie möglichst unabänderlich zu machen. Eine weitere Pointe ist, dass das fatale Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023, das den finanziellen Spielraum der Ampel-Koalition um 60 Milliarden Euro verringerte und so zu deren Scheitern beitrug (231101), erst auf Antrag der Union zustande kam und nun für diese selber zum Hindernis geworden ist (siehe Hintergrund, November 2023).

Mit einer letzten Sitzung des alten Bundestags wäre die Zwei-Drittel-Mehrheit am einfachsten zu erreichen

Im Februar gab es Überlegungen, die Aufhebung der Schuldenbremse von dem offiziell noch immer amtierenden alten Bundestag beschließen zu lassen. In diesem verfügen Union und SPD zusammen zwar auch über keine Zwei-Drittel-Mehrheit, könnten diese aber mit Unterstützung durch die Grünen ohne weiteres erreichen. Im neuen Parlament würde dagegen eine solche Abstimmungs-Koalition nicht genügen. Zusätzlich müssten die Linken mitwirken, die zwar schon seit langem mehr Geld für Wohnungsbau und andere soziale Projekte fordern, sich aber vermutlich sehr schwer damit tun, die Schuldenbremse auch und vor allem für die beabsichtigte Erhöhung der Rüstungsausgaben zu lockern. Die AfD hat bereits wissen lassen, dass sie gegen eine Aufhebung der Regelung stimmen wird. Die notwendige Zweidrittel-Mehrheit zur Änderung des Grundgesetzes wäre durch eine nochmalige Einberufung des alten Bundestags jedenfalls unproblematischer zu erreichen als im neuen Parlament, das gemäß Wahlgesetz spätestens 30 Tage nach der Wahl – das wäre am 25. März – zusammentreten muss. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz ließ bis Ende Februar offen, welchen Weg er einzuschlagen gedenkt.

Die "Abschaffung des Heizungsgesetzes" wird sich die Union abschminken müssen

Schon mit Rücksicht auf den Koalitionspartner SPD wird wohl einiges nicht so heiß gegessen wie es vor der Wahl von der Union aufgetischt wurde. So beschloss der CDU-Vorstand auf einer zweitägigen Klausurtagung am 12./13. Januar in Heidelberg unter anderem: "Wir werden das Heizungsgesetz der Ampel-Regierung abschaffen und setzen stattdessen auch für den Weg zu klimaneutraler Wärme auf Fördern, Fordern und Ermöglichen." Ein anderer Satz lautete: "Auf die Option Kernkraft können wir zurzeit nicht verzichten. Wir wollen, dass ein erstes Fusionskraftwerk in Deutschland gebaut wird."

Die Phrase von der "Option Kernkraft", auf die nicht verzichtet werden könne, tauchte schon vor einem Jahr in einem ähnlichen Beschluss des CDU-Vorstands auf (240105). Sie ist nicht zufällig so unverbindlich, dass sich daraus keinerlei Festlegungen ableiten lassen, die bei Koalitionsverhandlungen stören könnte. Keinen echten Konfliktstoff birgt auch die Absicht, das erste Fusionskraftwerk in Deutschland zu errichten. Denn dieses Projekt, das die CDU offensichtlich aus der Propaganda ihrer Schwesterpartei CSU übernommen hat, ist vorerst nichts weiter als eine Schimäre. Sicher werden noch etliche Legislaturperioden vergehen, bis es tatsächlich gelingt, nennenswerte Strommengen mittels Kernfusion zu erzeugen.

Der Vorsitzende des Expertenrats für Klimafragen warnt vor einer Rückgängigmachung der GEG-Novellierung

Bei der versprochenen "Abschaffung" des Heizungsgesetzes wird die Union dagegen den Rückwärtsgang einlegen müssen. Zu groß wären die Verwirrung und die Schäden, die dadurch bei den betroffenen Branchen, den Kommunen und gerade auch den Verbrauchern entstehen würden, die sich inzwischen auf die Neuregelung eingestellt haben. Der umfangreiche Bericht, den der Expertenrat für Klimafragen jetzt zum zweiten Mal vorlegte (250209), übte auch keinerlei Kritik am Heizungsgesetz. Er enthielt aber sehr wohl die Feststellung, dass Deutschland sein Klimaziel von 65 Prozent Treibhausgasminderung bis 2030 deutlich verfehlen wird. Diese Verfehlung würde sicher noch größer, falls eine CDU-geführte Regierung tatsächlich das "Heizungsgesetz" abschaffen würde, wie der inzwischen übliche Ausdruck für das Gebäudeenergiegesetz (GEG) lautet, das 2020 von der damaligen schwarz-roten Koalition zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele beschlossen wurde. In der Praxis dürfte es deshalb allenfalls zu kosmetischen Änderungen am novellierten GEG kommen. Auch der Expertenrat für Klimafragen erwartet keine Rücknahme des Gesetzes, wie sein Vorsitzender Prof. Hanns-Martin Henning bei der Vorstellung des Zweijahresgutachtens erklärte. Eine derartige Absicht halte er für "gefährlich", fügte Henning hinzu. Das Gesetz stelle inzwischen ein "Gesamtpaket" dar, das zusammen mit der kommunalen Wärmeplanung "in sich stimmig" sei.

 

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