November 2025 |
251104 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Bundestag beschloss am 6. November die Neufassung des vor 13 Jahren in Kraft getretenen Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes, das mit der englischen Abkürzung für "Carbon Capture and Storage" meistens als CCS-Gesetz bezeichnet wird. Die Neufassung soll künftig vor allem die Abspeicherung, den Transport und die dauerhafte unterirdische Einlagerung solcher klimaschädlichen CO2-Emissionen ermöglichen, die bei einigen industriellen Prozessen wie der Kalk- und Zementherstellung oder der Müllverbrennung unvermeidbar anfallen. Grundsätzlich dürfen auf diese Weise aber auch solche CO2-Emisssionen in geologisch geeigneten Formationen an Land oder unter dem Meer "entsorgt" werden, bei denen ein Verzicht auf ihre Freisetzung möglich wäre. Das gilt vor allem für die Stromerzeugung mit Gaskraftwerken, die durch die Umstellung von Erdgas auf "grünen" Wasserstoff als Brennstoff klimaunschädlich gemacht werden könnte.
Das neugefasste CCS-Gesetz schließt lediglich Kohlekraftwerke aus seinem Anwendungsbereich aus. Und auch das gilt nur für die inländischen Anlagen, die bis 2038 ohnehin stillgelegt werden sollen. Dagegen dürfen die Betreiber von ausländischen Kohlekraftwerken die in Deutschland geplante Infrastruktur für den Transport und die Einlagerung des Kohlendioxids in Offshore-Langzeitspeichern unter der Nordsee uneingeschränkt nutzen (die unterirdische Abspeicherung an Land wäre nur aufgrund entsprechender Gesetze der jeweiligen Bundesländer möglich). Laut Gesetzesbegründung soll so "eine Beeinflussung der Wahl anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Nutzung ihrer Energieressourcen, ihrer Entscheidung zwischen verschiedenen Energiequellen und zur allgemeinen Struktur ihrer Energieversorgung vermieden werden".
Das neue "Gesetz zur Änderung des Kohlendioxid-Speichergesetzes" reformiert das "Gesetz zur Demonstration der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid", das im Juli 2011 vom Parlament gebilligt worden war (110703), dann aber auf Verlangen des Bundesrats (110901) so geändert werden musste, dass es tatsächlich nur noch Forschungszwecken hätte dienen können (120604). Damit wurde das Gesetz für die Betreiber von Kohlekraftwerken uninteressant, die seinerzeit die treibende Lobby hinter diesem Projekt der schwarz-gelben Regierung waren, und erlangte keine praktische Bedeutung.
Dieses Mal stimmte der Bundesrat am 21. November dem "Gesetz zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes" jedoch zu, obwohl er in seiner Stellungnahme zu dem Entwurf "dringend" gebeten hatte, nicht nur Kohlekraftwerke, sondern auch Erdgas-Kraftwerke von der Nutzung der geplanten Technologie für Abscheidung, Transport und unterirdische Abspeicherung von Treibhausgasen auszuschließen. "Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag ab", lautete die knappe Antwort vom 26. September. "Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung ist ein gesetzlicher Ausschluss nur für Kohle vorgesehen, nicht für Erdgas. Ein Ausschluss für Kohle soll erfolgen, da hier ein Ende der Nutzung durch den Kohleausstieg gesetzlich festgelegt ist. Die Nutzbarkeit von CCS für Gaskraftwerke wird im Rahmen der Kraftwerksstrategie geprüft."
Bei dieser Prüfung wird es sicher nicht bleiben. Vielmehr spielt die Erdgas-Lobby bei der Auffrischung und Erweiterung des Gesetzes heute eine ähnliche Rolle wie die Kohleverstromer vor 15 Jahren. Deshalb gibt es allen Grund zu der Befürchtung, dass das neugefasste CCS-Gesetz die notwendige Verdrängung und Ersetzung von Erdgas durch erneuerbare Energien behindern und verzögern wird. Deutlich wurde dies beispielsweise bei der Ankündigung der Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche, den Bau von Gaskraftwerken mit einer Leistung von 20 Gigawatt zur Flankierung der Grünstrom-Erzeugung auszuschreiben, ohne deren mögliche Umstellung auf den Betrieb mit Wasserstoff auch nur in Betracht zu ziehen. Erst als sie bemerkte, dass dies schlecht ankam, sprach sie wenigstens von einer "Umstellungsperspektive auf Wasserstoff". Dabei würden sich gerade derartige Gaskraftwerke zur Netzregelung hervorragend dafür eignen, mit elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff aus den Überschüssen der Wind- und Solarstromerzeugung betrieben zu werden, der dann zeitversetzt rückverstromt wird, um Phasen mit schwächerem Grünstrom-Aufkommen auszugleichen.
Die Erdgas-Branche bräuchte eine solche Konkurrenz durch "grünen" Wasserstoff auch nicht sonderlich zu fürchten, da dieser klimaunschädliche Brennstoff vorerst deutlich teuerer bleiben und in weit geringerem Umfang zur Verfügung stehen wird als "blauer" Wasserstoff, der sich aus Erdgas, Öl oder Kohle gewinnen lässt. Die bei dieser Umwandlung anfallenden Treibhausgase können nun ebenso abgetrennt und über Pipelines im Untergrund der Nordsee versenkt werden wie bei der direkten Nutzung von Erdgas als Brennstoff. Aber bequemer und billiger ist das bisherige Verfahren natürlich schon. Deshalb wird es weiterhin eine offene Frage bleiben, wie die Erdgas-Branche eigentlich das bundesweite Wasserstoff-Netz zu füllen gedenkt, das sie im Januar 2020 zunächst als "Vision" vorstellte (200106) und im November 2023 als Antrag für die Errichtung eines deutschen "Wasserstoff-Kernnetzes" konkretisierte (231104).
Bevor es zum Bau dieses Wasserstoff-Netzes oder zur entsprechenden Umrüstung bisheriger Erdgas-Leitungen kommt, werden nun wohl eher solche Pipelines gebaut, welche die Treibhausgase von Industrien, die unter das Emissionshandelsgesetz fallen, in Richtung Nordsee transportieren. Wie das Bundeskartellamt am 5. August mitteilte, plant die Open Grid Europe GmbH (OGE) – die Betreiberin des größten Gasfernleitungsnetzes in Westdeutschland – den Bau einer CO2-Pipeline in Kooperation mit dem ostdeutschen Gasfernleitungsnetzbetreiber ONTRAS Gastransport GmbH (ONTRAS) sowie eine weitere CO2-Pipeline in Kooperation mit der belgischen Fluxys. Aus wettbewerblicher Sicht habe die Behörde gegen beide Kooperationsvorhaben keine grundsätzlichen Bedenken.
Bei dem Kooperations-Projekt zwischen OGE und Fluxys will OGE ein Pipelinesystem von West- und Süddeutschland bis zur deutsch-belgischen Grenze errichten. Von dort aus plant Fluxys eine CO2-Transitpipeline durch Belgien bis Zeebrügge. Bestehende Erdgasleitungen können nicht für den Transport von CO2 umgewidmet werden. Daher ist ein Neubau von Leitungen erforderlich. Dieser erfolgt in beiden Projekten weitestgehend entlang bestehender Erdgastrassen der jeweiligen Fernleitungsnetzbetreiber.
Einschränkend bemerkte das Bundeskartellamt: "Sollte die Nachfrage nach CO2-Transportleistungen künftig stark steigen, wären auch konkurrierende Pipeline-Projekte denkbar, sodass neue Projekte der vorliegenden Größenordnung dann kartellrechtlich genauer zu prüfen wären."
Die jetzige Neufassung des CCS-Gesetzes wurde bereits von der Ampel-Regierung geplant (240201, 230408). Die meisten Umweltverbände lehnen sie jedoch weiterhin ab. So hat Greenpeace Deutschland schon vor einem Jahr eine 50 Seiten umfassende Kritik zu diesen Plänen vorgelegt (PDF) und in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf (PDF) erneut betont, dass hier ein "Irrweg" beschritten werde, der "fossile Geschäftsmodelle zu verlängern" drohe.