November 2025 |
251110 |
ENERGIE-CHRONIK |
"Trotz milliardenschwerer Förderungen verfehlt die Bundesregierung ihre ambitionierten Ziele beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. Angebot und Nachfrage bleiben deutlich hinter den Erwartungen zurück. Dies gefährdet das Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 und die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland. Und solange nicht absehbar ist, dass Wasserstoff preislich wettbewerbsfähig wird, droht eine staatliche Dauerförderung die bereits aus den Fugen geratenen Bundesfinanzen weiter unter Druck zu setzen." Dies erklärte der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, am 28. Oktober anlässlich der Veröffentlichung eines Sonderberichts zur Umsetzung der Wasserstoffstrategie des Bundes (PDF). Seine Kritik adressierte er vor allem an die vormalige E.ON-Managerin Katherina Reiche, die kurz nach ihrer Ernennung zur Bundeswirtschaftsministerin als Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrates der Bundesregierung (NWR) bestätigt wurde: "Es ist Zeit für einen Realitätscheck. Das verantwortliche Wirtschaftsministerium hat selbst erkannt, dass es sein Vorgehen anpassen muss. Nun muss es auch konsequent handeln."
Bei der Überprüfung der Fortschritte und Herausforderungen beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland gewann der Bundesrechnungshof den Eindruck, dass eine erhebliche Diskrepanz zwischen Zielsetzungen und Ergebnissen besteht, die den Kostenaufwand nicht rechtfertigt. Bereits in den Jahren 2024 und 2025 habe die Bundesregierung mehr als 7 Milliarden Euro vor allem an Subventionen bereitgestellt. Vorbindungen in Milliardenhöhe bestünden bis Ende des Jahrzehnts. Zusätzlich sichere der Bund den Aufbau der Netzinfrastruktur finanziell ab.
Damit spiele Wasserstoff für die Bundesregierung eine Schlüsselrolle bei der Energiewende, um deren Ziele zu erreichen: Deutschland soll bis 2045 klimaneutral sein und gleichzeitig als Industriestandort zukunftsfähig bleiben. Klimaneutral hergestellter ("grüner") Wasserstoff soll fossile Energieträger dort ersetzen, wo Strom aus erneuerbaren Energien nicht direkt genutzt werden kann. Zudem sollen wasserstofffähige Gaskraftwerke zur sicheren Stromversorgung beitragen.
Die Ziele ihrer Wasserstoffstrategie erreiche die Bundesregierung aber trotz dieses starken finanziellen Engagements bisher nicht, weil sich Angebot und Nachfrage von grünem Wasserstoff in Deutschland bislang nicht wie geplant entwickelt hätten. Geplant gewesen sei, ein ausreichendes Angebot an Wasserstoff durch inländische Erzeugung und mindestens zur Hälfte über Importe sicherzustellen. Die Bundesregierung werde jedoch weder ihre inländischen Erzeugungsziele für grünen Wasserstoff bis 2030 erreichen noch den erwarteten Bedarf durch Importe decken können.
Zugleich entwickele sich die Nachfrage langsamer als erwartet. Die von der Bundesregierung initiierten Förderungen der industriellen Nutzung von Wasserstoff hätten nicht zu der erhofften Nachfrage geführt, insbesondere aus der Stahlbranche. Es fehle außerdem ein wesentlicher Nachfrageimpuls, solange Gaskraftwerke – anders als in der Vergangenheit geplant – nicht zwingend auf Wasserstoff umzurüsten sind.
Der Ausbauplan für das Wasserstoff-Kernnetz berücksichtige diese Entwicklungen bislang nicht. Angesichts der tatsächlichen Entwicklung von Angebot und Nachfrage sei der Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes zu ambitioniert geplant.
Grüner Wasserstoff sei weiterhin deutlich teurer als fossile Energieträger wie Erdgas. Da er absehbar nicht zu wettbewerbsfähigen Preisen erzeugt oder importiert werden könne, sei eine staatliche Dauerförderung absehbar. Um die Preisdifferenz zwischen Wasserstoff und Erdgas auszugleichen, könnten 2030 allein für Importe Belastungen in Höhe von 3 bis 25 Milliarden Euro für den Bundeshaushalt entstehen.
Auch der Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes sei mit erheblichen Risiken für den Bundeshaushalt verbunden: In einer Hochlaufphase bekämen die Kernnetzbetreiber einen Teil ihrer Netzkosten statt von den Netznutzern aus einem staatlich abgesicherten Darlehen. Das Darlehen soll später aus überschießenden Netzentgelterlösen getilgt werden. Dies setze jedoch voraus, dass sich ausreichend Nutzer an das Netz anschließen. Falls der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft scheitert, könne dies den Bundeshaushalt zusätzlich mit einem zweistelligen Milliardenbetrag belasten.
Grüner Wasserstoff habe zwar grundsätzlich das Potenzial, klimaneutral erzeugt und genutzt zu werden. Ob die gewünschte positive Klimawirkung eintritt, sei aber unsicher. Vor allem beim Import von grünem Wasserstoff könnten erhebliche Vorkettenemissionen entstehen. Die Bundesregierung wolle aber mindestens die Hälfte des Wasserstoffbedarfs über Importe decken. Zudem habe sie bei internationalen Ausschreibungen Zugeständnisse bei Nachhaltigkeitsanforderungen gemacht, um überhaupt ausreichend Gebote zu erhalten. Damit ergäben sich auch Risiken für die Umweltverträglichkeit der Wasserstoffwirtschaft.
Der Bundesrechnungshof empfiehlt deshalb der Bundesregierung,