Juni 2008 |
080604 |
ENERGIE-CHRONIK |
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat am 12. Juni auch die Laufzeitverlängerung für Block 1 des Kernkraftwerks Neckarwestheim abgelehnt, die von der Energie Baden-Württemberg (EnBW) vor eineinhalb Jahren beantragt worden war (061202). Wie bei dem bereits abgelehnten Antrag von RWE für Biblis A (080401) sollte die Verlängerung durch Strommengen-Übertragung von einem jüngeren auf einen älteren Reaktor erreicht werden, was nach dem Atomgesetz nur mit Zustimmung der Bundesregierung möglich ist. Wenn die Übertragung von 46,9 Terawattstunden Reststrom aus dem Kontingent von Neckarwestheim 2 auf Neckarwestheim 1 genehmigt worden wäre, hätte die EnBW beide Blöcke parallel noch bis zum Jahr 2017 betreiben können.
Das Bundesumweltministerium begründete die Ablehnung des Antrags auch in diesem Fall damit, daß die betriebswirtschaftlichen Vorteile einer Strommengenübertragung nicht zu Lasten der Sicherheit gehen dürften. Eine vergleichende Sicherheitsanalyse habe ergeben, daß Neckarwestheim 1 über weniger Sicherheitsreserven verfügt als der jüngere Block 2. Wie zuvor schon RWE und Vattenfall habe die EnBW den Sicherheitsvergleich abgelehnt und auch auf Anforderung keine Unterlagen vorgelegt. Die Prüfung habe deshalb anhand von Unterlagen erfolgen müssen, die dem Bundesumweltministerium als Bundesaufsicht vorlagen oder die von der zuständigen Atomaufsichtsbehörde, dem Umweltministerium in Baden-Württemberg, in Amtshilfe und auf Anfrage übermittelt wurden.
Neckarwestheim 1 wurde 1976 in Betrieb genommen. Mit Biblis und Brunsbüttel gehört es zu den ältesten deutschen Kernkraftwerken. Der Reaktor ging am 6. Juni wieder ans Netz, nachdem er für Instandhaltungsarbeiten abgefahren worden war. Zu Beginn des Jahres verfügte er noch über eine Reststrommenge von gut 10 Terawattstunden, was bei der bisher üblichen Jahresproduktion für den Betrieb bis Ende 2009 ausreichen würde.
Insgesamt wurden beim Bundesumweltministerium bisher drei Anträge zur Laufzeiten-Übertragung von jüngeren auf ältere Kernkraftwerke gestellt. Sie betrafen die Übertragung von Strommengen von Emsland auf Biblis A (RWE), von Neckarwestheim 2 auf Neckarwestheim 1 (EnBW) und von Krümmel auf Brunsbüttel (Vattenfall). Vattenfall und RWE hatten zuvor versucht, die Laufzeiten von Brunsbüttel bzw. Biblis A aus dem Kontingent für Mülheim-Kärlich aufzustocken. Das Ministerium lehnte dies aber schon aus rein atomrechtlichen Gründen ab (070608, 080401), die inzwischen von den Gerichten bestätigt wurden (080205).
Nach den beiden Bescheiden für Biblis A und Neckarwestheim 1 hat das Bundesumweltministerium nunmehr noch über den Vattenfall-Antrag zur Übertragung von Krümmel auf Brunsbüttel zu entscheiden. Nach Sachlage kann diese Entscheidung ebenfalls nur negativ ausfallen: Der Siedewasser-Reaktor in Brunsbüttel, den einst die AEG errichtete, ist sieben Jahre älter und hat eine noch pannenreichere Vergangenheit als der in Krümmel. In der ersten Hälfte der neunziger Jahre war er deshalb fast drei Jahre außer Betrieb (950606). Im Sommer vergangenen Jahres wurden sowohl Brunsbüttel als auch Krümmel abgeschaltet, nachdem es in beiden Kernkraftwerken zu Kurzschlüssen gekommen war (070608). In der Folge stellten sich weitere Mängel heraus, die auch den nuklearen Teil betrafen und die Wiederinbetriebnahme bisher verhinderten. Ein Termin für das Wiederanfahren der beiden Kernkraftwerke sei noch nicht in Sicht, teilte Vattenfall am 16. Juni mit.