April 2010 |
100402 |
ENERGIE-CHRONIK |
Gazprom-Chef Alexey Miller (links) und sein ukrainischer Kollege Evgen Bakulin unterzeichnen das Zusatzabkommen zum Gasliefervertrag vom Januar 2009. Der Rabatt bei den Gaspreisen ist aber nicht in diesem Dokument verankert, sondern mit dem Flottenvertrag gekoppelt, den die dahinter stehenden Präsidenten Dimitri Medwedew (links) und Viktor Janukowitsch ausgehandelt haben. Pressefoto Reg. UA
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Rußland darf seine Schwarzmeerflotte noch mindestens 25 bis 30 Jahre auf der Krim stationieren. Die Ukraine erhält dafür einen Rabatt von 30 Prozent auf den vereinbarten Preis für die russischen Gaslieferungen. Dies vereinbarten die Präsidenten beider Länder, Dimitri Medwedew und Viktor Janukowitsch, am 21. April bei einem Treffen in der ostukrainischen Stadt Charkow. Der Rabatt verringert die Gasrechnung der Ukraine bis zum Auslaufen des gegenwärtig gültigen Liefervertrags im Jahr 2019 um rund vierzig Milliarden Dollar.
Der Kreml honoriert damit den Regierungswechsel, der im Februar in der Ukraine mit der Wahl des rußlandfreundlichen Viktor Janukowitsch zum Präsidenten eingeleitet wurde. Im März konnte die Partei Janukowitschs auch im Parlament eine neue Regierungsmehrheit zusammenbringen und die bisherige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko durch den früheren Finanzminister Mikola Asarow ablösen. Die neue Regierung wechselte unter anderem die Leitung des Staatskonzerns Naftogaz aus, die Mitte März der Janukowitsch-Gefolgsmann Evgen Bakulin übernahm.
Formal ändert sich nichts am Gaspreis, den Gazprom und Naftogaz im Januar 2009 vereinbarten (090101) und den die Ukraine bisher nur mit großer Mühe bezahlen konnte (091107). Der Kreml will wohl den Anschein aufrechterhalten, daß Gazprom ein allein nach wirtschaftlichen Grundsätzen agierendes Unternehmen sei. Der Gasrabatt geht deshalb über eine entsprechende Senkung der Exportabgaben für Gazprom zu Lasten des russischen Staatshaushalts. Außerdem wird er gegenüber der Ukraine mit der Miete für die russischen Stützpunkte auf der Krim verrechnet. Bisher zahlt Russland jährlich 98 Millionen Dollar. Nach dem Auslaufen des Stationierungsvertrag im Jahr 2017 soll dieser Betrag auf 500 Millionen Dollar steigen. Dennoch ist der Gasrabatt ungleich größer. Schon in den nächsten drei Jahren wird er die Miete für die russischen Stützpunkte in der Ukraine bis zum Jahre 2042 voll abdecken.
Der Gasrabatt wurde auch nicht in dem jetzt unterzeichneten Zusatzabkommen zum Liefervertrag vom Januar 2009 verankert, sondern im Vertrag über die längere Nutzung des Krim-Hafens Sewastopol durch die russische Flotte. Er wäre somit hinfällig, falls die Ukraine den Stützpunkt-Vertrag nicht ratifizieren oder widerrufen sollte.
Mit den jetzt getroffenen Vereinbarungen stärkt Rußland seinen Einfluß im Gebiet des Schwarzen Meers und blockiert bis auf weiteres einen Beitritt der Ukraine zur NATO. Zugleich stützt es im eigenen Interesse den neuen ukrainischen Präsidenten und dessen rußlandfreundliche Regierungskoalition. Die westlich orientierte Opposition wirft Janukowitsch dagegen vor, einen "Kurs der Russifizierung und Aufgabe der nationalen Interessen" zu steuern. Die Partei des früheren Präsidenten Viktor Juschtschenko will sogar ein Amtsenthebungsverfahren gegen Janukowitsch in Gang bringen. Im ukrainischen Parlament kam es am 27. April zu gewalttätigen Tumulten. Der Parlamentspräsident mußte sich mit einem Regenschirm vor Eierwürfen schützen, als er die Annahme des Flotten- und Gasabkommens mit 236 von 450 Stimmen verkündete.