August 2012

120802

ENERGIE-CHRONIK


Industrie wird weitere zehn Jahre von der Stromsteuer weitgehend befreit

Die Bundesregierung will die weitgehende Befreiung der Industrie von der Stromsteuer, die zum Jahresende ausläuft, um weitere zehn Jahre verlängern. Am 1. August beschloß das Kabinett einen entsprechenden Entwurf des "Zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes". Demnach werden die geltenden Vergünstigungen für das Produzierende Gewerbe, die sich jährlich auf 2,3 Milliarden Euro belaufen, in vollem Umfange beibehalten. Insbesondere wird der sogenannte Spitzenausgleich verlängert, der die Stromsteuer auf ein Zehntel reduziert, wenn sie das Unternehmen mit mehr als tausend Euro pro Kalenderjahr belastet (101004).

Als Gegenleistung müssen die Unternehmen ihre Energieeffizienz verbessern

Um zum vierten Mal die Zustimmung der EU-Kommission zu den Steuerbefreiungen zu erhalten, verlangt der Gesetzentwurf von den Unternehmen eine "angemessene und nachhaltige Verbesserung ihrer Energieeffizienz". Als Gegenleistung für die Gewährung des Spitzenausgleichs müssen die begünstigten Unternehmen nachweisen, dass sie spätestens bis Ende 2015 ein Energiemanagementsystem eingeführt haben. Zusätzlich muß der Nachweis erbracht werden, daß sich die Energieintensität des gesamten produzierenden Gewerbes gegenüber dem Zeitraum von 2007bis 2012 kontinuierlich reduziert hat. Die gesetzlichen Zielwerte für diese Verbesserung der Energieintensität betragen für die Jahre 2013 bis 2015 jeweils 1,3 Prozent und 1,35 Prozent für das Jahr 2016. Für die Folgejahre bis 2022 sollen die Werte im Rahmen einer Evaluierung im Jahre 2017 auf Grundlage der dann vorliegenden Erfahrungen gesetzlich festgelegt werden.

Ob die begünstigten Wirtschaftszweige insgesamt die gesetzlichen Vorgaben zur Reduzierung der Energieintensität erreicht haben, will die Bundesregierung auf Grundlage eines Monitoring-Berichts feststellen, den "ein unabhängiges wissenschaftliches Institut" erstellt.

Den normalen Stromsteuer-Satz zahlen seit jeher nur Kleinverbraucher

Die 1999 eingeführte Stromsteuer belastete von Anfang an nur Kleinverbraucher mit dem vollen Steuersatz. Die Industrie zahlte dagegen grundsätzlich nur ein Fünftel des Normalbetrags. Darüber hinaus konnte sie sich unter bestimmten Umständen die gezahlte Steuer erstatten lassen (990201). Erst auf Verlangen der EU-Kommission wurde der ermäßigte Steuersatz ab 2003 auf sechzig Prozent angehoben (021102). Diese Anhebung traf jedoch allenfalls kleine Betriebe, denn über den sogenannten Spitzenausgleich erhielten die meisten Unternehmen die so errechnete und abgeführte Steuer weiterhin größtenteils zurück.

EU-Kommission nutzt Genehmigung des Spitzenausgleichs seit 2002 als Druckmittel

Als die EU-Kommission 2002 die Verlängerung des Spitzenausgleichs genehmigte, kürzte sie die von der Bundesregierung beantragte Frist von zehn auf fünf Jahre. Außerdem machte sie die Genehmigung und weitere Verlängerung davon abhängig, daß die deutsche Industrie ihre 2001 vorgelegte Selbstverpflichtung zur Verringerung der CO2-Emissionen tatsächlich erfüllt (020209). Als es wegen der Kürzung des deutschen Zuteilungsplans für die zweite Periode des Handels mit CO2-Emissionsrechten zum Konflikt mit der Bundesregierung kam, drohte die EU-Kommission mit der Nichtverlängerung des Spitzenausgleichs, weil die deutsche Industrie ihren Verpflichtungen zur CO2-Reduktion nicht nachkomme (061201). Sie verlängerte die Steuerbefreiung erst um weitere fünf Jahre, nachdem die Bundesregierung eingelenkt hatte (061201).

Schon die schwarz-rote Koalition wollte den Spitzenausgleich mit der Einführung eines Energiemanagements koppeln

Auf der Suche nach neuen Einnahmequellen nahm der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) 2010 auch die enormen Stromsteuer-Vergünstigungen der Industrie ins Visier (100706). Die Lobby wehrte sich jedoch erfolgreich. In den "Eckpunkten für ein integriertes Energie- und Klimaprogramm", die die schwarz-rote Koalition kurz darauf im August 2007 vorlegte (070806), war von einer Abschaffung oder Reduzierung des Spitzenausgleichs keine Rede mehr. Stattdessen hieß es nun, daß die Steuerermäßigungen ab 2013 mit der "Einführung eines Energiemanagements" gekoppelt werden sollten. Die folgende schwarz-gelbe Koalition hat in ihrem "Energiekonzept" vom September 2010 ebenfalls die Verlängerung des Spitzenausgleichs angekündigt. Zugleich verwies sie auf die entsprechende EU-Richtlinie, die solche Steuerbefreiungen von Gegenleistungen abhängig mache. Die Bundesregierung werde deshalb "ab 2013 den im Haushaltsbegleitgesetz zu beschließenden Spitzenausgleich im Rahmen der Energie- und Stromsteuer nur noch gewähren, wenn die Betriebe einen Beitrag zu Energieeinsparungen leisten" (100902).

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