November 2012 |
121105 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Bundesnetzagentur hat am 9. November den ersten acht von insgesamt 19 Antragstellern die nach § 4a EnWG erforderliche Zertifizierung für den Betrieb von Strom- oder Gastransportnetzen erteilt. Bei Strom handelt es sich um die Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz Transmission GmbH und Amprion GmbH, bei Gas um die Fernleitungsnetzbetreiber bayernets GmbH, GRTgaz Deutschland GmbH, terranets bw GmbH, Nowega GmbH, jordgasTransport GmbH und Fluxys TENP GmbH. Keine Zertifizierung erhielt dagegen die TenneT TSO GmbH, die als Nachfolgerin der E.ON Netz das größte der vier deutschen Stromtransportnetze betreibt (091101). Die Behörde begründete dies damit, daß TenneT "nicht die dafür zwingend notwendigen Nachweise über die erforderlichen finanziellen Mittel zur Erfüllung seiner gesetzlichen Netzbetriebs- und -ausbaupflichten erbracht hat".
Die Verweigerung der Zertifizierung für TenneT war von der Bundesnetzagentur bereits angekündigt worden , nachdem der Netzbetreiber geltend gemacht hatte, daß der einschlägige Artikel 10 der EU-Richtlinie zur Entflechtung der Transportnetzbetreiber keine rechtliche Handhabe für eine solche Verweigerung biete (120904). Maßgeblich ist freilich nicht diese Richtlinie, sondern deren Umsetzung im Energiewirtschaftsgesetz, die mit dem am am 30. Juni 2011 verabschiedeten "Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften" erfolgte (110602) . Demnach müssen die Transportnetzbetreiber zum einen nachweisen, daß sie den Netzbetrieb rechtlich, organisatorisch und personell unabhängig von Energievertrieb und -erzeugung führen. Zum anderen müssen sie aber nach § 10a EnWG auch "über die finanziellen, technischen, materiellen und personellen Mittel verfügen, die zur Erfüllung der Pflichten aus diesem Gesetz und für den Transportnetzbetrieb erforderlich sind".
Die TenneT TSO hatte sich bereits vor einem Jahr für außerstande erklärt, der aus § 17 Abs. 2a EnWG resultierenden Verpflichtung zum Netzanschluß der vor der deutschen Nordseeküste entstehenden Offshore-Windparks nachkommen zu können (111104). Stattdessen hat sie die Gründung einer Deutschen Gleichstrom-Netzgesellschaft gefordert, um die enormen Kosten der Offshore-Anbindungen auf alle vier Übertragungsnetzbetreiber zu verteilen (120205). Anscheinend hat der staatliche niederländische Netzbetreiber TenneT bei der Übernahme des von der Nordsee bis zu den Alpen reichenden E.ON-Stromtransportnetzes nicht hinreichend bedacht, welche Kosten durch die Verpflichtung zum Netzanschluß der Offshore-Windparks auf ihn zukommen würden.
Die Verweigerung der Zertifizierung bedeutet indessen nicht, daß die TenneT TSO GmbH ihr Übertragungsnetz künftig nicht mehr selbst betreiben darf. "Die Zertifizierung ist keine Betriebsgenehmigung", erläuterte dazu die Bundesnetzagentur. "Wenn ein Unternehmen sein Transportnetz ohne Erteilung der Zertifizierung betreibt, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, die in einem separaten Verfahren festzustellen ist." Die rechtliche Grundlage für die Verhängung eines Bußgeldes ist dabei § 95 EnWG.
Die Anträge von zehn weiteren (Gas-)Transportnetzbetreibern werden voraussichtlich im nächsten Jahr entschieden.
Die Grünen sehen in der Verweigerung der Tennet-Zertifizierung wegen mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit eine "schallende Ohrfeige für die Bundesregierung". Die schwarz-gelbe Koalition habe die Herausforderungen des Netzausbaus und insbesondere des Anschlusses der Offshore-Windparks nicht nur unterschätzt, sondern sträflich vernachlässigt, erklärte ihr energiepolitischer Sprecher Oliver Krischer am 10. November. "Nun rächt sich bitter, dass Schwarz-Gelb unter dem FDP-Diktat 'Privat vor Staat' die Chance hat verstreichen lassen, anstelle von Tennet das frühere E.ON-Übertragungsnetz zu übernehmen."
Der Grünen-Sprecher forderte die Bundesregierung auf, endlich aktiv werden, um Tennet TSO zu übernehmen und in eine Deutsche Netzgesellschaft zu überführen. Schließlich hätten Union und FDP in ihrem Koalitionsvertrag von 2009 dies noch großspurig angekündigt (091001), seitdem aber nichts mehr dafür getan. Anstatt die privaten Stromverbraucher zugunsten von Tennet zahlen zu lassen (120805), müsse der Bund die Haftung übernehmen und als Gegenleistung Anteile von Tennet erhalten. "Das wäre dann ein erster Schritt in Richtung Deutsche Netzgesellschaft."