April 2013 |
130417 |
ENERGIE-CHRONIK |
Utz Claassen darf die märchenhafte Antrittsprämie behalten, die er von der Solar Millennium AG kassierte und nicht zurückzahlte, obwohl er seinen neuen Posten als Vorstandsvorsitzender des Unternehmens schon nach siebzig Tagen wieder verließ. Dies ergibt sich aus einer Mitteilung, die der Insolvenzverwalter des Unternehmens, Volker Böhm, am 8. April veröffentlichte. Demnach haben beide Seiten einen Vergleich geschlossen und ihre wechselseitigen Forderungen für erledigt erklärt. Dazu gehört vor allem die "Einmalzahlung in Millionenhöhe" für den bloßen Dienstantritt, die bekanntlich neun Millionen Euro betrug (100716). In der Mitteilung des Insolvenzverwalters wurde die genaue Höhe der Summe allerdings nicht genannt und auch auf Nachfrage nicht präzisiert, so daß Claassen möglicherweise sogar ein zweistelliger Millionenbetrag zugestanden wurde.
Dies bedeutet zugleich, daß zur Befriedigung der zahllosen Gläubiger des bankrotten Unternehmens mindestens neun Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen. Nach Darstellung des Insolvenzverwalters handelt es sich dennoch um "ein gutes Ergebnis für die Gläubiger", weil dadurch langwierige und kostspielige Rechtsstreitigkeiten vermieden würden, die eine Auszahlung der Insolvenzquote um einige Jahre hätte verzögern können. Außerdem werde Claassen nun "den Insolvenzverwalter bei Bedarf umfassend bei der möglichen Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche der Masse gegenüber ehemaligen Aufsichtsratsmitgliedern der Solar Millennium AG unterstützen".
Die Solar Millennium AG war von Anfang ein ziemlich dubioses Unternehmen, das es mehr auf das Einsammeln von Kapital als auf die Verwirklichung von solarthermischen Großprojekten abgesehen hatte (101012). Daß sie knapp zwei Jahre nach dem Rückzug Claassens Insolvenz anmeldete, hatte auch nichts mit der sich anbahnenden Krise der Solarbranche zu tun, zumal Solarthermie und Photovoltaik ganz unterschiedliche Geschäftsbereiche sind (111213).
Wie verantwortungslos der Aufsichtsrat mit dem Geld der 14.000 Aktionäre und 16.000 Zeichnern von Anleihen umging, zeigte die Anwerbung des abgehalfterten EnBW-Chefs Claassen: Zu den neun Millionen Euro Antrittsprämie kamen ein monatliches Salär von 100.00 Euro, ein Mercedes S 400 Hybrid als Dienstwagen, Vorsorgeleistungen von 180.00 Euro für das laufende Jahr und ein Zuschuß von jährlich 100.000 Euro für die Bezahlung eines Leibwächters. Weitere Kosten entstanden dadurch, daß Claassen gleich eine ganze Reihe von Spezis mitbrachte, denen er hochdotierte Beraterverträge verschaffte (100716).
Zweck dieser Geldverbrennung war hauptsächlich, mit einem bekannten Namen an der Spitze des Unternehmens Börsenphantasien anzuheizen, denn Claassen hatte sich bei der EnBW den Ruf eines knallharten "Shareholder value"-Treibers erworben (siehe "Ein bißchen Rambo - ein bißchen Idi Amin"). Tatsächlich gelang es auf diese Weise, den dümpelnden Aktienkurs der Solar Millennium AG kurzfristig in die Höhe zu treiben, wobei bis heute der Verdacht des Insider-Handels im Raum steht (110812).
Es nimmt wunder, daß einem mit der Branche vertrauten Finanz-Profi wie Claassen das Geschäftsgebaren der Solar Millennium erst nach Amtsantritt nicht mehr geheuer vorkam. So hatte die "Wirtschaftswoche" ein paar Monate zuvor den Solarkollektor-Projektierer als "Geldkollektor" beargwöhnt und zur Vorsicht gemahnt: "Hinter der Firma stecken einige Akteure vom grauen Kapitalmarkt." Claassen selber hatte sich vor Amtsantritt das Recht ausbedungen, innerhalb einer festgelegten Überlegungsfrist wieder zurückzutreten. Anscheinend war der Vertrag auch so gestaltet, daß er in diesem Fall nicht einmal die neun Millionen Euro Antrittsprämie zurückzahlen mußte. Der Insolvenzverwalter behauptet jedenfalls, daß bei "realistischer Einschätzung" keine Aussicht bestanden habe, den Rechtsstreit um die Rückzahlung zu gewinnen. Nach ausführlicher Prüfung des Sachverhalts sei man zu dem Ergebnis gekommen, "daß Claassens Kündigung begründet und rechtmäßig war und daher keinerlei Rückforderungsansprüche der Insolvenzmasse gegen Claassen bestehen".
Claassen hatte es nicht dabei belassen, die Rückzahlung der neun Millionen zu verweigern. Er hatte sogar den Spieß umgedreht, indem er sowohl gegen die deutsche Solar Millennium AG als auch gegen deren US-Töchter Schadensersatzansprüche in Höhe von gut 200 Millionen Euro geltend machte und im Insolvenzverfahren anmeldete. Dem Vernehmen nach begründete er die exorbitante Forderung mit einer angeblichen Rufschädigung. Mit dem jetzt geschlossenen Vergleich verzichtet er nur auf Ansprüche gegenüber der deutschen Solar Millennium AG. Seine Forderung gegen die US-Töchter der Solar Millennium AG will er hingegen weiterverfolgen. Im Rahmen des Vergleichs hat er sich sogar verpflichtet, die Gläubiger der Solar Millennium AG mit 25 Prozent an etwaigen Erlösen zu beteiligen, die er aus diesen Verfahren erzielt. – Anscheinend handelt es sich hierbei um ein Bonbon zur Beschwichtigung der 30.000 Gläubiger, die ihre Forderungen mehr oder weniger abschreiben müssen, während Claassen die neun Millionen für seinen Kurzzeit-Job nun sicher in der Tasche hat.