Dezember 2013

131201

ENERGIE-CHRONIK


SPD-Minister werden für Wirtschaft, Energie und Umwelt zuständig

Die Mitglieder der SPD haben mit deutlicher Mehrheit dem Koalitionsvertrag zugestimmt, der am 27. November zwischen CDU, CSU und SPD vereinbart wurde (131101). Wie die Parteiführung am 14. Dezember bekanntgab, beteiligten sich die rund 475.000 Mitglieder zu 78 Prozent an der Urabstimmung. Von den gültig abgegebenen Stimmzetteln unterstützten 76 Prozent die Bildung der Großen Koalition.


Mit Sigmar Gabriel und Barbara Hendricks übernehmen zwei SPD-Minister die ressortmäßige Verantwortung für die "Energiewende"
Fotos: BMWi/BMU

Die Parteien gaben daraufhin auch die Zusammensetzung der künftigen Regierung bekannt: Das dritte Kabinett von Angela Merkel (CDU) umfaßt insgesamt 14 Minister, von denen fünf der CDU, drei der CSU und sechs der SPD angehören. Am 17. Dezember wählte der Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD Angela Merkel erneut zur Kanzlerin. Anschließend erhielten die Kabinettsmitglieder vom Bundespräsidenten ihre Ernennungsurkunden.

Für die Bereiche Wirtschaft, Energie und Umwelt wurden zwei Sozialdemokraten zuständig. Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel (54) übernimmt das Wirtschaftsministerium einschließlich der Förderung der Erneuerbaren Energien, die bisher beim Umweltministerium angesiedelt war. Sein Ressort, das jetzt "Wirtschaft und Energie" heißt, wird damit federführend bei der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und anderen Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende, wie sie der Koalitionsvertrag vorsieht (131102,131101).

Neue Umweltministerin ist die SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks (61). Ihr Ressort bekommt ebenfalls einen veränderten Zuschnitt, indem es einerseits die Erneuerbaren Energien an das Wirtschaftsministerium abgibt, andererseits aber vom Verkehrsministerium den Bereich Bau- und Wohnungswesen übernimmt. Das von Hendricks geleitete Ressort "Umwelt und Bau" wird damit die Energieeinsparziele umzusetzen haben, die der Koalitionsvertrag bei Neubauten sowie bei der freiwilligen "energetischen Sanierung" des Gebäudebestands vorsieht (131103).

Als Umweltminister profilierte sich Gabriel mit der Verteidigung des Atomausstiegs

Gabriel gehörte bereits von 2005 bis 2009 der ersten Regierung von Angela Merkel an, die ebenfalls von einer Großen Koalition aus Union und SPD getragen wurde. Er profilierte sich damals als Umweltminister, indem er auf der Einhaltung des Atomausstiegs bestand (060808), alle genehmigungpflichtigen Anträge der KKW-Betreiber auf Laufzeiten-Verlängerungen abwies (090508, 080401, 070608) oder auf eine Verschärfung der Auflagen für die Entsorgung nuklearer Abfälle drängte (080812, 080713). Sein Gegenspieler war der Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU), der längere Laufzeiten für die Kernkraftwerke forderte (080812) oder Gabriels EEG-Politik kritisierte (070411). Zum Hickhack zwischen den beiden Ministern gehörte auch, daß sie stellvertretend das Umweltbundesamt und die "Deutsche Energie-Agentur" vorschickten, um völlig gegensätzliche Gutachten zum künftigen Kraftwerksbedarf erstellen zu lassen (080407). Dabei war es eher der wendige Gabriel, der von solchen Auseinandersetzungen profitierte. Glos protestierte auch vergebens, als Gabriel ohne Rücksprache mit ihm die nach Brüssel gemeldete Zuteilungsmenge für die zweite Periode des Handels mit CO2-Emissionsrechten kürzte (061201). Am Ende gab Glos entnervt auf (090210).

Die neue Umweltministerin Barbara Hendricks ist dagegen bisher nicht auf diesem Gebiet hervorgetreten. Von 1998 bis 2007 war sie Parlamentarische Staatssekretärin im SPD-geführten Bundesfinanzministerium. Der bisherige Umweltminister Peter Altmaier, den die Kanzlerin im Mai 2012 zum Nachfolger des von ihr entlassenen Norbert Röttgen machte (120501), übernimmt nun die Leitung des Bundeskanzleramts.

Mit Rainer Baake macht Gabriel einen Grünen zu seinem Staatssekretär


Rainer Baake (links) und Jochen Flasbarth wurden zu beamteten Staatssekretären ernannt, obwohl sie den Grünen angehören.
Fotos: DUH/BMU

Bemerkenswert ist, daß sowohl Gabriel als auch Hendricks jeweils einen Fachmann zum Staatssekretär ernannt haben, der nicht das Parteibuch der SPD besitzt, sondern den Grünen angehört. Außerdem beläßt Gabriel mit Stefan Kapferer einen Staatssekretär im Amt, der zur parteipolitischen Entourage seines Vorgängers Philipp Rösler (FDP) gehörte (110514).

Im Wirtschaftsministerium wird Rainer Baake (58) die Umsetzung der Energiepolitik steuern. In den neunziger Jahren war Baake Staatssekretär des hessischen Umweltministers Joschka Fischer. In dieser Funktion hat er maßgeblich zur Stillegung der Nuklearbetriebe in Hanau beigetragen. Auch im Streit mit RWE um das Kernkraftwerk Biblis A war er der wohl wichtigste Helfer Fischers. Von 1998 bis 2005 amtierte er als Staatssekretär des Bundesumweltministers Jürgen Trittin. In dieser Zeit hat er den Atomkonsens mit den KKW-Betreibern mitausgehandelt und im Juni 2000 für das Ministerium unterzeichnet. Innerhalb der rot-grünen Regierung führte er in Umweltfragen die schwierigen Verhandlungen mit dem Wirtschaftsministerium. Zum Beispiel verhinderte er eine allzu große Verwässerung der Gesetzgebung zum Emissionshandel durch den industrienahen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und dessen Staatssekretär Adamowitsch (040302, 040201, 040104). Nach dem Regierungswechsel 2005 blieb Baake auf Bitte des neuen Umweltministers Sigmar Gabriel noch mehrere Wochen im Amt, um Gabriel bei der anstehenden Klimakonferenz in Montreal zu begleiten. Anschließend wurde er Bundesgeschäftsführer des Vereins Deutsche Umwelthilfe (DUH). Seit April 2012 leitete er das zehnköpfige Team der "Agora Energiewende". Dabei handelt es sich um ein in Berlin ansässiges "Denk- und Politiklabor" zur Verwirklichung der Energiewende, das von der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation getragen wird.

Im Ministerium für Umwelt und Bau wurde mit Jochen Flasbarth (51) ebenfalls ein Mitglied der Grünen beamteter Staatssekretär. Flasbarth war von 1992 bis 2003 hauptamtlicher Präsident des Naturschutzbunds Deutschland (NABU). Dann wurde er von Jürgen Trittin als Abteilungsleiter für Naturschutz ins Umweltministerium geholt. Seit 2009 war er Präsident des Umweltbundesamtes. Die Berufung in dieses Amt, das er auch unter der schwarz-gelben Regierung behielt, verdankte er dem damaligen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel.

Im Wahlkampf hatte die SPD ein Energieministerium angekündigt

Mit dem erfolgreichen Ausgang des Mitgliederentscheids hat Gabriel seine Stellung in der SPD wie auch in der neuen Regierung gestärkt. Als neuer "Superminister" und Vizekanzler wird er neben der Bundeskanzlerin das einflußreichste Kabinettsmitglied sein. Die Erweiterung des Wirtschaftsministeriums um den Bereich Energie, der bisher eher eine Domäne des Umweltministeriums war, unterstreicht diese starke Stellung. Sie wäre aber nach Sachlage nicht notwendig, da die SPD beide Ressorts besetzt. Im Wahlkampf hatte die Partei die Schaffung eines Energieministeriums angekündigt, falls sie an die Regierung gelangen würde (130810).

Ein "Neuzuschnitt des Wirtschaftsressorts" mit vermehrten Kompetenzen im Bereich Energie war Ende 2009 auch aus Kreisen der Union gefordert worden. Anscheinend wollte man so dem frischgebackenen Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zusätzlich Gelegenheit zur Selbstdarstellung bieten. Nach dem unrühmlichen Abtritt Guttenbergs verständigte sich die neue schwarz-gelbe Koalition aber darauf, daß dieses Ressort die FDP bekam und es bei den bisherigen Zuständigkeiten in der Energiepolitik blieb (091009). Als die Kanzlerin im Mai 2012 die Energiewende demonstrativ zur Chefsache erklärte, lehnte sie es ebenfalls ab, am Zuschnitt der Aufgabenbereiche etwas zu ändern (120502).

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