Januar 2014

140102

ENERGIE-CHRONIK


 

 

Baden-Württemberg und Bayern gehören bei der Windstromerzeugung zu den Schlußlichtern. Vor allem im Südweststaat gibt es relativ wenige gute Standorte. Die grün-rote Landesregierung in Stuttgart und die CSU-Landesregierung in München wollen trotzdem den Ausbau dieser Stromquelle forcieren, indem sie auch für schlechte Standorte eine Förderung verlangen, die den Betrieb von Windkraftanlagen rentabel macht.

Im Bundesland Schleswig-Holstein – das weniger als halb so groß ist wie Baden-Württemberg, aber über mehr als siebenmal soviel WKA-Kapazitäten verfügt – fehlt es dagegen nicht an windgünstigen Standorten. Hier protestiert die Landesregierung bzw. die Windkraft-Lobby gegen die geplante Steuerung des Zubaues durch einen "atmenden Deckel" wie bei der Photovoltaik.

Quelle: DEWI

Große Koalition bekommt Gegenwind aus Stuttgart, München und Kiel

Die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Bayern veröffentlichten am 28. Januar ein gemeinsames energiepolitisches Positionspapier, das die vom Kabinett verabschiedeten Eckpunkte der geplanten EEG-Reform (140101) hinsichtlich der Regelungen für Windenergie und Biomasse kritisiert. Ferner verlangen die Regierungen in Stuttgart und München die sofortige Inangriffnahme eines neuen "Strommarktdesigns" mit einer Vergütungsregelung für die bloße Vorhaltung von Kraftwerkskapazitäten. In der Koalitionsvereinbarung zwischen Union und SPD (131101) wird dagegen die Entwicklung eines solchen "Kapazitätsmechanismus" nur mittelfristig für erforderlich gehalten.

Die Große Koalition bekommt damit Gegenwind aus den eigenen Reihen. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer repräsentiert als CSU-Vorsitzender zugleich einen der drei Koalitionspartner in Berlin. Sein baden-württembergischer Kollege Winfried Kretschmann gehört zwar den Grünen an, hat aber den gemeinsamen Vorstoß mit Zustimmung seines Koalitionspartners SPD unternommen. Hinzu hat auch der Kieler Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) einen der wichtigsten Eckpunkte der EEG-Reform kritisiert, indem er die Abschaffung des "atmenden Deckels" verlangte (siehe unten).

"Ständige Energieministerkonferenz" soll Ländern mehr Mitsprache ermöglichen

In ihrem Papier verlangen Kretschmann und Seehofer zunächst eine stärke Einbeziehung der Bundesländer bei der Energiewende. Damit diese "auf Augenhöhe" mitreden können, schlagen sie die Einrichtung einer "ständigen Energieministerkonferenz" vor. Dieses Gremium soll sich aus den für die Energiepolitik zuständigen Länderministern zusammensetzen und unter dem Vorsitz der Länder den "Dialog" mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Energie führen, der ihm ebenfalls angehört.

Vergütung für bloße Vorhaltung von Kraftwerkskapazitäten soll vorgezogen werden

An zweiter Stelle verlangen die beiden Landesregierungen eine baldige Verwirklichung des neuen Strommarktdesigns, wie es in der Koalitionsvereinbarung vorgesehen, aber nur für die Kraft-Wärme-Kopplung genauer terminiert ist. Wegen der kritischen Kraftwerks-Situation südlich des Mains (140106) sei es erforderlich, schon bis zum Sommer 2014 "eine Entscheidung zugunsten der Einführung eines fokussierten Kapazitätsmechanismus zu treffen, der die Bereitstellung gesicherter Leistung zusätzlich zu den Erlösen aus dem Stromverkauf honoriert und so eine wirtschaftliche Basis für Investitionen in neue, flexible und klimafreundliche Erzeugungs-, Last- und Speicherkapazitäten schafft". Die Umsetzung dieser Entscheidung durch den Gesetzgeber müsse bis Sommer 2015 erfolgen, um rechtzeitig die notwendigen Investitionsentscheidungen zu ermöglichen.

Referenzertrag für Vergütung von Windstrom soll auf 60 Prozent abgesenkt werden

An den Eckpunkten der geplanten EEG-Reform stört die beiden Landesregierungen, daß die Vergütung von Windstrom nach den ersten fünf Jahren nur dann fortgeführt werden soll, wenn die Stromerzeugung der Windkraftanlage mindestens 77,5 Prozent des Referenzwerts erreicht. Sie halten es für notwendig, "daß auch an Standorten mit einem Referenzertrag von 60 bis 80 Prozent noch rentable Windkraftinvestitionen vorgenommen werden können". Außerdem möchten sie die indirekte Mengensteuerung beim Zubau von Bioenergie-Anlagen revidiert sehen. Bisher ist eine Verschärfung der Degression geplant, wenn der Zubau binnen zwölf Monaten 100 MW übersteigt. Dem Papier zufolge soll dagegen eine Leistungserweiterung bestehender Anlagen nicht auf dieses 100-MW-Limit angerechnet werden, sofern die Gesamtmenge des in der Anlage erzeugten Stroms gleich bleibt und der Strom direkt vermarktet wird.

Kostspielige Forcierung des WKA-Zubaues im Südwesten würde EEG-Reform konterkarieren

Die Kritik am vorgesehenen Referenzertrag für die Vergütung von Windstrom trägt vor allem die Handschrift der grün-roten Koalition in Stuttgart, die nach ihrem Regierungsantritt das Ziel verkündete, den Anteil der Windkraft am Stromverbrauch des Landes bis 2020 zu verzehnfachen (110509). Es gibt aber in Baden-Württemberg nur wenig ertragreiche Standorte für Windkraftanlagen, die außerdem mit Rücksicht auf den Landschaftsschutz nicht alle genutzt werden können. Auch die von der grün-roten Regierung verfügte Änderung des Landesplanungsrechts (110911) hat deshalb keinen nennenswerten Zubau bewirkt. Im ersten Halbjahr 2013 wurde sogar keine einzige Windkraftanlage errichtet (siehe Grafik). Das liegt nun mal an der Topographie des Südwestens und den klimatischen Gegebenheiten, die andererseits dafür sorgen, daß Baden-Württemberg und Bayern zwei Drittel der deutschen Solarstromproduktion bestreiten (100105). Die Forderung, auch schlechte WKA-Standorte auskömmlich zu vergüten, würde die EEG-Umlage weiter hochtreiben und das mit der EEG-Reform verfolgte Ziel einer Minderung der Förderlasten konterkarieren. Die forcierte "Verspargelung" der Landschaft birgt ebenfalls ein erhebliches politisches Konfliktpotential. Die in Stuttgart und München regierenden Parteien erweisen sich deshalb mit dieser Forderung wahrscheinlich selber keinen guten Dienst.

Auch die Kieler Landesregierung schießt quer

Kritik an den von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vorgelegten Eckpunkten der EEG-Reform äußerte auch dessen Parteifreund Torsten Albig, der in Schleswig-Holstein zusammen mit den Grünen regiert. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk verlangte er am 30. Januar die Abschaffung des "atmenden Deckels", mit dem künftig bei Windstrom eine Steuerung des Zubaues wie bei der Photovoltaik erfolgen soll. Dieses "Steuerelement, das gar keines ist" müsse aus dem Gesetzentwurf entfernt werden. "Das haben wir schon im Sozialismus erlebt, daß so etwas nicht funktioniert", polemisierte Albig, obwohl sich bei der Photovoltaik sehr wohl gezeigt hat, daß es funktioniert (130706). Der Ministerpräsident machte sich damit zum Sprecher der Windkraft-Branche, die im sonst industrieschwachen Schleswig-Holstein ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist.

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