März 2014

140314

ENERGIE-CHRONIK


E.ON will Grafenrheinfeld vorzeitig abschalten

Der E.ON-Konzern hat der Bundesnetzagentur am 28. März mitgeteilt, daß er sein Kernkraftwerk Grafenrheinfeld vorzeitig stillegen will. Nach der 2011 beschlossenen Neufassung des Atomgesetzes darf der Reaktor noch bis 31. Dezember 2015 betrieben werden (110601). E.ON will ihn jedoch schon Ende Mai 2015 abschalten und begründet dies damit, daß sich ein dann anstehender Wechsel von Brennelementen wegen der zu zahlenden Brennelementesteuer nicht mehr lohne.

Kernkraftwerk gilt wahrscheinlich nicht als "systemrelevant"

Nach Einschätzung des zuständigen Transportnetzbetreibers TenneT wird die Versorgungssicherheit durch die vorzeitige Stillegung des Kernkraftwerks nicht gefährdet. Ähnlich sehen das inzwischen auch das Bundeswirtschaftsministerium und die bayerische Landesregierung. Letztendlich wird nun die Bundesnetzagentur über die "Systemrelevanz" von Grafenrheinfeld entscheiden müssen. Gegebenenfalls könnte sie E.ON aufgrund der "Reservekraftwerksverordnung" (130605) zum Weiterbetrieb bis Ende 2015 verpflichten. Ende März enthielt ihre "Kraftwerksstilllegungsliste" insgesamt 42 Anlagen, die von den Betreibern zur Stillegung angemeldet wurden. Eine Systemrelevanz bejahte die Regulierungsbehörde bisher aber nur bei vier Kraftwerken der Energie Baden-Württemberg an den Standorten Walheim und Marbach (140106).

Seehofer und Gabriel zeigten sich zunächst besorgt

Die bayerische Landesregierung hatte sich zunächst alarmiert und zu politischen Gegenleistungen bereit gezeigt, als E.ON ihr Mitte März die vorzeitige Abschaltung signalisierte. "Wir brauchen die Kapazitäten von Grafenrheinfeld 2015 noch für die Versorgungssicherheit", erklärte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) gegenüber der "Süddeutschen Zeitung", die am 21. März unter der Überschrift "Eon bringt Bayern beim Atomausstieg in die Bredouille" erstmals über die Pläne berichtete. Zusammen mit dem Kanzleramt und dem Bundeswirtschaftsministerium müsse eine Lösung gefunden werde. Seehofer sah eine solche Lösung darin, E.ON bei der Brennelementesteuer entgegenzukommen. "Wir müssen alles tun, damit die Versorgungssicherheit erhalten bleibt", meinte auch Bundeswirtschaftsminister Gabriel (SPD).

"Hier wird eine reine Drohkulisse aufgebaut"

Alsbald setzte sich aber der Eindruck durch, daß E.ON die vorzeitige Abschaltung als Druckmittel benutzen wolle, um entweder eine Reduzierung der Brennelementesteuer oder eine behördlich angeordnete Weiterführung des Betriebs zu erreichen, weil beides kostengünstiger sei. "Hier wird eine reine Drohkulisse aufgebaut", äußerte die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) am 25. März gegenüber der Presse. Die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn warnte: "E.ON versucht, zusätzliches Geld für den Weiterbetrieb von Grafenrheinfeld bei den Stromkunden herauszuholen. Ich hoffe, die Aufsichtsbehörden durchschauen dieses Spiel."

Die anfängliche Befürchtung von Politikern, auf Grafenrheinfeld könne bis zum gesetzlich festgelegten Abschalttermin nicht verzichtet werden, kommt nicht von ungefähr: Bisher wurde die bevorstehende Abschaltung des Kernkraftwerks gern als Argument bemüht, um die unverzügliche Fertigstellung neuer Transportnetz-Verbindungen zu den Verbrauchsschwerpunkten in Süddeutschland zu begründen. Zum Beispiel wird eine der beiden Leitungen des HGÜ-Projekts "SuedLink" in Grafenrheinfeld enden, um die dort ab 2016 entfallende Einspeisung des Kernkraftwerks zu ersetzen. Allerdings ist mit der Inbetriebnahme dieser Leitung nicht vor 2019 zu rechnen (131002). Auch die umstrittene HGÜ-Leitung von Halle nach Augsburg (140201) und die Verlängerung der "Thüringer Strombrücke" bis Redwitz (130703) werden erst später fertig.

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