April 2014 |
140405 |
ENERGIE-CHRONIK |
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Die Rückzahlung der Brennelementesteuer für alle acht Kernkraftwerke, die seit der Re-Revision des Atomausstiegs noch am Netz sind (110601), würde ein erhebliches Loch in den Bundeshaushalt reißen. Einschließlich der 1,3 Milliarden Euro, die das Bundesfinanzministerium für dieses Jahr einkalkuliert hat, würden damit mehr als fünf Milliarden Euro im Etat fehlen und die "schwarze Null" illusorisch machen, die von der Großen Koalition angestrebt wird. |
E.ON und RWE haben für fünf Kernkraftwerke die vorläufige Rückzahlung der bisher entrichteten Brennelementesteuer erstritten. Wie das Finanzgericht Hamburg am 14. April mitteilte, gab es den Eilanträgen der jeweiligen Betreibergesellschaften statt und verpflichtete damit die Hauptzollämter, den Klägern insgesamt über 2,2 Milliarden Euro zu erstatten. Davon entfallen 1,7 Milliarden Euro auf E.ON und rund 400 Millionen Euro auf RWE. Über kleinere Summen in Millionenhöhe dürfen sich die Stadtwerke München und Bielefeld freuen, die Minderheitsbeteiligungen an den Kernkraftwerken Isar 2 (25 Prozent) und Grohnde (16,7 Prozent) besitzen. Sicher in der Tasche haben die Unternehmen das Geld aber noch nicht. Das wäre erst dann der Fall, wenn das Bundesverfassungsgericht bei seiner noch ausstehenden Entscheidung in diesem Rechtsstreit wie das Finanzgericht Hamburg zu der Auffassung gelangen sollte, daß das seit 2011 geltende Kernbrennstoffsteuergesetz (101002) gegen die Verfassung verstößt. Außerdem könnte das Hamburger Urteil durch den Bundesfinanzhof gekippt werden, falls das Bundesfinanzministerium von der Möglichkeit der Beschwerde Gebrauch macht.
Geklagt hatten die Betreibergesellschaften der Kernkraftwerke Brokdorf, Grafenrheinfeld, Grohnde und Isar 2 (E.ON) sowie des Kernkraftwerks Emsland (RWE). Sie haben ihren Sitz alle im Zuständigkeitsbereich des Finanzgerichts Hamburg, das länderübergreifend auch für Niedersachsen und Schleswig-Holstein zuständig ist. Nicht unmittelbar betroffen von den jetzt ergangenen Urteilen sind dagegen die Kernkraftwerke Gundremmingen B und C (RWE) sowie Philippsburg 2 und Neckarwestheim 2 (EnBW), die in den Zuständigkeitsbereich des Finanzgerichts München bzw. des Finanzgerichts Baden-Württemberg fallen.
Schon im Herbst 2011 hatten E.ON und RWE vor den Finanzgerichten Hamburg und München erfolgreich die Rückzahlung der Brennelementesteuer für die Kernkraftwerke Grafenrheinfeld und Gundremmingen B verlangt (111001). Diese Urteile wurden aber im März 2012 durch den Bundesfinanzhof aufgehoben, weil das Gesetz formell ordnungsgemäß zustande gekommen sei und über die von den Finanzrichtern geäußerten Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden könne (120303).
Der 4. Senat des Finanzgerichts Hamburg hatte daraufhin Anfang 2013 beim Bundesverfassungsgericht ein Normenkontrollverfahren zur Überprüfung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Brennelementesteuer beantragt und seine diesbezüglichen Zweifel ausführlich begründet. Außerdem rief er Ende 2013 den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) an, um zu klären, ob die Brennelementesteuer mit europäischem Recht zu vereinbaren ist. Da der Senat über die anhängigen Klagen nicht entscheiden kann, solange die Urteile aus Karlsruhe und Luxemburg noch nicht vorliegen, beantragten die KKW-Betreiber vorläufigen Rechtsschutz, um von der Zahlung der Brennelementesteuer vorläufig befreit zu werden. Vor diesem Hintergrund ergingen die jetzigen Beschlüsse zur vorläufigen Rückzahlung von über 2,2 Milliarden Euro.
Der Senat hält das Kernbrennstoffsteuergesetz für formell verfassungswidrig, weil die Kernbrennstoffsteuer keine Verbrauchsteuer im Sinne der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzregeln sei. Verbrauchsteuern müßten darauf angelegt sein, auf den Konsumenten abgewälzt zu werden. Dies sei bei der Kernbrennstoffsteuer nicht der Fall. Schon in der Begründung des Kernbrennstoffsteuergesetzes sei festgehalten worden, daß eine Überwälzung der Steuer allenfalls in geringem Umfang möglich sein werde. Eine Betrachtung des Strommarktes bestätige, daß die Kernbrennstoffsteuer auf die Strompreisbildung ohne Einfluss geblieben sei. Die Kernbrennstoffsteuer sei deshalb nicht auf Abwälzung angelegt, sondern verfolge das Ziel, die Gewinne der Kernkraftwerksbetreiber abzuschöpfen. Die Besteuerung von Gewinnen erfolge nach dem Steuersystem des Grundgesetzes allerdings nicht durch Verbrauchsteuern, sondern typischerweise durch eine der Ertragsteuern, die jedoch nicht in der alleinigen Gesetzgebungskompetenz des Bundes lägen.
Außerdem spreche einiges dafür, dass die Kernbrennstoffsteuer europarechtswidrig ist. Das in der europäischen Energiesteuerrichtlinie (031103) verankerte Prinzip der "Output-Besteuerung" verbiete es, neben dem elektrischen Strom selbst auch noch die Energieerzeugnisse zu besteuern, die zu seiner Produktion eingesetzt werden. Der 4. Senat hält es für durchaus möglich, daß dieses Verbot auch die in der Richtlinie nicht ausdrücklich genannten Kernbrennstoffe erfaßt. Ferner spreche einiges dafür, dass die europäische Verbrauchssteuer den Mitgliedstaaten verbiete, eine Steuer wie die Kernbrennstoffsteuer neu zu erfinden.
Nach Artikel 14 der EU-Richtlinie zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (PDF) dürfen "bei der Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse" nicht zusätzlich besteuert werden. Allerdings steht es den Mitgliedsstaaten frei, "diese Erzeugnisse aus umweltpolitischen Gründen zu besteuern, ohne die in der Richtlinie vorgesehenen Mindeststeuerbeträge einhalten zu müssen".