November 2014

141102

ENERGIE-CHRONIK


E.ON nutzte Briefkastenfirmen in Luxemburg zur Steuer-Vermeidung

Der Kleinstaat Luxemburg hat zahlreiche andere Länder um Milliarden geschädigt, indem er ausländischen Unternehmen die Gründung von Briefkasten-Firmen gestattete, die lediglich dem Zweck der Steuervermeidung dienen. Dies belegte Anfang November das "International Consortium of Investigative Journalists" (ICIJ) anhand von Dokumenten der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (Pwc). Die Dokumente betreffen 343 börsennotierte Konzerne, Mittelständler und Spezialfonds, für die Pwc mit Zustimmung der Luxemburger Behörden insgesamt 548 maßgeschneiderte Steuervermeidungs-Modelle entwickelt wurden. Zu den wichtigsten Nutznießern dieser Praktiken zählte neben Pepsi, Ikea, Amazon, Apple, der Deutschen Bank oder Gazprom auch der E.ON-Konzern.

Konzerneigene Schattenbank namens "Dutchdelta Finance SARL"


Die "Luxembourg Leaks" bieten Einsicht in 548 "tax rulings", mit denen die luxemburgischen Behörden mehr als 340 Unternehmen extrem niedrige Steuern zusicherten.

Das E.ON-Dossier umfaßt 56 der insgesamt fast 28.000 Seiten, die auf der ICIJ-Seite durchsucht werden können (siehe Link). Es dokumentiert drei Steuervermeidungs-Modelle, die Pwc im Auftrag von E.ON mit der Luxemburger Steuerbehörde vereinbart hat. Das erste wurde am 19. April 2007 genehmigt, das zweite am 11. Juni 2008 und das dritte am 25. März 2009. In allen Fällen wurde das E.ON-Finanzgeflecht unter Einbeziehung von in Luxemburg oder Malta angesiedelten Briefkasten-Firmen so zurechtgeschneidert, daß in Deutschland, den USA und Großbritannien möglichst wenig Steuern anfielen.

Eine zentrale Rolle spielt dabei eine konzerneigene Schattenbank, die als Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach luxemburgischen Recht (SARL) im Handels- und Firmenregister des Kleinstaats eingetragen ist. Diese "Dutchdelta Finance SARL" gewährt anderen E.ON-Firmen riesige Darlehen und Anleihen, wofür diese entsprechende Zinsen zu zahlen haben. Die E.ON-Töchter können diese Zinsen in den Ländern, in denen sie tätig sind, steuermindernd geltend machen. Tatsächlich fließen die Zinsen aber über die Briefkasten-Schattenbank in Luxemburg fast ungeschmälert an E.ON zurück, weil mit der dortigen Steuerbehörde vereinbart wurde, daß sie nur minimal besteuert werden.

Demselben Zweck dienen bei anderen Unternehmen, die jetzt in den "Luxembourg Leaks" auftauchen, hohe Lizenzgebühren. Diese werden an einen in Luxemburg ansässigen Lizenzgeber gezahlt, der letztendlich zum selben Firmengeflecht gehört. Am Produktionsstandort können die Lizenzgebühren als Betriebsausgaben von der Steuer abgesetzt werden. Über die Briefkastenfirma in Luxemburg fließen sie aber ohne nennenswerte Einbußen wieder an das Unternehmen zurück. Die Steuerersparnis kann dabei so groß sein, daß sich anstelle einer reinen Briefkastenfirma durchaus auch eine real vorhandene Niederlassung mit real Beschäftigten lohnen würde.

Für Zinserträge von über 130 Millionen Euro zahlte E.ON in Luxemburg nur 1.575 Euro an Steuern

Aus Deutschland haben sich Journalisten der "Süddeutschen Zeitung" sowie der ARD-Sender NDR und WDR an den ICIJ-Recherchen beteiligt. Nach ARD-Angaben funktionierte bei E.ON das Steuervermeidungs-Modell beispielsweise so, daß die "Dutchdelta Finance" 2,8 Milliarden Euro an E.ON-Töchter in den USA und Großbritannien überwies. Die dafür gezahlten Zinsen in Höhe von 130.598.290 Euro wurden dann in Luxemburg mit lediglich 1.575 Euro besteuert. Für diesen lächerlich geringen Betrag, der sozusagen aus der Portokasse bezahlt wurde, konnten in den USA und Großbritannien steuerliche Vorteile in Millionenhöhe geltend gemacht werden.

Fünf Konzerntöchter teilen sich einen einzigen Briefkasten

Auf der Suche nach der "Dutchdelta Finance" in Luxemburg entdeckte ein Reporter der "Süddeutschen Zeitung" (7.11.) unter der angegebenen Adresse (Boulevard Prince Henri 17) lediglich einen Briefkasten, der mit selbstgedruckten Klebestreifen folgendermaßen beschriftet war:

Dutchdelta Finance SARL
Powergen
DD Brazil Holdings SARL
DD Turkey Holdings SARL

Die Beschriftung "Powergen" steht dabei anscheinend für zwei Gesellschaften zugleich, nämlich die Powergen Luxembourg Holdings SARL und die Powergen Holdings SARL. Im übrigen handelt es sich aber um jene fünf Luxemburger Töchter, die auch im E.ON-Geschäftsbericht 2013 erwähnt sind.

Die beiden Powergen-Konstrukte dürften inzwischen nur noch der Steuervermeidung in Großbritannien dienen, da E.ON das US-Geschäft vor vier Jahren verkauft hat (100401). Die beiden Briefkastenfirmen für Brasilien und die Türkei tauchen erst seit 2011 im Geschäftsbericht auf. Sie verdanken ihre Existenz offenbar dem Wiedereinstieg des Konzerns in den türkischen Energiemarkt (120107,121206) und dem geschäftlichen Abenteuer, auf das er sich in Brasilien eingelassen hat (120107, 130710, 130409).

Der Reporter versuchte vergebens, in die vierte Etage des Gebäudes zu gelangen, in dem sich angeblich die Geschäftsräume der Luxemburger E.ON-Töchter befinden. Als er klingelte, teilte ihm eine unbekannte Person über die Sprechanlage mit, daß er keinesfalls hochkommen könne. Wenn er Fragen zur "Dutchdelta Finance" oder E.ON habe, möge er doch bitte in Deutschland anrufen...

Luxemburg hat nur 550.000 Einwohner, aber 141 Banken und 10.000 Investmentfonds

Der Vorteil für Luxemburg ergibt sich aus der Vielzahl solcher Briefkastenfirmen. Den Rekord stellt ein Gebäude auf, in dem ein Firmen- und Fondsverwalter mehr als 1.600 Gesellschaften beherbergt. Auch relativ geringfügige Steuern addieren sich so unterm Strich zu stattlichen Einnahmen. Die individuell mit Unternehmen ausgehandelten Steuerspar-Modelle ("Tax rulings") sind außerdem nur Teil einer ganzen Palette von Anreizen, mit denen sich Luxemburg in den vergangenen Jahrzehten zum Steuer-Schlupfloch entwickelt hat. Obwohl das Geschäft mit Schwarzgeld-Konten inzwischen unter dem Druck der Nachbarstaaten eingedämmt wurde, gibt es in dem Land, das gerade mal 550.000 Einwohner zählt, noch immer 141 Banken, von denen 37 Ableger deutscher Institute sind. Im milden Klima der Steueroase haben sich ferner rund 10.000 Investmentfonds angesiedelt, deren Bilanzsumme mehr als drei Billionen Euro beträgt. Zum Beispiel gehören dazu die russischen Oligarchen, die von RWE den Öl- und Gasförderer DEA übernehmen wollen (141112), oder die australischen Finanzinvestoren, die inzwischen vier deutsche Ferngasnetzbetreiber gekauft haben (141012).

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