September 2016 |
160906 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das vor vier Jahren gebildete Konsortium zum Bau der ersten Strom-Direktverbindung zwischen Deutschland und Norwegen (120606) begann am 16. September mit der Errichtung der deutschen Konverterstation am Umspannwerk Wilster in Schleswig-Holstein. Der symbolische erste Spatenstich für "NordLink" erfolgte im Beisein von zahlreichen Vertretern aus der Bundes-, Landes- und Regionalpolitik sowie aus Wirtschaft und öffentlichem Leben. Die Projektpartner TenneT, Statnett und KfW-Bank wollen die insgesamt 623 Kilometer lange Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) mit den beiden Konverterstationen in Wilster und im norwegischen Tonstad bis 2020 fertigstellen.
Die 623 Kilometer lange HGÜ-Leitung "Nordlink" verbindet die beiden Konverterstationen Wilster in Deutschland und Tonstad in Norwegen. |
Das neue Kabel kann einen erheblichen Beitrag zur Systemstabilisierung des deutschen Netzes leisten. Wenn beispielsweise in Deutschland ein Überschuß an Windenergie erzeugt wird, kann dieser über NordLink nach Norwegen übertragen werden. Die Wasserspeicher in Norwegen dienen dann als natürliche Speicher für die Windenergie, indem das Wasser in den Speichern verbleibt. Umgekehrt kann Deutschland bei hohem Bedarf Energie aus Wasserkraft aus Norwegen importieren.
Bisher ist ein Stromaustausch zwischen Deutschland und Norwegen nicht möglich, obwohl zahlreiche Anbieter von angeblichem "Ökostrom aus norwegischer Wasserkraft" dies suggerieren (siehe Hintergrund). Es gibt allenfalls indirekte Stromverbindungen über das Ausland: Zum einen ist das die 580 Kilometer lange HGÜ-Verbindung NorNed zwischen Norwegen und den Niederlanden, und zum anderen die über 230 Kilometer durch das Skagerrak nach Dänemark führende HGÜ-Strecke Cross-Skagerrak. Für den Stromaustausch zwischen Norwegen und Deutschland sind diese Leitungen aber praktisch nicht nutzbar (100404).
NordLink wird mit 1.400 MW eine doppelt so große Kapazität wie die seit 2008 bestehende NorNed-Leitung nach den Niederlanden haben. Die Betriebsspannung beträgt 515 Kilovolt. Von der Gesamtstrecke entfallen 516 Kilometer auf das Seekabel. Hinzu kommt ein 54 Kilometer langes Erdkabel, das auf deutscher Seite vom Anlandepunkt Büsum zur Konverterstation im Umspannwerk Wilster führt. In Norwegen wird eine 53 Kilometer lange Freileitung den Anlandepunkt Vollesfjord mit dem Umspannwerk Tonstad verbinden.
Den Auftrag zu Herstellung und Verlegung des Seekabelstücks in der norwegischen und dänischen Nordsee erhielt Nexans Norway. Für die Herstellung und Verlegung der Kabel auf deutscher Seite ist ABB zuständig. Dieses Unternehmen wird auch die beiden Konverter errichten. Die Baukosten werden mit insgesamt 1,5 bis 2 Milliarden Euro angegeben.
Das NordLink-Projekt wird von einem Konsortium realisiert, an dem jeweils zur Hälfte der norwegische Übertragungsnetzbetreiber Statnett sowie die DC Nordseekabel GmbH & Co.KG beteiligt sind. Die DC Nordseekabel verantwortet Bau und Genehmigungen auf deutscher Seite. An ihr sind jeweils zur Hälfte der Netzbetreiber TenneT und die bundeseigene KfW-Bank beteiligt.
Schon seit Anfang der neunziger Jahre gab es mehrfach Anläufe zur Herstellung einer solchen Verbindung. Den ersten unternahmen die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) (921109). Er scheiterte aber an norwegischen Bedenken, die geplanten Importe nach Deutschland könnten den inländischen Strompreis hochtreiben (931211). Ein 1995 gegründetes Gemeinschaftsunternehmen von HEW und RWE zum Bau eines 540 Kilometer langen "Eurokabels" (950310) wurde dagegen von der Liberalisierung des deutschen Strommarktes durchkreuzt, weshalb die Norweger 674 Millionen Mark an Schadenersatz haben wollten (990733).
Dasselbe Schicksal erlitt wenig später das konkurrierende "Viking-Kabel" (930514), das die PreussenElektra plante und nach ihrem Einstieg bei den HEW zunächst mit dem "Eurokabel" in einer Trasse vereinigen wollte (970106). Der PreussenElektra-Nachfolger E.ON begründete den Rückzug unter anderem mit der Zunahme an Windstrom, die er aufgrund des Stromeinspeisungsgesetzes abnehmen müsse. Dadurch werde der ursprünglich beabsichtigte Import von Strom aus norwegischer Wasserkraft in Frage gestellt (011219). Offenbar konnte sich damals noch niemand vorstellen, daß die Zunahme an Windstrom-Einspeisung zum triftigsten Argument für eine Direktverbindung mit dem norwegischen Netz werden könnte...