September 2017 |
170903 |
ENERGIE-CHRONIK |
Aus der Berliner Unternehmenszentrale von 50Hertz gab der Thüringer Ministerpräsident Reiner Haseloff der Schaltwarte des Netzbetreibers in Neuenhagen das offizielle Kommando zur vollständigen Inbetriebnahme der Thüringer Strombrücke. Rechts der Technische Geschäftsführer Frank Golletz und 50Hertz-Chef Boris Schucht. Foto: 50Hertz
|
Die 190 Kilometer lange "Thüringer Strombrücke" ist seit 24. September voll in Betrieb. Nach der Fertigstellung des zweiten Stromkreises kann nun zwischen den Netzknoten Bad Lauchstädt in Sachsen-Anhalt und Redwitz in Bayern eine Leistung von bis zu 5.000 Megawatt (MW) übertragen werden. Damit wird die bisher einzige Verbindung nach Bayern entlastet, die von Remptendorf in Thüringen nach Redwitz führt und trotz einer bereits erfolgten Erhöhung ihrer Übertragungskapazität den ärgsten Engpaß im deutschen Übertragungsnetz bildete (151201).
Nach Angaben des ostdeutschen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz verursachte der Engpaß rund vier Fünftel der Kosten, die er für "Redispatch"-Maßnahmen aufwenden mußte. Schon nach der Inbetriebnahme des ersten Stromkreises, die Ende 2015 erfolgte (160116), seien 2016 die Kosten für das Engpaßmanagement an dieser Stelle um rund 80 Millionen Euro gesunken.
Die "Thüringer Strombrücke" besteht aus insgesamt drei Abschnitten, deren Bau bzw. Ausbau mit dem "Energieleitungsausbaugesetz" (Enlag) beschlossen wurde, das der Bundestag vor acht Jahren verabschiedete (090506). Der erste Abschnitt von Lauchstädt bis Vieselbach ist 78 Kilometer lang und schon seit Dezember 2008 in Betrieb. Der zweite Abschnitt bis Altenfeld ist 56 Kilometer lang und wurde 2015 fertiggestellt. Der dritte Abschnitt bis Redwitz wurde bis zur thüringischen Landesgrenze (26 km) ebenfalls vom Netzbetreiber 50Hertz errichtet. Für das restliche Stück in Bayern (30 km) war und ist der Netzbetreiber TenneT zuständig. Aufgrund einer nachträglichen Gesetzesänderung, die der Bundestag Anfang 2011 beschloß, wurde für diesen dritten Abschnitt sowie drei andere Enlag-Projekte auch eine teilweise Erdverkabelung zugelassen (110216). Davon hat man jedoch keinen Gebrauch gemacht.
In Verbindung mit der Leitung von Redwitz nach Grafenrheinfeld, die vor zwei Jahren von 220 kV auf 380 kV umgerüstet wurde und ebenfalls zu den ursprünglich 24 Enlag-Projekten gehörte (zwei davon wurden gestrichen), sorgt die "Thüringer Strombrücke" auch für eine Entlastung an diesem Netzknoten: In Grafenrheinfeld speiste bis 2015 das dortige Kernkraftwerk eine Leistung von 1235 MW ein (150606), deren Wegfall durch einen Phasenschieber kompensiert werden mußte (140811). Bis etwa 2025 – zunächst war 2019 vorgesehen – soll hier eine der beiden "Südlink"-Trassen enden, die den in Norddeutschland erzeugten Strom über HGÜ-Direktverbindungen nach Süddeutschland transportieren (131002, 160903). Dennoch halten die Netzbetreiber die Errichtung einer zweiten Wechselstrom-Verbindung nach Grafenrheinfeld für erforderlich, die bereits in Thüringen von der "Thüringer Strombrücke" abzweigen würde. Die Bundesnetzagentur hat die Notwendigkeit des Projekts im Netzentwicklungsplan 2024 grundsätzlich anerkannt, ihre Bestätigung aber mit der Auflage versehen, nach Alternativen Ausschau zu halten.