Mai 2022 |
220507 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder will auf zwei seiner Pfründen verzichten, die ihm der russische Präsident Putin zugeschanzt hat: Zum einen handelt es sich um den Aufsichtsrat des Ölkonzerns Rosneft, dem er seit 2007 präsidiert (170907). Zum anderen wird er sich nicht, wie ursprünglich geplant, im Juni auch noch in den Aufsichtsrat der Gazprom wählen lassen. Schröder verzichtet allerdings nicht freiwillig. Er will vielmehr der Gefahr entgehen, wie die Oligarchen und sonstige unmittelbare Nutznießer des Putin-Sytems auf die EU-Sanktionsliste gesetzt zu werden.
Diese Gefahr droht Schröder inzwischen unmittelbar, nachdem das Europa-Parlament am 19. Mai mit großer Mehrheit eine Entschließung zur Lage in der Ukraine verabschiedete. Darin wird der Rat aufgefordert, die EU-Sanktionen "auf die europäischen Mitglieder der Leitungsorgane großer russischer Unternehmen und auf Politiker, die nach wie vor Geld aus Russland erhalten, auszuweiten". Das Parlament stellt fest, dass ehemalige Regierungschefs wie der Finne Esko Aho, der Franzose François Fillon und der Österreicher Wolfgang Schüssel inzwischen von ihren Ämtern in russischen Unternehmen zurückgetreten sind. Zugleich fordert es andere Politiker "nachdrücklich" auf, diesem Beispiel zu folgen. Zudem wird diese Aufforderung namentlich an die ehemalige österreichische Außenministerin Karin Kneissl und den einstigen deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder adressiert.
Mit Schröder verläßt auch sein Stellvertreter Matthias Warnig (rechts) den Rosneft-Aufsichtsrat. Dieses Pressefoto wurde anläßlich des Baues der ersten Ostsee-Pipeline von der Nord Stream AG veröffentlicht, als der ehemalige Kanzler dank Putin an die Spitze des Aufsichtsrats gerückt war und der ehemalige Stasi-Offizier Warnig die Geschäftsführung übernahm. Später übertrug die Gazprom den beiden Karrieristen aus unterschiedlichen politischen Systemen bei der Nord Stream 2 AG dieselben Führungspositionen. |
Der staatliche russische Ölkonzern Rosneft gab daraufhin am 20. Mai bekannt, Schröder habe ihn darüber informiert, dass es ihm nicht möglich sei, sein Mandat als Chef des Aufsichtsrats zu verlängern. Zugleich verlasse Schröders Stellvertreter Matthias Warnig (111219) den Rosneft-Aufsichtsrat, der bisher bei der Nord Stream 2 AG ebenfalls als dessen Stellvertreter amtierte. Am 23. Mai ließ Karin Kneissl per "Twitter" ebenfalls wissen, dass sie ihr Aufsichtsratsmandat bei Rosneft nicht verlängern werde. Beide Putin-Freunde wollen demnach nicht zurücktreten, sondern nur ihr Mandat auslaufen lassen. Ob das reicht, um nicht auf die Sanktionsliste zu geraten, wird sich zeigen müssen.
Anscheinend will Schröder aber bisher nicht den Vorsitz im Aktionärsausschuss der Ostsee-Pipeline Nord Stream aufgeben, den er seit 17 Jahren innehat und ebenfalls Putin verdankt (051202). Unklar bleibt ferner, ob er weiterhin Einkünfte von der hundertprozentigen Gazprom-Tochter Nord Stream 2 AG bezieht, die zwar ihre Geschäftstätigkeit eingestellt hat, ihn aber laut dem Schweizer Handelsregister auch im Mai weiterhin als Präsidenten des Verwaltungsrats beschäftigte (220305). Möglicherweise sieht Schröder bei Nord Stream größere Chancen, als Putin-Helfer ungeschoren zu bleiben, weil die Gazprom beide Töchter in der Schweiz angesiedelt hat und bei der ersten Ostsee-Pipeline-Gesellschaft nicht der alleinige Eigentümer ist.
Im Unterschied zu Rosneft kam von Gazprom keine Mitteilung über einen Verzicht Schröders. Zunächst musste deshalb davon ausgegangen werden, dass er sich im Juni auch noch in deren Aufsichtsrat wählen lässt, zumal Gazprom auf Nachfrage bestätigte, dass er nach wie vor nominiert sei. Erst nachdem dies Kritik ausgelöst hatte, meldete sich der Ex-Kanzler am 24. Mai selber zu Wort: Über das Karrierenetzwerk Linkedin im Internet ließ er wissen, dass er auf die Nominierung "schon vor längerer Zeit verzichtet" habe. Das habe er der Gazprom auch mitgeteilt. "Insofern wundere ich mich über heute neu erschienene anderslautende Berichte", fügte er hinzu – gerade so, als ob es nicht seine Aufgabe gewesen wäre, in dieser Hinsicht für Klarheit zu sorgen. Die gibt es auch jetzt nicht, denn die Gazprom hätte wohl kaum die falsche Auskunft gegeben, wenn er seinen "schon vor längerer Zeit" beschlossenen Verzicht wenigstens ihr unverzüglich mitgeteilt hätte. Inzwischen ist man aber auch in Moskau informiert und hat einen Ersatzkandidaten benannt.
Parallel zur Resolution des EU-Parlaments beschloss am 19. Mai der Hauhaltsausschuss des Bundestags, dem Ex-Kanzler das aus sechs Räumen bestehende Büro samt fünf Mitarbeitern und einem Chauffeur zu entziehen, das ihm bisher aus Steuergeldern finanziert wird. Der Beschluss kam mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP und Union zustande, während AfD und Linke sich enthielten. Begründet wird er damit, dass Schröder keine Aufgaben als ehemaliger Kanzler mehr wahrnimmt. Generell müsse sichergestellt werden, dass eine derartige üppige Privilegierung auf Kosten des Steuerzahlers künftig "nach der fortwirkenden Verpflichtung aus dem Amt erfolgt und nicht mehr statusbezogen". Es soll also nicht eine juristisch anfechtbare "Lex Schröder" erlassen werden, sondern eine fragwürdige Privilegierung ehemaliger Spitzenpolitiker dauerhaft vermieden werden. Die erhöhten Anforderungen der Neuregelung würden somit auch für Angela Merkel sowie für Olaf Scholz und andere Bundeskanzler gelten, wenn sie aus dem Amt geschieden sind. Schröders großzügiges Büro ist seit März sowieso verwaist, weil das vom Kanzleramt gestellte Personal nicht mehr für ihn arbeiten wollte und um Versetzung gebeten hat. Der Personenschutz durch das Bundeskriminalamt bleibt jedoch aufrechterhalten. Entgegen einem von der Union gestellten Schaufenster-Antrag beließ die Ampelkoalition dem Putin-Spezi auch seine Kanzlerpension von rund 8300 Euro monatlich und die Altersbezüge als ehemaliger Ministerpräsident von Niedersachsen in voller Höhe, da es wahrscheinlich verfassungswidrig wäre, sie zu streichen oder auch nur Kürzungen vorzunehmen. Schröder will den Beschluss des Haushaltsausschusses trotzdem juristisch überprüfen lassen.