August 2022

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ENERGIE-CHRONIK


Für den 31. August kostete die Megawattstunde Strom im vortägigen Handel an der Epex Spot bis zu 855,5 Euro. Tags zuvor waren es sogar bis zu 860,9 Euro (rote Kurve mit Euro-Skala rechts). Die Grafik lässt erkennen, wie die Höhe des Day-Ahead-Preises vom jeweils prognostizierten Stromaufkommen aus erneuerbaren Energien abhängt, die wegen ihrer nicht vorhandenen Brennstoff-Kosten den Preis senken. Die Prognosen stimmen meistens erstaunlich gut mit der tatsächlichen Erneuerbaren-Einspeisung (grün) überein (die auf dieser Grafik, die eine Momentaufnahme vom 29. August ist, für die beiden letzten Tage des Monats noch nicht angezeigt werden kann). Der Leistungsbedarf aus nicht erneuerbaren Stromquellen (grau) wirkt dagegen preistreibend (GW-Skala links). Das liegt daran, dass sich der Börsenpreis nach den "Grenzkosten" der teuersten Kraftwerke richtet, auf die von den Netzbetreibern bei der Abarbeitung der sogenannten Merit-Order zum Ausgleich des schwankenden Stromverbrauchs (blaue Kurve) zurückgegriffen werden muss. Und das sind in aller Regel die Gaskraftwerke.
Quelle: Energy-Charts

Widerstand gegen Reform des Strommarkts schwindet

Ende August zeichnete sich ab, dass der hartnäckige Widerstand gegen eine Reform des Strommarktes im Schwinden begriffen ist. "Die in die Höhe schießenden Strompreise zeigen gerade aus verschiedenen Gründen die Grenzen unseres jetzigen Strommarktdesigns auf", erklärte die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen am 29. August bei einer internationalen Konferenz in der slowenischen Stadt Bled. Das gegenwärtige System sei für andere Umstände entwickelt worden und nicht mehr zweckmäßig. "Deshalb arbeiten wir jetzt an einer Notfallmaßnahme und an einer Strukturreform des Strommarktes." Dieses Notfallinstrument zur Entkoppelung von Gas- und Strompreis müsse innerhalb von Wochen zur Verfügung stehen. "Und dann müssen wir eine tiefgreifende, strukturelle Reform des Strommarktes machen. Das wird zu Beginn des nächsten Jahres sein."

Faktische Kopplung des Strom-Großhandelspreises an den Gaspreis hat fatale Folgen

Konkret geht es um die enorme Belastung, die für die Verbraucher durch die Koppelung der Großhandelspreise für Strom an die Erzeugungskosten der Gaskraftwerke entsteht. Diese faktische Kopplung ergibt sich aus einem Börsenmechanismus, der den Großhandelspreis aus den "Grenzkosten" der jeweils teuersten Stromquelle ableitet, die von den Netzbetreibern zum Ausgleich der schwankenden Lastkurve eingesetzt werden muss. Da es sich dabei in der Regel um die besonders teuren Gaskraftwerke handelt, sind die am Spotmarkt gebildeten Preise unverhältnismäßig höher als den durchschnittlichen Kosten der Stromerzeugung insgesamt und auch den durchschnittlichen Kosten für die Regelenergie entsprechen würde. Das führt bei jenen Kraftwerksbetreibern, deren Stromerzeugungskosten unter denen von Gaskraftwerken liegen, zu enormen "Windfall-Profits". Dieser Anglizismus für Zufallsgewinne ist dabei teilweise sogar wörtlich zu nehmen, da Betreiber von Windparks und andere Anbieter von Erneuerbaren-Strom die geringsten Erzeugungskosten und damit den größten Nutzen haben.

"Phelix" seit einem Jahr außer Rand und Band

Als Folge der Gaspreiskrise sind deshalb auch die Großhandelspreise für Strom seit etwa einem Jahr in bislang unvorstellbarer Weise explodiert (siehe Phelix). Im Juli lag der stundengewichtete Durchschnittspreis pro Tag bei 315 Euro pro Megawattstunde, und für August ist aufgrund der an den einzelnen Tagen registrierten Spotmarkt-Preise (siehe Grafik) ein weiterer exzessiver Anstieg zu erwarten.

Nur Spanien und Portugal dürfen sich bisher dem Börsen-Korsett entziehen

Bisher hat sich die EU-Kommission gegen eine Reform des Strommarkts gesträubt und im Schulterschluss mit Börsen- und Wirtschaftskreisen ausdrücklich das bisherige Strommarkt-Design verteidigt, das der seit elf Jahren bestehenden Marktkopplung (140206) zugrunde liegt. Ersatzweise hatte sie am 13. Oktober einen "Werkzeugkasten" mit Instrumenten vorgegelegt, die sie für geeignet hielt, die Auswirkungen des Anstiegs der Energiepreise zu mildern. Die vor allem von Frankreich und Spanien erhobene Forderung nach einer Entkoppelung von Gas- und Strompreisen war in dieser "toolbox" jedoch nicht enthalten (211003). Erst auf heftiges Drängen hat sie Spanien und Portugal eine befristete Deckelung ihrer Strompreise zugestanden, die den Preis für das in der Stromerzeugung verwendete Gas auf durchschnittlich 50 Euro pro Megawattstunde begrenzt. Diese "iberische Ausnahme" wurde damit begründet, dass beide Länder - im Unterschied zu Frankreich - kaum an das übrige europäische Stromnetz angebunden sind (220408).

Bundesregierung hält ebenfalls "strukturelle Änderungen" für nötig

Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck plädierten Ende August ebenfalls für Maßnahmen zur Senkung der Strompreise. Deren gegenwärtige Höhe lasse sich nicht durch die Erzeugungskosten rechtfertigen, stellte Scholz fest. "Und deshalb ist es notwendig, dass wir strukturelle Veränderungen vornehmen, die dazu beitragen, dass die Preise zügig wieder sinken und ein ausreichendes Angebot vorhanden ist." Habeck ließ am 26. August verlauten, dass sein Ministerium die Entkoppelung von Gas- und Strompreisen plane. Das zugrunde liegende Prinzip lasse sich allerdings "nicht einfach so mit Fingerschnips" ändern, meinte er am folgenden Tag m ZDF-"heute journal".

An der "Merit Order" soll nicht gerüttelt werden

Tatsächlich ist auch jetzt nicht damit zu rechnen, dass das Grundprinzip der "Merit Order" abgeschafft wird, demzufolge die Stromanbieter so gelistet werden, dass sie in der Reihenfolge ihrer Preisforderungen zum Zuge kommen. Es geht eher darum, die exzessiven Zufallsgewinne abzuschöpfen, die das bisherige Verfahren einzelnen Akteuren des Strommarkts zu beschert, um sie den gebeutelten Stromverbrauchern in geeigneter Weise wieder zugute kommen lassen.

 

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